Der Sport-Doc. Prof. Dr. Reinhard Weinstabl

Der Sport-Doc - Prof. Dr. Reinhard Weinstabl


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Schlagzeilen.

      All das hinderte mich nicht, der Bitte und dem Angebot von „Dr. Schulter“ von der Flugambulanz nachzukommen, ihn bei einer heiklen Mission nach Kerman, rund 1.000 Kilometer südöstlich von Teheran gelegen, zu begleiten. Wir sollten uns dort – so lautete der Hilferuf aus dem Kriegsgebiet – eines schwer verwundeten Mitarbeiters der Firma Elin annehmen. Also ging es im Learjet der Flugambulanz via Istanbul nach Kerman.

      Ein junger Bursch, der für heftigen Wind sorgen wollte in einer Umgebung der völligen Windstille – nein, das ging gar nicht.

      Eine Reise, die sich tief in mir eingebrannt hat. Und die mir auch eine völlig neue Dimension in der Welt der Mediziner offenbart hat. In Kerman gelandet, waren wir schnell mit der widerlich-brutalen und menschenverachtenden Form dieses Krieges konfrontiert. Hingerichtete hingen noch an Stricken von den Brücken. Überall Männer mit Waffen. Ein Heer an Maschinenpistolen.

      Wie konnten Ärzte, Schwestern und Helfer unter diesen Konditionen arbeiten und Menschenleben retten? Wir wollten es dennoch versuchen und wurden, von bewaffneten Einheiten begleitet, ins Krankenhaus gebracht. Persische Ärzte waren dort längst keine mehr anzutreffen. Nur mehr Pakistani und Kollegen aus Indien versuchten, die Stellung im Dienst der Menschen in Kerman zu halten.

      Wir wurden zum vermeintlich verwundeten Elin-Mitarbeiter gebracht und sofort erkannten wir, dass der Mann längst Totenflecken aufwies. Er war offenbar in den Stromkreis geraten, innerlich verbrannt und nach unserer Diagnose seit längerer Zeit tot. Den Beteuerungen der Ärzte vor Ort, der Mann hätte vor wenigen Augenblicken noch gelebt, konnten wir wahrlich keinen Glauben schenken. Unverrichteter Dinge mussten wir nach wenigen Stunden wieder abreisen. Um ein paar weitere Stunden später selbst nur mit Glück zu überleben. Bei unserem Learjet setzte unmittelbar nach dem Aufsetzen in Wien-Schwechat einseitig die Schubumkehr ein. Zum Glück reagierte unser Pilot geistesgegenwärtig, schaltete die Schubumkehr aus und rettete uns dermaßen wahrscheinlich das Leben.

      Die österreichische Flugambulanz hatte noch einen weiteren Einsatz für mich parat, den so mancher an meiner Stelle wohl eher versucht hätte zu vermeiden. 14 Tage Aushilfe in Gambia in Westafrika, einem zu 90% muslimischen Land, sollten auf mich warten. Gemeinsam mit meiner überaus hübschen Kollegin Uschi Scholz, Ex-Freundin von Film-Regisseur Roman Polanski, flog ich also nach Gambia, wo sich der Bedarf an medizinischen Hilfestellungen in erster Linie auf Behandlungen gegen die Geschlechtskrankheit Tripper konzentrieren sollte.

      Weit aufregender war da schon ein Erlebnis, das auch unter die Rubrik entbehrlich einzustufen ist. Eines gemütlichen Abends gingen wir leger am (offenkundig) menschenleeren Strand spazieren. Der Plan, die Gunst der Stunde, absolut unbeobachtet zu sein, zu nutzen, veranlasste uns, ein Nackt-Bad im Meer zu nehmen, was in mehrerlei Hinsicht zu erheblichem Erregungspotential führen sollte. Zum einen bei davor von uns nicht bemerkten Buscharbeitern und zum anderen auch beim Head of Security unseres Resorts, der fuchsteufelswild war, uns grässlich niedermachte und von einer Auslieferung an die Polizei nur aus einem einzigen Grund Abstand nahm: „Because you are the doctors.“

      Nacktbaden in einem muslimischen Land – man hatte fürwahr schon bessere Einfälle, wobei man zum Thema gelebter Doppelmoral auch einiges anmerken könnte angesichts der Tatsache, dass in Gambia der Sex-Tourismus Hochkonjunktur hat(te) und deutsche, belgische und niederländische Damen quasi Schlange standen bei den gut gebauten Jungs aus Afrika.

      Weit weniger Erregungspotential hatte das Jahr 1984 für mich parat. Ich lernte und lernte, arbeitete und arbeitete, profitierte vor allem durch Primarius Wolfgang Scharf und entwickelte immer mehr eine Art inneren Antrieb, der sich dadurch äußerte, dass ich mit ständig steigender Euphorie und noch größerem Einsatz meinem Job als Jung-Arzt nachgehen wollte.

      Ich begann in vergleichsweise jungem Alter viel zu publizieren, eignete mir jede Menge basiswissenschaftlichen Wissens im Bereich der Biomechanik an.

      Urlaube? Fehlanzeige. Ich wollte nicht Urlaub machen, ich wollte arbeiten. Und begab mich derart in Permanenz-Dienst. Auf 21 Nachtdienste in fünf Wochen hatte ich es einmal gebracht. Kein Mensch fragte mich nach Arbeits- und Ruhezeiten, kein Betriebsrat schlug Alarm, keine Gewerkschaft murrte. Wäre mir sicher auch egal gewesen.

