Italienische Erzählungen. Isolde Kurz

Italienische Erzählungen - Isolde Kurz


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Mutter, das sie immer am Finger trug. Jetzt wollte er ihr einen schönen Ring mit wertvollem Juwel oder besser noch ein goldenes Armband, mit kleinen Brillanten besät, wie er es jüngst an der Pomona gesehen hatte, kaufen. Vom Wert eines solchen Gegenstandes hatte er keine Ahnung, sondern war überzeugt, daß ihm immer noch Geld genug übrigbleiben werde, um sich und ihr einen ganz köstlichen, ausgesuchten Tag zu bereiten, so einen Tag, der ein Gedächtnistag im Leben wird und auf Jahre hinaus seinen Sonnenschein festhält.

      Vorsichtig zählte er sein Geld noch einmal ab und ließ die Goldmünzen langsam, Stück für Stück in seine Hosentasche gleiten, nachdem er zuvor mit dem Finger in jede Ecke gebohrt und sich überzeugt hatte, daß die Naht fest war.

      Wenn nur die Juweliersläden noch offen sind — er muß jetzt eilen, denn es fängt schon zu dunkeln an.

      Aber die beiden Droschkenkutscher, die in der Nähe stationierten, waren eben im Zank begriffen und beachteten sein Winken nicht. Da fuhr gerade der Omnibus in dieser Richtung ab, und einem Zug der Gewohnheit folgend — Paul Andersen versicherte später unzählige Male, es sei nicht Sparsamkeit, sondern lediglich Gewohnheit gewesen — sprang er in den Omnibus. Es war ein Sommerwagen mit Stehplätzen, Andersen fand es zu heiß im Innern und lehnte sich zufrieden mit zusammengelegten Armen an die Rampe.

      Es dunkelte stärker, und in dem Zwielicht, das alle Gegenstände in seine gleichfarbige Uniform kleidete, überkam ihn ein seliges, weltentrücktes Träumen.

      Da erklang es unter ihm durch das schwere Rasseln des Wagens hindurch wie ein kleines feines Glöcklein — tin — tin — tin. Paul Andersen horchte, denn er war äußerst feinhörig, da klang es noch einmal auf dem Pflaster, lauter und deutlicher — tin — tin — tin. Es ging so süß in sein Träumen über, und er lächelte, als höre er die Stimmen seliger Geister. Halb unbewußt sagte er vor sich hin:

      „Das sind die Kleinen

      Von den Meinen —“

      und dem Verse folgend, stellte er sich vor, daß diese Stimmen ihn zur freien Lebens- und Tatenlust aufriefen. Er konnte ja eigentlich ebensogut die kurze Lebensreise zu einer fröhlichen Spazierfahrt machen wie Karl Neubrunn, statt zu einer sauren, beschwerlichen Fußwanderung. Er brauchte nur ein wenig Leichtsinn zu lernen und nicht so viel nach dem kommenden Tag zu fragen. So gar schlecht war auch seine Lage nicht, es kam nur auf die Auffassung an, und wenn Lydia dächte wie er, so brauchten sie nicht länger jedes einsam seiner Wege zu gehen. Tin — tin — tin! Da klingelt es schon wieder.

      „Klingle nur, Glöcklein, so klingelt das Glück,

      Goldene Löcklein —“

      O Wunder, nun fing er gar zu reimen an, doch kam er nicht weiter, denn abermals klang die Glocke, aber diesmal laut, fast kriegerisch. — Ja so, sie waren jetzt in der Nähe des San Giorgio, da türmte sich der herrliche Koloß Or San Michele gerade hinan in das noch heitere Blau des Himmels. Erst gestern hatte noch Karl Neubrunn über die Kleinlichkeit des Munizipiums gewettert, daß es den schönen jungen Kriegsmann aus der Nische, für die er geschaffen war, entfernt und eine elende Kopie an seine Stelle gesetzt hatte, um ihn zu schonen, wie sie sagten, als ob ein Kunstwerk ewig währen müsse, als ob man von den kommenden Jahrhunderten nicht erwarten könnte, daß sie neue Werke schaffen! — und Paul Andersen hatte ihm recht gegeben, obwohl ein heimlicher Punkt ganz tief in seinem Innern mit dem vorsichtigen Munizipium sympathisierte, denn jede Art von Verschwendung ging ihm nun ein für allemal gegen die Natur.

      Horch, das Glöcklein! Diesmal klang es wieder so rein und golden wie eine Mozartsche Melodie. Paul Andersen liebte den Mozart über alles und hatte selbst in jüngeren Jahren Mozartsche Sonaten auf der Violine gespielt. Er wollte auch seine Violine wieder hervorholen, es sollte jetzt alles anders werden, denn es war doch unverzeihlich, daß er im Ringen um das nackte Dasein so lange all seinen Schmuck und höheren Gehalt vernachlässigt hatte.

      Soeben rasselte der Omnibus an den Juweliersläden der Via Cerretani vorüber, und die ausgestellten Goldwaren flimmerten im Lampenlicht. Paul Andersen wollte aussteigen, aber ein seltsamer Bann hielt ihn fest, eine Regung, das Geld noch etwas länger zu behalten, die schönen goldenen Wesen noch nicht so schnell voneinander zu trennen, Lydia sollte sie noch alle beisammen sehen, den Ring konnte er auch morgen kaufen, es war ja ohnehin schon so spät, wie leicht hätte er da bei der Wahl hintergangen werden können.

