Chefarzt Dr. Norden Box 8 – Arztroman. Patricia Vandenberg
das Formular.
»Spinnst du?« Ihre Stimme kletterte zwei Oktaven höher. »Du bist mein Mann. Ich liebe dich. Und ich will ein Leben mit dir.«
Manfred schloss kurz die Augen. Als er sie wieder öffnete, seufzte er tief.
»Wir hatten ein Leben. Das ist jetzt vorbei. Für dich und für mich.«
»Das kann ich immer noch selbst entscheiden.« Ihre Stimme brachte das Glas auf dem Nachttisch zum Klingen.
»Kannst du das? Wirklich?«
Das reichte!
»Beruhigen Sie sich!«, sprach Dr. Daniel Norden ein Machtwort. »Alle beide.«
Eva presste die Lippen aufeinander. Manfred drehte den Kopf weg.
Zufrieden mit der Wirkung seiner Worte brachte Dr. Norden die Nierenschale nach draußen. Diese Gelegenheit nutzte Manfred.
»Du darfst dein Leben nicht wegwerfen, Eva.«
»Wer wirft sein Leben weg?« Sie deutete auf die Verfügung. »Ich helfe dir bestimmt nicht bei deinem Selbstmord«, zischte sie verächtlich.
»Keine Sorge. Das war mir schon klar.« Manfred zog den rechten Mundwinkel hoch. »Deshalb habe ich auch Dr. Norden als Bevollmächtigten eingesetzt.« Er sah hinüber zur Tür. »Doktor!«
Als hätte er nur darauf gewartet, kehrte Daniel zurück. Manfred drückte ihm das Klemmbrett in die Hand. Der Klinikchef nahm es. Hielt es einen Moment fest. Suchte Evas Blick.
»Ihr Mann hat das Recht, selbst über sein Leben zu bestimmen.« Er nickte ihr zu. »Und jetzt müssen Sie uns leider entschuldigen. Das OP-Team erwartet uns.«
*
»Und du sagst mir sofort Bescheid, sobald du was von der Kommission hörst. In Ordnung?«, fragte Dr. Weigand.
Seit zehn Minuten wollte er auf dem Weg zum Operationssaal sein, wo ihn das Operationsteam um Dr. Norden erwartete. Doch jedes Mal wieder fand er einen Grund, um den Abschied hinauszuzögern.
Sophie saß mit einem Berg Patientenakten am Schreibtisch und blickte noch nicht einmal mehr hoch. Stattdessen warf sie einen Blick auf die Uhr.
»Solltest du nicht längst im OP sein?«, fragte sie und blätterte eine Seite um.
»Wie spät ist es denn?«
»Gleich fünf nach acht.«
»Verdammt!« Matthias verschwand aus der Tür. Im nächsten Atemzug tauchte er wieder auf. »Du sagst mir Bescheid, ja?«
Sophie rollte mit den Augen.
»Wenn du so weitermachst, muss ich demnächst das Geld für uns beide verdienen.«
Ein gedämpftes Klingeln. Sophie griff in die Kitteltasche. Beim Blick auf das Display erstarrte ihre Miene.
»Petzold.«
Matthias kehrte ins Büro zurück. Stellte sich hinter seine Verlobte und spitzte die Ohren.
»Ja … hmmm … in Ordnung … Ja …«, sagte Sophie, wenn das Kauderwelsch am anderen Ende der Leitung verstummte. »Ja … ja, ich habe verstanden. Vielen Dank für Ihren Anruf.« Sie drückte die Taste mit dem roten Hörer.
Ohrenbetäubende Stille.
Matthias durchlöcherte Sophie mit Blicken. Warum sagte sie denn nichts? Und was machte sie für ein Gesicht?
»Und?«, platzte er endlich heraus.
»Bestanden.«
Matthias hätte wetten mögen, dass jeder das Rumpeln hörte, als ein ganzes Gebirge von seinem Herzen ins Tal rauschte. Er nahm Sophies Gesicht in die Hände und strahlte sie an.
»Herzlichen Glückwunsch, Süße.« Er drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. »Ich bin so unglaublich stolz auf dich.«
Bestanden! Es dauerte eine ganze Weile, bis die Bedeutung dieses Wortes endlich auch bei Sophie ankam.
