Ellingham Academy - Die Botschaft an der Wand. Maureen Johnson

Ellingham Academy - Die Botschaft an der Wand - Maureen  Johnson


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hatte keine Ahnung gehabt, wie ihr Empfang im Kunstkollektiv ausfallen würde, aber mit dem hier hätte sie nie im Leben gerechnet.

      »Ich bin Bath. Kurz für Bathsheba. Setz dich, setz dich«, sagte das Mädchen und löste sich von ihr.

      Bath deutete auf die Kissen auf dem Boden. Sie sahen alt und fleckig und verdächtig nach Bettwanzen aus, aber Stevie ließ sich trotzdem darauf nieder. Als sie einmal saß, fiel ihr auf, dass sich vor einer der Wände eine Reihe leerer Weinflaschen mit halb heruntergebrannten Kerzen fast von einem Ende bis zum anderen erstreckte.

      »Von Ellie«, erklärte Bathsheba und hockte sich im Schneidersitz auf den Boden. »Von wem auch sonst? Französischer Wein. Französische Lyrik. Deutsches Theater. Das war mein Mädchen.«

      Und im nächsten Moment brach Bath in Tränen aus. Stevie rutschte unbehaglich auf ihren Kissen hin und her und kramte eine Weile lang ausgiebig in ihrem Rucksack herum.

      »So schön, dass du hier bist«, schniefte Bath, als sie sich ein wenig beruhigt hatte. »Sie mochte dich total, hat ständig von dir erzählt. Du bist die Detektivin.«

      Plötzlich hatte Stevie einen Kloß im Hals. Ellie hatte ihr Interesse an Kriminalistik von Anfang an ernst genommen. Sie hatte so fest an ihren Erfolg als Detektivin geglaubt, dass es regelrecht ansteckend gewesen war und Stevie daraufhin selbst ein bisschen mehr an sich geglaubt hatte. Ellie hatte sie genauso offen und freundschaftlich empfangen wie jetzt Bathsheba. Wenn Stevie genauer darüber nachdachte, konnte es durchaus sein, dass Ellie Bathshebas Look und vielleicht auch ihr Verhalten ein kleines bisschen kopiert hatte.

      »Wie ist Ellie eigentlich bei euch gelandet?«, erkundigte sich Stevie. »Gehört das alles hier nicht zur Uni?«

      »Nicht direkt«, erwiderte Bath, »aber es stimmt schon, dass die meisten von uns da studieren. Der Hausbesitzer ist so eine Art Schirmherr der örtlichen Kunstszene. Das hier soll einfach eine offene Anlaufstelle für Künstler sein. Eine Woche, nachdem Ellie an der Ellingham angefangen hatte, stand sie bei uns vor der Tür. ›Ich mache Kunst. Lasst ihr mich rein?‹, hat sie gefragt. Und das haben wir natürlich getan.«

      »Ich wüsste gerne …« Was für ein Anfängerfehler. Man ging nirgends hin, ohne seine Fragen parat zu haben. Aber auch als Detektivin konnte man nun mal nicht immer im Voraus ahnen, mit wem man reden würde. Dann musst du aber auch reden, ermahnte Stevie sich im Stillen. Fang einfach an, der Rest kommt schon von allein. »… mehr über Ellie. Wie sie so war und …«

      »Sie war echt«, antwortete Bath. »Sie war Dada. Sie war spontan. Sie war lustig.«

      »Hat sie mal was über Hayes gesagt?«, fragte Stevie weiter.

      »Nee.« Bath rieb sich die Augen. »Hayes ist der Junge, der gestorben ist, richtig? So hieß er doch?«

      Stevie nickte.

      »Nein. Sie hat mal erwähnt, dass sie ihn gekannt hatte, aber das war’s auch schon. Und dass sie traurig war.«

      »Hat sie was von einem Projekt erzählt, bei dem sie ihm geholfen hat?«

      »Einem Projekt? Cabaret, oder was? Hey, kennst du eigentlich schon unsere Show?«

      »Nein, ich –«

      Aber Bath hatte sich bereits ihren Laptop geschnappt und ein Video geöffnet.

      »Das hier musst du dir unbedingt angucken«, sagte sie. »Wird dir gefallen. Einer von Ellies besten Auftritten.«

      Anstandshalber sah Stevie sich zehn Minuten unterbelichtetes, verwirrendes Filmmaterial voller schrägem Saxofongedudel, Lyrik, Handständen und Getrommel an. Ellie mischte tatsächlich dabei mit, aber eigentlich war es zu dunkel, um sie richtig auszumachen.