      Abermals versank er in Träumereien, aus denen ihn der Glockenton aufstörte. Aber diesmal läutete es Sturm. Glücklicher Paul Andersen! Das Leben selber läutet mit allen seinen Glocken, mit goldenen Glockenzungen ruft es ihm: Komm! Eine Begeisterung erfaßt ihn, er springt aus dem Omnibus und rennt eine ganze Straßenlänge voran. An der Ecke biegt er links ein, er ist schon vor der Stadt, er braucht nur noch das Stück Wiese zu durchqueren, so hat er den Fuß des Hügels erreicht, an den sich die Esselinsche Villa lehnt. So spät am Abend hat er freilich seine Verlobte noch nie besucht, aber heute wirft er einmal alle kleinlichen Rücksichten über den Haufen.

      Sobald er die Klingel gezogen hatte, fuhr er in die Tasche, weil er gleich Lydias Hände mit dem Gold füllen und ihr die beste Verwendung desselben anheimstellen wollte. Sein Herz stand vor Schreck stille, das Geld war fort. Er durchsuchte die Tasche und zog sie heraus, er wußte ja, daß sie kein Loch hatte, wie sollte denn das Geld hindurchgefallen sein? Aber bei schärferem Hinsehen entdeckte er eine blöde Stelle, die in der Diagonale durchgewetzt war, und da hatten sie sich hinausgeschoben, die kleinen scharfkantigen Fünfer voran — Paul erinnerte sich wohl des ersten feinen Glockenstimmchens — dann die größeren Zehner und ihnen nach die starken Zwanziger mit dem Sturmgeläut ihrer Goldglocken. Er hatte sie ja alle gehört, wie sie Abschied von ihm nahmen, nur in seinem Taumel war ihm nicht klar geworden, woher der Klang kam.

      Ungesäumt rannte er zurück bis zu der Stelle, wo er den Omnibus verlassen hatte. Dort hatte es zum letztenmal und am stärksten geklingelt, aber der Weg war wie abgeleckt, denn jetzt waren schon die abendlichen Fegegeister am Werk, die mit den Laternen am kurzen Stock kreuz und quer über die Straße rennen und jeden weggeworfenen Zigarrenstummel, der noch ihrer Beachtung wert scheint, vom Pflaster auflesen. Mit sinkender Hoffnung legte Paul Andersen langsam Schritt für Schritt den ganzen Weg zurück, den er vor kurzem in wachen Glücksträumen durchmessen hatte, er hielt sich an all den Stellen auf, wo das goldene Glöcklein geklingelt hatte, aber umsonst, seine schönen funkelnden Goldstücke waren wie vom Erdboden verschlungen, er fand ihrer keines wieder.

      Hätte er nur wenigstens den Ring schon gekauft, zum dauernden Zeugnis, daß der goldene Traum einmal Wirklichkeit gewesen war! Verflucht die Kutscher, die sich eben streiten mußten, als er in die Droschke steigen wollte! Verflucht der Zug der Gewohnheit — nicht der Sparsamkeit —, der ihn in den Omnibus getrieben hatte! Im Wagen wäre sein Gold wenigstens nicht auf den Boden gerollt, er hätte es vielleicht zwischen den Polstern wieder gefunden. Verflucht vor allem sein Mißgeschick, das ihm nicht eine glückliche Stunde gönnte!

      Finster grollend trat er den Heimweg an, und in geringer Entfernung von seinem Hause stieß er auf Neubrunn, der eben nach einer Weinhandlung ging, um Champagner zu bestellen.

      „Ich bin mit Pomona ausgesöhnt“, erzählte ihm dieser, „sie hat klein beigegeben — das war ihr Glück. — Was willst du — wenn man sich schon so lange kennt! — Wir sind jetzt wieder gute Freunde. Zur Feier der Versöhnung gibt sie heute abend ein Essen und ich spende den Champagner, du wirst selbstverständlich auch erwartet. Ja, was ist dir denn? Du bist ja fahl wie Kreide?“

      Paul wollte ihm im Weitergehen von seinem Mißgeschick erzählen, aber Neubrunn blieb stehen und lachte unbändig. Das war ja ein köstliches Abenteuer, das durch seinen Humor den Verlust des Geldes reichlich aufwog. Die singenden Goldvögel bereiteten ihm ein unaussprechliches Vergnügen, und er nannte Paul Andersen den guten Genius der Gassenjugend, das Horn des Überflusses, den goldenen Regen. Aber plötzlich rief er: „Teufel, das hab ich ganz vergessen! Oben ist deine Braut und wartet auf dich.“

      Andersen erschrak heftig, er ahnte sogleich ein Unheil, denn nie noch hatte das Mädchen im Lauf von zehn Jahren seine Junggesellenwohnung betreten; höchstens daß sie ihn bei außergewöhnlichen Anlässen unten im Salon der Hausfrau erwartete.

      „Was


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