Döner für zwei. Susann Teoman

Döner für zwei - Susann Teoman


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davon! Dann hätte ich jetzt ein hübsches Startkapital, mit dem ich mich auf mein Studium stürzen könnte, und Baba und Anne würden sich früher oder später schon an den Gedanken gewöhnen, dass ich andere Ziele verfolge als sie.

      Anne sähe mich gerne jung verheiratet, damit ich möglichst früh ein Baby bekomme und sie sich anhören kann, was für eine herrlich junge Großmutter sie doch ist. Das ist auf gar keinen Fall das, was Baba sich für mich erträumt. Er findet, ich solle erst an eine Heirat denken, wenn ich dreißig oder besser noch vierzig bin. Baba traut keinem männlichen Wesen über den Weg und geht noch immer davon aus, dass ich Jungfrau bin. Der Arme, wenn der wüsste!

      Als ich das erste Mal Sex hatte, war ich sechzehn. Ich hatte Hakan in unserem Sommerhaus an der Küste der Ägäis kennengelernt, er sah hinreißend aus und konnte unglaublich gut küssen. Anne belehrte, brüllte und verfolgte mich in diesem Sommer auf Schritt und Tritt. Es war ein Albtraum. Und, schlimmer noch, sie spannte meine drei Cousins mit in ihren Bewachertrip ein.

      Das erste Mal, als Hakan mich küsste, saßen wir auf einem Steg. Es war so romantisch! Zuerst sind wir Hand in Hand am Strand spazieren gegangen, die untergehende Sonne hat das Meer in rot und gelb glühende Lava verwandelt und der Sand unter unseren nackten Füßen war noch warm von der Hitze des Tages. Als die Sonne hinter dem Meer versank, sagte er, ich solle die Augen schließen und mir etwas wünschen. Als ich die Augen wieder öffnete, hatte ich den süßesten kleinen Teddy in der Hand, den ich je gesehen hatte. Die Sterne gingen langsam auf, um sie uns anzusehen, haben wir uns auf den Steg gesetzt, er hatte die Arme um mich gelegt und wir unterhielten uns leise. Als sich seine schönen, herzförmigen Lippen meinen näherten und ich vor lauter Nervosität beinahe einen Herzinfarkt bekam, hörte ich, wie sich Schritte näherten. Schnelles Handeln war gefordert, also habe ich Hakan kurzerhand ins Wasser gestoßen und mich scheinheilig herumgedreht. »Oh, was für eine nette Überraschung! Wollt ihr euch auch gerne die Sterne ansehen?«, flötete ich engelsgleich. Meine drei Cousins, die man sich besser als blutrünstige Orks vorstellen sollte, denn es sind große, breit schultrige, eifersüchtig über die Unschuld ihrer weiblichen Familienmitglieder wachende Monster, blafften mich wütend an: »Wo ist er?«

      »Ich kann ihn euch ganz unmöglich ausliefern, wisst ihr.« Ich lächelte sanft.

      »Du wirst uns auf der Stelle sagen, wo er ist, dieser Sohn einer Hure!«, kläfften sie.

      Hm. Das ist wohl gemeint, wenn man von kollektiver Dummheit spricht, dachte ich. Die drei hatten sich anscheinend zu viele Rambofilme angesehen. Ich beschloss, meinen Kindern das Fernsehen bis zu einem bestimmten Alter zu verbieten.

      »Nun gut, er ist hier.« Mit gespieltem Bedauern hielt ich ihnen den Teddybären entgegen, den Hakan mir eben geschenkt hatte.

      »Du willst uns wohl verscheißern!«, kläffte der Kleinste unter ihnen.

      Ich habe mein sonnigstes Lächeln aufgesetzt und gar nichts mehr gesagt, während Hakan unter dem Steg unserem Gespräch gelauscht hatte. Die drei verdrückten sich bald, als sie merkten, dass er nicht in der Nähe war.

      Als Hakan wieder zu mir hochkletterte, fragte er: »Was sollen wir jetzt tun?«

      Wir verabredeten uns für den nächsten Abend. Meine Cousins verfolgten mich, wie immer. Ich traf mich ganz offen mit Hakan, der sich, wie ich, in einer Gruppe Gleichaltriger befand. Wir wollten alle gemeinsam zu einem Beach-Club, der nicht weit von unserem Domizil gelegen war, und er und ich waren besonders vergnügt.

      Ich kannte die Mädels und Jungen nicht besonders gut, mit denen wir heute unterwegs waren, aber Hakan kannte sie alle und er war so eine Art Held unter ihnen. Ich war stolz darauf, mit einem so beliebten Typen zusammen zu sein.

      Es hätte ein toller Abend werden können, wir saßen gemütlich am Strand an einem Lagerfeuer und Hakan spielte Gitarre und sang, als uns ein störender Lärm auffiel.

