Eden. Tim Lebbon

Eden - Tim  Lebbon


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lernten, auf ihren Hinterbeinen zu gehen.

      Und Eden war etwas Besonderes.

      Wieder spürte sie diesen Schauer. Jemand beobachtete sie dabei, wie sie Eden beobachtete, und als sie dieses Mal zu Poke sah, wandte diese sich nicht ab.

      Jenn legte den Kopf leicht schräg. »Gibt es hier in der Nähe Wasser?«

      Poke verstand ihre Absicht. »Hier drüben.«

      Jenn streckte die Hand aus und nahm die Trinkflaschen von Cove und Selina entgehen, dann entfernten sich Poke und sie von den anderen.

      »Was sehen Sie?«, fragte Jenn leise, sobald sie außer Hörweite waren.

      »Eine Frau, die genauso aussah wie du«, antwortete Poke. »Die gleichen Augen. Der gleiche Mund.«

      Jenns Herz machte einen Sprung. »Was für eine Frau?«

      Sie knieten sich an einen Bach und füllten die Flaschen.

      »Ist zwei Monate her«, sagte Poke. Ohne zu blinzeln, verscheuchte sie eine Fliege von ihrer Augenbraue. »Sie kam mit einem Team, ein bisschen wie eures, aber mit mehr Ausrüstung. Nicht so organisiert. Sie hatten ein paar Waffen dabei und anderen Scheiß. Haben mich für etwas Beratung und ein paar Karten bezahlt. Für ein paar Stunden meiner Zeit. Dann betraten sie Eden.«

      »Und kamen sie auch wieder raus?«, fragte Jenn.

      Poke starrte sie mit eiskaltem Blick an. Sie witterte Betrug und wollte damit nichts zu tun haben. »Du verschweigst deinem Team etwas«, sagte sie. »Das ist nicht cool. Es ist gefährlich. Da drin müsst ihr euch aufeinander verlassen können.«

      »Ich habe meine Gründe«, beharrte Jenn. »Bitte, kamen sie wieder raus?«

      »Nicht dass ich wüsste.« Poke legte den Kopf schräg und der Zigarettenrauch ließ sie blinzeln. »Ihr Name war Katherine, aber sie nannte sich …«

      »Kat. Meine Mutter.« Jenn warf einen Blick zur Gruppe. Ihr Vater stand mit dem Rücken zu ihnen und starrte auf Eden. Sie spürte das Gewicht unausgesprochener Dinge und wie immer gab es eine Gravitation, die sie zusammenhielt, und eine Barriere, die sie auseinanderzwang.

      4

      »Hiermit erkläre ich Eden, die weltweit erste unberührte Zone, für versiegelt. Vor menschlicher Einmischung versiegelt. Versiegelt vor dem schädlichen Einfluss, den wir seit Jahrhunderten auf unseren Planeten hatten. Wir geben diesen Ort der Natur zurück, in der Hoffnung, dass sich die Natur wiederfindet und uns irgendwann unsere Sünden vergibt.«

       Auszug aus der Rede von Ekow Kufuor, dem Obersten Vorsitzenden des Vereinten Zonenrats, am offiziellen Gründungstag von Eden

      »Siebzehn Minuten«, sagte Poke. Eine Nachmittagsbrise wehte durch die Bäume und kühlte den Schweiß auf ihren Körpern. Kleine Zweige wiegten sich, Blätter raschelten. Dylan fragte sich, was das Land wohl über sie tuschelte.

      Wie in solchen Momenten voller Erwartung auf das bevorstehende Abenteuer und der daraus folgenden Anspannung üblich, dachte er an Kat. Vor langer Zeit hatten sie solche Momente miteinander geteilt. Abgesehen von Jenn war es die wichtigste Sache gewesen, die sie miteinander verbunden hatte.

      Er vermisste es. Er vermisste seine Frau.

      Dylan hatte Kat seit fast neun Jahren nicht mehr gesehen und seit sechs nicht mehr mit ihr gesprochen. Ein Grund, warum er das alles hier tat, war die Suche nach ihr. Es war eine passive Suche, eine vergebliche Hoffnung darauf, dass er ihr irgendwo – in einem abgelegenen Bahnhof, einem Basislager, einer durchnässten Hütte mitten in einem der wenigen verbliebenen Dschungel dieser schrumpfenden, vergifteten Welt – zufällig in die Arme laufen würde. Ab und an erfuhr er davon, dass sie durch ein kleines Andendorf oder eine Siedlung in Alaska gereist war oder auf dem Weg zu diesem oder jenen Ort gesehen worden war, ein aus absolut nicht zusammenpassenden Leuten bestehendes Team von Athleten oder Entdeckern im Schlepptau. Ihre Gemeinschaft aus Extremsportlern und Adventure Racern war zwar über den ganzen Globus verteilt, aber überraschend klein. Eine Leidenschaft für das Abenteuer hatte Kat und ihn zusammengebracht und ganz egal was sie auseinandergetrieben hatte – ein weiteres Element von Dylans Suche war auch, sich damit abzufinden –, es freute ihn, dass sie sich diese Liebe bewahrt hatte.

