Zero Bone Loss: Knochenerhaltende Behandlungskonzepte. Tomas Linkevičius
Knochen zu Beginn der prothetischen Belastung weniger dicht ist und empfindlicher auf Belastungen reagiert, sodass eine Überlastung und damit eine Knochenresorption verursacht werden. Während des ersten Jahres mit funktioneller Belastung reift der Knochen jedoch und wird dichter. Daher sind die Okklusalkräfte, die zum initialen krestalen Knochenverlust geführt haben, nicht mehr stark genug, um eine weitere Knochenresorption auszulösen. Trotz der ständigen Innovation und Entwicklung neuer effektiver Techniken und Materialien sieht sich der Zahnarzt aber auch heute noch mit dem Problem des Knochenverlusts konfrontiert.
Der Autor ist davon überzeugt, dass die herkömmlichen Standards der dentalen Implantologie, nach denen ein Knochenverlust von 1 mm als normal gilt, nicht mehr zutreffend sind. Tatsächlich gibt es verschiedene Reaktionen des Knochens auf Implantate, wie (Abb. 1-3):
kein Knochenverlust;
stabiles Remodeling;
progredienter Knochenverlust;
Entmineralisierung und Remineralisierung des Knochens;
Kortikalisierung;
Knochenwachstum.
Abb. 1-3 Verschiedene Reaktionen des krestalen Knochens auf dentale Implantate. (a) Kein Knochenverlust. (b) Stabiles Remodeling. (c) Progredienter Knochenverlust. (d) Knochenwachstum.
Kein Knochenverlust
Kein Knochenverlust (Zero Bone Loss) oder krestale Knochenstabilität sind dadurch gekennzeichnet, dass der Knochen – unabhängig von der Ursache – nicht zurückgegangen ist oder resorbiert wurde. Der Autor hat sich dafür entschieden, dies als Zero Bone Loss anstatt von No Bone Loss zu bezeichnen, um dem Zahnarzt das anzustrebende Ziel klar vor Augen zu führen.
Stabiles Remodeling
Als stabiles Remodeling wird ein gewisser Knochenverlust bezeichnet, der nach einiger Zeit zum Stillstand kommt und von biologischen oder mechanischen Faktoren ausgelöst wird. Die betroffenen Implantate sind in der Regel stabil und der Knochenverlust gefährdet die Implantatfunktion nicht (Abb. 1-4). Trotzdem wäre es besser, ein geringeres Knochenniveau zu vermeiden, zumal der stabile Knochenverlust für einige Zeit bestehen kann, sodass eine anaerobe Umgebung entsteht, die schwer zu behandeln ist. Falls ein Patient plötzlich eine parodontale Infektion hat oder die Oralhygiene nicht mehr gut durchführen kann, neigt ein Implantat mit stabilem Remodeling später eher zu einer weiteren Knochenresorption als ein Implantat ganz ohne Knochenverlust. Der Knochen an Implantaten mit stabilem Remodeling hat damit in der Zukunft eher das Risiko einer unerwarteten Resorption. Da sich diese Resorption ohne eine Intervention nicht aufhalten lässt, gefährdet sie das Behandlungsergebnis insgesamt. Wird ein Behandlungskonzept ohne Knochenverlust gewählt, ist die Wahrscheinlichkeit einer Periimplantitis am geringsten.
Abb. 1-4 Beispiele für stabiles krestales Knochenremodeling. (a) Knochenniveau vor der Entwicklung der biologischen Breite. (b) Stabile Knochenposition mit Exposition des Implantathalses ohne Gefährdung des Implantatüberlebens. (c) In diesem Fall hatte das stabile Knochenremodeling keine Folgen für die Ästhetik.