      Als nächster Meilenstein in meinem immerwährenden Bestreben, besser zu werden und nach oben zu kommen, ist mir das Jahr 1987 in Erinnerung. Da flatterte uns eines Tages eine Einladung zum „Weltkongress der Knie-Chirurgen in Sydney“ ins Haus. Dort dabei sein wollten alle. US-Amerikaner, Australier, Deutsche, Starärzte aus Frankreich, schlichtweg aus aller Welt. Auch aus Österreich wurden jede Menge Arbeiten eingereicht. Und durchwegs abgelehnt. Mit einer einzigen Ausnahme:

      „The extensor apparatus of the knee joint and its peripheral vasti – anatomic investigation and clinical relevance.“ Eingereicht von Dr. Reinhard Weinstabl aus Wien, wie man auch anno 2020 noch googeln kann. Nein, also das ging gar nicht. Da werden sämtliche Arbeiten namhafter und namhaftester Ober- und Starärzte aus ganz Österreich abgelehnt und dann soll ausgerechnet der junge Reinhard Weinstabl, der sich erst im dritten Ausbildungsjahr befand, Wien, Österreich und uns alle bei einem Weltkongress in Sydney vertreten?

      Nein, das geht nicht – weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Also wurde – welcome back im Haifischbecken eitler und in ihrer Ehre gekränkter Top-Mediziner – rasch eine Besprechung der Oberärzte einberufen, wo so mancher Spitzenmediziner tief und tiefer griff, um zu verhindern, dass ausgerechnet so ein Jungspund im dritten Ausbildungsjahr dort hinfliegen darf.

      Und tatsächlich befand auch Chefarzt Dr. Emanuel Trojan, dass ich noch zu jung wäre, um allein zu diesem Kongress nach Sydney zu fliegen. Und schon saß ich neben Dr. Trojan, der sich de facto als Begleitperson selbst nominierte, im Flugzeug nach Sydney. Der Weltkongress hielt, was er versprach. Dr. Trojan stellte mich sämtlichen Großen der Szene vor und plötzlich war der noch vergleichsweise junge Reinhard Weinstabl in der Situation, den Großen und Größten unter den Knie-Spezialisten dieser Welt seine Sichtweise und seine Expertise erklären zu können und zu dürfen.

      Sogar der legendäre US-Arzt Dr. Doug Johnson lud mich auf ein Gespräch ein und holte sich meinen Rat. Diese wissenschaftliche Arbeit für und von Sydney sollte später auch die Grundlage für meine Habilitation darstellen. Und: Nie im Leben hätte ich 1987 in Sydney auch nur im Traum daran gedacht, dass ebendieses Wissen aus dieser Arbeit zehn Jahre später auch die Basis für eine wegweisende und die wahrscheinlich wichtigste Operation in meiner Ärzte-Laufbahn werden sollte. Eine Operation, die 1997 meinem Leben erneut eine völlig neue Wendung geben sollte. Dazu aber später mehr.

      Auf 21 Nachtdienste in fünf Wochen hatte ich es einmal gebracht.

      1987 – ich war glücklicher Jungarzt und hatte das Gefühl, dass mein Leben in jene Richtung gehen würde, von der ich einst als 15-Jähriger auf meinem Weg zum Graphologen geträumt hatte. Ich war kein Autorennfahrer und auch kein Schauspieler. Aber ich war ein vielversprechender junger Chirurg. Und, ich war nach dem Kongress in Sydney müde und erstmals so richtig urlaubsreif.

      Vor dem ersehnten Urlaub ging es aber noch ins australische Cairns, das zu dieser Zeit mit rund 3.000 Einwohnern noch nicht wirklich zur Metropole gereift war. Ein Arzt-Kollege hatte dort zu einem Follow-Up-Symposium geladen und in sein Refugium eingeladen. Nun ja – Unfallchirurg in einem kleinen Städtchen wie Cairns? Das klang für mich zunächst nicht wirklich verlockend und gewinnträchtig.

      Egal: Rein ins Taxi, endlos lange Straßen und vorbei an traumhaften Hügel-Landschaften mit großartiger Tier- und Pflanzenwelt. Mittendrin: Ein typisches australisches Haus, ein beeindruckender Fuhrpark und ein gigantischer Ausblick von der Terrasse Richtung Meer. Ich fragte meinen Gastgeber: „Haben Sie nicht Angst, dass sich im Laufe der Jahre einige hier vor ihrem Haus einkaufen und Ihnen diese wundervolle Aussicht durch ihre Häuser verstellen?“ Seine Antwort: „Nein, diese Angst habe ich nicht, das ganze Land hier gehört mir. Bis zum Meer dort vorne.“

      Auch ein kleines Flugzeug und eine Yacht nannte er sein Eigentum, der Kollege aus der vermeintlich nicht nach Geld riechenden Region. Ich hatte damals einen Stundenlohn von 27 Schilling und dachte mir nur: „Irgendwas mache ich da falsch.“ Egal, ich war eben in Urlaubsstimmung und ergo dessen war (fast) alles in bester Ordnung.

      Thailand


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