Sie wagte ein Lächeln. »Danke.«
»Ich habe keine Sekunde an dir gezweifelt.«
»Das kannst du jetzt leicht sagen.« Ihr Lächeln wurde breiter.
»Nein. Wirklich. Ich habe es die ganze Zeit gewusst.« Matthias griff unter den Kittel in die Brusttasche seines Hemdes. »Deshalb habe ich das hier für dich machen lassen.«
Sophie fühlte etwas Spitzes in der Hand. Ein Schmuckstück? Etwa die Kette mit dem spektakulären Sternenanhänger, die sie schon so lange im Schaufenster bewunderte?
»Ein Namensschild.« Ihr Lächeln verblasste.
»Toll, nicht!« Matthias nahm es ihr aus der Hand und heftete es an ihre Brusttasche. Trat einen Schritt zurück. »Dr. Sophie Petzold. Fachärztin für Allgemeinchirurgie. Na, wie klingt das?«
»Das klingt, als ob das OP-Team stocksauer auf dich ist.« Das Klingeln aus Matthias‘ Kitteltasche war nicht zu überhören. Genauso wenig wie Dr. Nordens wütende Stimme. Es gab Situationen, da verstand er keinen Spaß. Freundschaft hin oder her. Das bekam Dr. Weigand in diesem Moment wieder einmal zu spüren.
»Ich muss leider los.« Ein letzter Kuss für Sophie, dann waren nur noch seine Schritte zu hören, die sich rasch entfernten und schließlich verstummten.
*
Bewaffnet mit einer Tasse Kaffee in der einen und dem Dienstplan der kommenden Woche in der anderen Hand war Schwester Elena unterwegs zu ihrem Büro.
»Hoppla!« In letzter Sekunde wich sie der Frau aus, die ihr auf ihrer Spur entgegengekommen war.
»Tut mir leid.«
»Ist ja nichts passiert.«
Beide setzten ihren Weg fort. Ein paar Schritte weiter blieb Elena stehen. War das nicht … ? Sie drehte sich um.
»Frau Tuck?«
Tatsächlich.
»Ja.« Eva sah sie fragend an.
»Ich hätte Sie fast nicht erkannt.« Schwester Elena überlegte nur kurz. »Haben Sie einen Moment Zeit?«
»Mehr als mir lieb ist«, lautete die wenig ermutigende Antwort.
Elena winkte sie mit sich. Sie schloss die Tür zu ihrem Büro und bot Eva Tuck einen Platz in der Besucherecke an. Überall zog etwas den Blick an. Die gerahmten Familienfotos an den Wänden. Zwei handgestickte Kissen auf einem schlichten Sofa. Eine Muschelsammlung im Glas – Relikt aus dem vergangenen Sommerurlaub.
»Wenn ich schon so viel Zeit hier verbringe, will ich es wenigstens ein bisschen gemütlich haben«, entschuldigte sich Elena für die bunte Mischung.
»Ich finde das sehr nett. Erinnert mich ein bisschen an zu Hause.«
War das ein Kompliment? Schwester Elena fragte nicht nach. Sie organisierte eine zweite Tasse Kaffee und setzte sich. Es gab Wichtigeres zu besprechen.
»Sie waren bei Ihrem Mann?«
»Ich weiß nicht mehr, wie es weitergehen soll.«
»Aber das letzte Wort ist doch noch nicht gesprochen.«
Eva Tuck hob den Blick. Sie sah die Schwester aus babyblauen Augen an. Elena hätte sich nicht gewundert, wenn sie den Daumen in den Schmollmund gesteckt und daran gelutscht hätte.
»Natürlich ist es schrecklich für Manni, wenn er nicht mehr laufen, den Arm nicht mehr bewegen kann. Aber gerade dann muss man doch zusammenhal …«
»Es ist überhaupt nicht gesagt, dass Ihr Mann einen Schaden zurückbehalten wird«, fiel Elena der verzweifelten Ehefrau ins Wort.
Eva schürzte die Lippen.
»Warum will er mich denn dann verlassen?«
War es richtig, die Wahrheit zu sagen? Um Zeit zu gewinnen,