      Neben uns hatten sich drei suspekte Gestalten in gestreiften Pyjamahosen und Feinrippunterhemden niedergelassen. Sie hatten Bierflaschen und einen WegwerfGrill dabei.

      »Was für widerliche Typen!«, dachte ich.

      »Hallo, Aleyna!«, rief einer der Kerle. »Wir sind ihre Cousins«, röhrte der andere rüpelhaft und rülpste laut. Alle starrten mich an, manche voller Mitleid, andere angeekelt und wieder andere belustigt. Auf jeden Fall war mir diese Situation echt peinlich. Hakan ließ sich aber von dem Theater nicht beirren, sondern spielte geduldig weiter.

      Am nächsten Abend erzählte ich meiner Mutter am Frühstückstisch, dass wir wieder an den Strand gehen würden, weil »irgendso ein Typ« Gitarre spielen würde. Anne warf meinen drei Leibwächtern einen vielsagenden Blick zu und lächelte mir aufmunternd zu.

      Wie am Tag zuvor machten wir uns abends wieder als Gruppe auf den Weg. Nur, dass wir Mädels an diesem Abend alle dasselbe Outfit trugen, weiße T-Shirts und Jeans, genau wie die Jungen. Als ich dann mit drei oder vier weiteren Mädchen auf die Toilette ging, fiel es gar nicht auf, dass ich nicht wieder herauskam, sondern zum Haus meiner Tante Selin lief, das unmittelbar am Strand gelegen war. Selin, die jüngste Schwester meiner Mutter, reist mit ihrem Mann, der Fotograf ist, viel durch die Weltgeschichte und kommt nur selten in die Türkei. Das Haus hat ihr ihr Mann zu ihrem vierzigsten Geburtstag geschenkt, damit sie eine Residenz in der Nähe ihrer älteren Schwestern hat.

      Ich kletterte über Tante Selins Zaun und presste mich flach auf den Boden. Dann wartete ich. Nach einer Weile hörte ich leise Schritte. Ich beobachtete, wie Hakan über den Zaun kletterte und nach mir Ausschau hielt.

      Wir küssten uns. Ich kam mir vor wie ein Verdurstender in der Wüste. Seine Küsse waren so verführerisch und so verlockend, dass ich mich bald schon halb nackt auf der Terrasse des verwaisten Hauses fand.

      »Und nun?«, flüsterte ich atemlos.

      Aber ich kannte die Antwort. Genau wie er. Es hätte die perfekteste, schönste Erfahrung meines Lebens werden können, wenn ich Hakan, den ich für die Liebe meines Lebens gehalten hatte, nicht am nächsten Abend mit einer langhaarigen Brünetten auf frischer Tat in seinem Auto ertappt hätte.

      Seitdem habe ich genug von der Liebe und von Männern sowieso. Im Grunde sind sie alle gleich, eine ist ihnen einfach nicht genug, sie müssen immer gleich mehrere Frauen haben.

      Diese Erfahrung hat mich nur darin bestärkt, dass ich Juristin und Frauenrechtlerin werden will. Männer interessieren mich nicht. Ich will Anwältin werden, sonst nichts. Nur wie komme ich innerhalb eines Jahres an so viel Geld?

      »Heeeeey, pass doch auf!«, schreit eine Stimme.

      Zu spät. Ich ramme ein Fahrrad. Ein silbernes Rennrad mir verchromten Speichen.

      Knapp bei Kasse

      »Du hättest mir beinahe das Genick gebrochen!«

      Na ja, so ganz unrecht hat er nicht. Nur kann ich jetzt gerade nichts dazu sagen. Ich bin nämlich noch immer fasziniert von Lukasʼ tollem Gesicht. Mir fällt auf, dass die Iris rund um seine Pupillen so hellblau ist, dass sie beinahe türkis wirkt, und dass seine Augen ganz außen tiefblau sind. Seine Wimpern sind eigentlich dunkelbraun, an den Spitzen aber sind sie sehr hell, beinahe blond. Im ersten Moment bin ich starr vor Staunen. Und dann bin ich schlagartig wütend. Vor allem auf mich selbst, weil ich kurz davor stehe, schon wieder auf einen Blender wie Hakan hereinzufallen.

      »Du bist viel zu schnell um die Ecke gekommen und hattest ja nicht einmal ein Licht an, wie hätte ich dich denn da sehen sollen?«, motze ich zurück.

      »Oh. Tut mir leid. Das habe ich wohl vergessen. Ich war ziemlich in Eile, weißt du. Ist alles okay mit dir?«

      »Ja, schon gut.« Ich winke ab, obwohl mir vor Schreck noch immer die Beine zittern.

      »Bist du ganz sicher?«, hakt er noch einmal nach.

      »Ja ja, alles ist in Ordnung. Fahr ruhig weiter.«

      »Steh erst einmal auf. Ich muss mich selbst davon überzeugen, dass es dir auch gut geht.« Er reicht mir seine Hand, die sich stark um meine schließt, und mit einem Ruck stehe ich wieder


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