      Der Tag, an dem Kat ihn und Jenn verlassen hatte, blieb der schlimmste seines Lebens. Manchmal hasste er sie immer noch für den Schmerz, den sie ihm und seiner Tochter zugefügt hatte. Doch der Hass saß unbehaglich neben der Liebe, die immer bestehen bleiben würde.

      »Es ist wunderschön«, sagte Jenn, als sie sich neben ihn stellte.

      »Das ist es immer«, erwiderte er. »Was wollte Poke?«

      »Poke?«

      »Sie hat dich seltsam angesehen.«

      »Sie ist eine seltsame alte Frau. Denkst du an Mum?«

      Dylan seufzte. »Natürlich.« Es kam selten vor, dass sie über Kat sprachen, doch Momente wie dieser fühlten sich persönlich und voller Potenzial an. Wie eine Zeit, um sich zu öffnen.

      Er war davon überzeugt, dass seine Tochter im Laufe der Jahre mit Kat kommuniziert hatte, doch er wusste nicht genau, ob sie wusste, dass er es wusste. Wenn Jenn es ihm sagen wollte – und wenn es etwas Erwähnenswertes gäbe –, hätte sie es getan. Das Schweigen bereitete ihr bestimmt ein schlechtes Gewissen und er wollte das nicht verschlimmern. Seine Beziehung zu Jenn war ihm kostbar. Er liebte sie zu sehr, um sie auch noch zu verlieren. Kats Weggang hatte ihn schon hart genug getroffen. Nur ungern dachte er darüber nach, wie es Jenn als Jugendliche beeinflusst haben musste, dass ihre Mutter sie verlassen hatte und untergetaucht war. Sie war zu einer klugen und fähigen Frau herangewachsen, einer der stärksten, die er kannte. Doch innerlich musste die Erinnerung an diese Zeit wie Glut lodern.

      Jenn schien angespannt zu sein, mehr als gewöhnlich zu Beginn einer Expedition. Vielleicht war es dieser Ort. Eden schien etwas Unheimliches auszustrahlen, ein Gefühl von Fremdartigkeit, das ihrer Umgebung eine Schärfe und Reinheit verlieh, die er nur selten zuvor erlebt hatte. Die Luft war so klar, als wäre sie noch nie von Menschen geatmet worden.

      »Also was ist es?«, fragte er.

      Doch es war nicht Jenn, die antwortete.

      »Es gibt etwas, das ihr wissen solltet«, sagte Poke. »Ihr alle.«

      Als sich Dylan zu ihr umdrehte, bemerkte er, wie ihn Jenn mit weit aufgerissenen Augen ansah. Was beunruhigt mein Mädchen so?, dachte er. Dann sah er Poke an und ihm wurde klar, dass doch etwas zwischen ihnen stand.

      »Sie haben es versprochen«, protestierte Jenn.

      »Nein. Du hast gefragt. Ich habe nichts versprochen.«

      »Es ist Kat, nicht wahr?«, fragte Dylan, weil ihm nichts anderes einfiel, das Jenn so beunruhigen könnte.

      »Sie ist in Eden«, sagte Poke. »Deine Tochter weiß das.«

      Niemand sprach. Bis auf Selina und Cove, die Kat kannten, hatten die anderen nur von ihr gehört. Dennoch wussten sie, worum es ging.

      Jenn sah traurig zu ihrem Vater und flehte ihn stumm an, ihr zu vergeben oder es zu verstehen. Und irgendwie tat er das auch.

      Dennoch hatte Jenn sie alle angelogen.

      »Was zum Teufel?«, entfuhr es Selina schließlich.

      »Tut mir leid, Mädchen«, sagte Poke. »Ich weiß nichts über dich oder deine Gründe, es geheim zu halten, aber ich weiß, dass man keine Lüge im Herzen seines Teams haben darf. Nicht, wenn man nach Eden will. So etwas pflanzt die Saat des Verfalls und man verbringt schließlich mehr Zeit und Mühe damit, die Lüge geheim zu halten, als damit, zu überleben. Und es wird euch all eure Zeit und Mühe kosten, zu überleben. Ich habe euch einen Gefallen getan.«

      »Danke für nichts«, erwiderte Jenn, doch sie klang nicht wütend. Sondern traurig.

      »Die Lüge ist immer


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