      »Ja«, seufzte Bath, als es zu Ende war. »Ellie. Viel hab ich seit ihrem Tod nicht auf die Reihe gekriegt. Ich geb mir echt Mühe, aber meistens sitze ich einfach nur hier rum. Ich weiß, sie würde wollen, dass ich das Ganze mithilfe von Kunst verarbeite, und das hab ich auch versucht. Mache ich immer noch. Ich will sie nicht enttäuschen.«

      Ich auch nicht, dachte Stevie.

      »Wenn ich nur an sie denke …«, redete Bath stockend weiter, »daran, wie sie gestorben ist … dann hab ich das Gefühl, ich drehe durch.«

      Auch das ging Stevie ähnlich. In einem dunklen Tunnel unter der Erde gefangen zu sein, ohne dass jemand die Hilfeschreie hörte – die Vorstellung war einfach zu grauenhaft. Ellies Panik musste immer schlimmer geworden sein, je weiter sie sich in der Finsternis vorantastete und je klarer ihr wurde, dass es keinen Ausweg gab. Irgendwann musste sie begriffen haben, dass sie da unten sterben würde. Stevie war froh, dass das Lorazepam sich inzwischen in ihrem Blutkreislauf ausgebreitet hatte und das pulsierende, Übelkeit erregende Erstickungsgefühl in Schach hielt, das immer in ihr aufkam, sobald sie sich Ellies Qualen vor Augen rief.

      Ellies Tod war nicht ihre Schuld. Wirklich nicht. Oder? Stevie hatte schließlich keine Ahnung von der Geheimtür in Ellinghams Arbeitszimmer gehabt oder dem Tunnel im Keller. Und hinter ihr verschlossen hatte sie ihn erst recht nicht. Sie hatte lediglich versucht, die Einzelheiten von Hayes’ Tod zu rekonstruieren, und zwar vor Zeugen, an einem Ort, an dem keinerlei Gefahr zu drohen schien.

      Bath nahm ihre Hand, was für Stevie dermaßen unerwartet kam, dass sie beinahe zurückgezuckt wäre.

      »Es tut gut, sich an sie zu erinnern«, sagte Bath.

      »Ja«, stimmte Stevie ihr heiser zu.

      Auf der Suche nach Ablenkung blickte sie sich im Raum um. Was gab es hier zu sehen? Welche Informationen ließen sich daraus ziehen? Farbkleckse, Lichterketten, eine Gitarre, Glitzerpulver, ein Haufen Schmutzwäsche in der Ecke, vor sich hin trocknende Leinwände, jede Menge Weinflaschen …

      Hier hatten so einige Partys stattgefunden. Und David war auch dabei gewesen.

      Natürlich. David hatte Stevie erzählt, dass er manchmal mit Ellie zu ihren Kunstfreunden in Burlington gefahren sei. Das hier waren diese Freunde. Ob sie wussten, wo er jetzt war? Der Gedanke war wie ein Rettungsanker und Stevie stürzte sich darauf.

      »Ich glaube, ein anderer Freund von uns war auch hin und wieder mal hier. David?«

      »Schon lange nicht mehr«, erwiderte Bath. »Früher schon, ja, mit Ellie.«

      »Aber nicht in letzter Zeit?«

      »Nein.« Bath überlegte. »Ist bestimmt schon ein Jahr her.«

      Keine Spur von David also, keine neuen Erkenntnisse über Hayes. Alles, was Stevie erreicht hatte, war, dieses Mädchen zum Weinen zu bringen und spät dran zu sein.

      »Danke, dass du dir Zeit für mich genommen hast.« Stevie stand auf und schüttelte ihr eingeschlafenes Bein aus. »Hat mich wirklich gefreut, dich kennenzulernen.«

      »Gleichfalls«, entgegnete Bath. »Schau doch mal wieder vorbei, bei einer unserer Performances zum Beispiel. Oder wann auch immer, du bist hier jederzeit willkommen.«

      Stevie nickte zum Dank und griff nach ihren Sachen.

      »Tut mir echt leid, was du alles durchmachen musstest«, bemerkte Bath, als Stevie schon an der Treppe war. »Ganz schön übel. Besonders das mit deiner Wand.«

      Stevie blieb wie angewurzelt stehen und drehte sich um.

      »Meiner Wand?«, wiederholte sie.

      »Darauf hat doch jemand eine Botschaft projiziert, oder?«, führte Bath aus. »Echt das Letzte. Ellie war stinksauer deswegen.«

      Hätte Bath gesagt: »Ach, übrigens, ich kann mich in einen Schmetterling verwandeln, guck mal!«, wäre Stevie wohl kaum überraschter gewesen. In der Nacht vor Hayes’ Tod war sie von einem leuchtenden Schriftzug an ihrer Wand geweckt worden, einer Art Rätsel im Stil des Wahrhaftigen Lügners. Das Beben, das jetzt durch ihren Körper lief, war jedoch nur teilweise der Erinnerung an diese seltsame nächtliche Begebenheit zuzuschreiben.

      »Das


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