Ellingham Academy - Die Botschaft an der Wand. Maureen Johnson

Ellingham Academy - Die Botschaft an der Wand - Maureen  Johnson


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und ihre Tinte Gewehrkugeln.

      All diese Details wanderten in Francis’ Tagebuch: mögliche Fahrtrouten, Sprengstoffanleitungen und jede Menge Tricks aus ihren Kriminalmagazinen.

      Auch an diesem Nachmittag im April waren Francis und Eddie wieder einmal in der Grotte gewesen. Eddie hatte einen Ring aus Kerzen aufgestellt und ein Pentagramm in die Erde gekratzt. Solche Sachen machte er oft – er liebte heidnische Symbole. Francis fand dieses Getue affig; schließlich war das hier ein Geheimversteck und kein unterirdischer Tempel. Aber wenn sie selbst ihren Spaß wollte, musste sie Eddie auch seinen lassen, also sagte sie nichts.

      »Heute«, verkündete sie, während sie ihre Tasche mit den Utensilien abstellte, »spielen wir was.«

      »Mhm, das gefällt mir.« Eddie legte sich in seinem Kerzenkreis auf den Boden und zog sein Hemd ein Stückchen hoch. »Was genau hattest du denn im Sinn?«

      »Das Spiel heißt ›Albert Ellingham erschrecken‹.«

      »Ach so.« Eddie stemmte sich auf die Ellbogen hoch. »Nicht gerade das, worauf ich gehofft hatte, aber ich bin ganz Ohr.«

      »Er hat mich ausgelacht«, erklärte Francis. »Als er mir das Dynamit gezeigt hat. Denkt wohl, ich könnte nicht mit Sprengstoff umgehen, bloß weil ich ein Mädchen bin. Und darum werden wir uns ein bisschen mit ihm vergnügen. Wir stellen ihm ein Rätsel. Die liebt er schließlich. Und zwar so eins wie dieses hier.«

      Francis griff in ihre Tasche und zog einen Stapel Zeitschriften hervor. Ganz oben lag eine Ausgabe von Wahre Detektivfälle und Francis blätterte vor bis zu einer mit einem Eselsohr markierten Seite. Darauf war ein Erpresserbrief aus aufgeklebten Buchstaben zu sehen. Eddie rollte sich auf den Bauch und nahm die Zeilen genauer in Augenschein.

      »Ein Gedicht«, stellte er fest.

      »Eine Warnung in Gedichtform.«

      »Jedes gute Gedicht beinhaltet eine Warnung«, entgegnete er. (Francis widerstand dem Drang, die Augen zu verdrehen.) »Wie fangen wir an? Seht mal, ein Rätsel …«

      Francis schlug ihr Tagebuch auf und schrieb mit. Seht mal, ein Rätsel. Gar nicht schlecht. In solchen Dingen vertraute sie voll und ganz auf Eddies Talent.

      »Wir könnten etwas in der Art von Dorothy Parkers Gedicht Resumé versuchen«, redete Eddie weiter. »Darin listet sie Methoden auf, sich umzubringen. Bei uns wären es dann aber Methoden, jemand anderen umzubringen. Seht mal, ein Rätsel, das erfordert Geschick …«

      »Nehmen wir die Pistole oder lieber den Strick?«, schlug Francis vor.

      Und so ging es munter weiter … Messer sind scharf und glänzen fein … Gift wirkt langsam, das darf nicht sein … Stürze, Löcher im Kopf, Bomben … Und dann die Schlussformel: Mit freundlichen Grüßen, ein Wahrhaftiger Lügner. Das stand für sie beide.

      Jetzt gingen sie zum zweiten Teil des Plans über. Francis breitete die Zeitungen und Magazine auf dem Boden aus, die sie wochenlang gesammelt hatte: Photoplay, Movie News, die Times, das Life-Magazin, der New Yorker – allesamt aus dem Müll gekramt, aus der Bibliothek entwendet oder Gertie stibitzt. Dann holte sie die Nähschere aus der Tasche, die sie an Weihnachten dem Hausmädchen ihrer Mutter gestohlen hatte, und dazu eine Pinzette. Briefpapier und Umschlag hatte sie bei Woolworth gekauft. Ein paar Zeitschriften, eine Schere, Papier und Leim. Alles ganz alltägliche, harmlose Sachen.

      Sie arbeiteten penibel genau, schnitten Buchstaben für Buchstaben aus, tupften Leim darauf und arrangierten sie sorgfältig zu Wörtern. Es kostete sie mehrere Stunden, genau die zu finden, die sie brauchten, und sie im exakt richtigen Winkel aufzukleben. Francis bestand darauf, dass sie dabei Handschuhe trugen. Zwar schien es ihr eher unwahrscheinlich, dass jemand den Brief auf Fingerabdrücke untersuchen würde, aber Vorsicht war besser als Nachsicht.