Progredienter Knochenverlust
Wenn aus einem stabilen Knochenremodeling ein kontinuierlicher Knochenverlust wird, spricht man von einem progredienten Knochenverlust, einer Veränderung des krestalen Knochens, die das funktionelle und ästhetische Behandlungsergebnis gefährdet. Es ist jedoch nicht vorhersagbar, ob das Remodeling zum Stillstand kommt oder fortschreitet. Sofern der Knochenverlust nicht aufgehalten wird, können weitreichende Probleme auftreten, wie eine Periimplantitis oder sogar ein Implantatverlust (Abb. 1-5).
Abb. 1-5 (a) Knochenniveau nach Implantation. (b) Knochenposition unmittelbar nach dem Einsetzen der Versorgung. (c) Nach einem Jahr ist die Hälfte des Implantats nicht mehr von Knochen bedeckt. (d) Da sich im Knochen ein Krater gebildet hat, muss das Implantat entfernt werden.
Entmineralisierung und Remineralisierung des Knochens
Krestaler Knochen verhält sich in den verschiedenen Stadien von Heilung und Entwicklung unterschiedlich. In manchen Situationen kann es zu einer Remineralisierung oder Entmineralisierung von Knochen kommen (Abb. 1-6). Die Mineralisierung von Knochen kann über die Zeit zu- oder abnehmen, wenn Mineralstoffe in die organische Knochenmatrix einwandern oder sie verlassen. Der genaue Grund dafür ist unbekannt. Daher beruht der krestale Knochenverlust nicht immer auf einer Resorption von Knochengewebe; manchmal manifestiert sich eine entmineralisierte organische Matrix als Knochenverlust. Zum Nachweis des Knochenverlusts werden zweidimensionale Röntgenaufnahmen angefertigt, auf denen der entmineralisierte Knochen als Knochenresorption zu erkennen ist. Okklusionstraumen im Bereich der Zähne mit Verbreiterung des Parodontalligaments ähneln im Röntgen oft einem Knochenverlust am Alveolarkamm. Sobald das Trauma eliminiert wurde, normalisiert sich der Raum des Parodontalligaments jedoch wieder.
Abb. 1-6 Remineralisierung des krestalen Knochens an Implantaten (V3, Fa. MIS Implants Technologies). (a) Am Tag der Implantation. (b und c) Nach einem Jahr.
Dies lässt sich mit der Remineralisierung des alveolären Knochens am Zahn vergleichen. Rosling et al.5 zeigten, dass die Knochenregeneration bei Patienten mit konstant optimaler Mundhygiene in den Taschen unter dem Knochen stattfindet. Sobald Infektionen und Reizungen entfernt werden, remineralisiert die organische Knochenmatrix. Dies kann auch an Im-plantaten ohne Platform-Switching geschehen. Klinische Beobachtungen legen nahe, dass nach Abschluss der prothetischen Phase und in reizfreien Geweben eine Umgebung geschaffen wird, die für die Remineralisierung von Knochen günstig ist6.
Kortikalisierung
Bei der Kortikalisierung verdichtet oder mineralisiert sich die Kortikalisplatte des Alveolarknochens. Auf den Röntgenaufnahmen in Abbildung 1-7 ist zu erkennen, dass die Kortikalisplatte im Lauf der Zeit unter Belastung immer weißer und höher wird. Der Grund dafür ist nicht genau bekannt, eine mögliche Erklärung liefert das Modell von Frost (Mechanostat), wonach eine leichte Überlastung des Knochens dessen Masse erhöht. Dieser Prozess ähnelt dem vertikalen Knochenwachstum, manifestiert sich aber mit einer Vergrößerung und Verstärkung der kortikalen Mineralisationszonen. Sie findet auch statt, wenn die Kortikalis des Alveolarkamms entfernt und ein Implantat nur in Spongiosa gesetzt wurde. Die Integration des Implantats wird durch diesen Prozess nicht gefährdet. Manche stufen ihn sogar als günstig ein, weil die Spongiosa stärker durchblutet ist. Aufgrund der Mineralisierung der äußeren Spongiosaschicht kommt es zur angestrebten Kortikalisierung.
Abb. 1-7 Radiologische Darstellung