      Als ihr Werk vollendet war, legten sie es zum Trocknen beiseite und wandten sich einander zu. Der Nervenkitzel ihres Vorhabens hatte sie heiß aufeinander gemacht. Sicherlich gab es an der Ellingham noch andere Pärchen – ein oder zwei –, die bereits miteinander geschlafen hatten, voller Scham und schlechtem Gewissen. Eddie und Francis dagegen kamen ohne Angst, ohne Zögern zusammen. Wenn man plante, gemeinsam auf Verbrechenstour zu gehen, verblasste jegliche Sorge davor, womöglich nackt miteinander erwischt zu werden, und abgesehen davon befand sich ihr Liebesnest unter der Erde, getarnt durch einen Stein. Sicherer ging es kaum.

      Sobald sie sich eine Weile später verschwitzt voneinander lösten, griff Francis nach ihren Kleidern, schüttelte sie aus und zog sich an.

      »Los, wir müssen gehen«, kommandierte sie.

      »Ich will aber nicht.«

      »Steh auf.«

      Eddie stand auf. Widerwillig zwar, aber er gehorchte.

      Francis, die mittlerweile wieder vollständig bekleidet war, packte die Utensilien zurück in ihre Tasche. Dann streifte sie abermals ihre Handschuhe über und faltete den Brief zusammen.

      »Ich habe jemanden, der ihn für uns in die Post gibt«, sagte sie, während sie das Blatt behutsam in den Umschlag schob. »In Burlington, damit der Stempel von dort stammt.«

      »Und wie erfahren wir, ob er ihn bekommen hat?«

      »Ach, das wird man ihm schon anmerken, da bin ich mir sicher. So, ich muss jetzt wirklich zurück. Miss Nelson hat mich sowieso schon auf dem Kieker. Sie traut mir nicht.«

      »Völlig zu Recht.«

      Sie kletterten zurück ans Tageslicht. Francis sah blinzelnd auf die Uhr.

      »Wir sind spät dran«, sagte sie. »Das gibt Ärger. Schnell jetzt.«

      »Einmal noch«, forderte Eddie und umfasste ihre Taille. »Im Stehen am Baum, wie die Tiere.«

      »Eddie …« Die Idee war verlockend, aber schließlich schob Francis ihn von sich. Er knurrte und jagte ihr spielerisch nach. Francis rannte lachend davon, ihre Tasche fest unter den Arm geklemmt. Die Luft war frisch und voller Düfte. Ihr Plan nahm immer mehr Gestalt an. Bald würden sie das alles hier hinter sich lassen und sich in ihr Abenteuer stürzen, nur Eddie und sie. Weit weg von New York, weit weg von der feinen Gesellschaft – auf der Straße Richtung Freiheit, Wildheit, Leidenschaft, garniert mit Küssen und Gewehrfeuer.

      Als sie den belebteren Teil des Schulgeländes erreichten, gesellte sich Eddie zu ein paar seiner Hausgenossen, während Francis auf Minerva zuhielt. Zwar war die Gleichberechtigung hier an der Ellingham schon weiter fortgeschritten als an vielen anderen Orten, dennoch galten für die Mädchen noch immer strengere Regeln als für die Jungen. Sie mussten früher zu Hause sein, um sich auszuruhen, zu lernen und sich für das Abendessen umzuziehen.

      Francis stieß die Tür auf und fand sich prompt Miss Nelson gegenüber, die kerzengerade auf dem Sofa saß, ein dickes Buch auf dem Schoß. Auch Gertie van Coevorden war da. Sie schenkte Francis kurz ihr dümmliches Lächeln und widmete sich dann wieder ihrer Filmzeitschrift, der einzigen Lektüre, auf die sie sich je einzulassen schien. Falls in Gertie van Coevordens Kopf auch nur zwei Gehirnzellen herumschwirrten, wären sie sicherlich erstaunt über die Existenz der jeweils anderen. Was man Gertie dagegen zugestehen musste, war ein untrügliches Gespür dafür, wann jemand anders Ärger bekommen würde, und so war sie stets rechtzeitig vor Ort.

      »Ganz schön spät, meinst du nicht, Francis?«, begrüßte Miss Nelson sie.

      »Tut mir leid, Miss Nelson«, erwiderte Francis in einem Tonfall, der verriet, dass es ihr ganz und gar nicht leidtat. Es war, als fehlten ihr schlicht die körperlichen Voraussetzungen dafür, Reue zu zeigen. »Ich war in der Bibliothek und hab nicht auf die Uhr geguckt.«

      »Dann ist die Bibliothek wohl wesentlich schmutziger, als ich sie in Erinnerung habe. Du hast Laub im Haar.«

      »Ich hab noch ein bisschen draußen gesessen und gelesen«, erklärte Francis und strich sich über den Kopf. »Dann mache ich mich mal fürs Abendessen fertig.«

      Im Vorbeigehen wies sie Gertie mit


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