Chefarzt Dr. Norden Staffel 6 – Arztroman. Helen Perkins

Chefarzt Dr. Norden Staffel 6 – Arztroman - Helen Perkins


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April verließ Dr. Amelie Gruber die Behnisch-Klinik. Sie ging mit einem weinenden und einem lachenden Auge, denn die Arbeit hier hatte ihr sehr am Herzen gelegen. Es war eben etwas Besonderes, in dieser Klinik tätig zu sein. Kollegen und Pflegepersonal erschienen fast vollzählig zu ihrem Ausstand, Dr. Norden fand lobende Worte für ihre Leistungen und wünschte ihr nur Gutes auf ihrem weiteren Lebensweg.

      Amelie verabschiedete sich herzlich von allen Kollegen, nur Dr. Berger war der Feier fern geblieben, denn solche ›Sentimentalitäten‹, wie er das nannte, waren in seinen Augen pure Zeitverschwendung.

      Mark holte Amelie ab, dann fuhren sie zusammen zur Villa Wagner, um Torben mitzunehmen und sich von Elfriede Kramer zu verabschieden. Kai Wagners Erbe war abgewickelt, das Vermögen in die Stiftung überführt.

      In der Villa würden nun die Angestellten der Stiftungsverwaltung ihre Büros beziehen, der Umbau sollte dieser Tage beginnen.

      »Es ist schon ein seltsames Gefühl«, gab die ehemalige Haushälterin zu, als sie mit Mark noch einmal durch alle Räume ging, die nun zum Großteil bereits leer geräumt waren. »Immerhin habe ich viele Jahre hier verbracht.«

      »Werden Sie es vermissen?«

      Sie schüttelte spontan den Kopf. »Ganz bestimmt nicht. Aber sagen Sie mir, wie es Ihrer Schwester nun geht. Ich habe oft an sie gedacht. Das arme Kind, was hat sie gelitten. Ich hoffe doch, dass sie sich nun von allem erholt hat.«

      »Na ja, körperlich geht es Lisa schon wieder recht gut. Aber sie wird noch eine ganze Weile an den seelischen Wunden zu leiden haben, die sie in dieser unseligen Ehe erlitten hat.«

      »Ist sie denn deshalb auch in Behandlung? Man hört so viel von solchen Dingen. Aber ich frage mich schon, ob sie auch wirklich helfen können. Wissen Sie, Herr Hansen, früher, da wurde über so etwas nicht geredet. Man verschwieg es einfach.«

      »Denken Sie, das war besser?«

      »O nein, ganz bestimmt nicht. Ich hoffe jedenfalls von Herzen, dass Lisa wieder ganz gesund wird. An Körper und Seele, meine ich.«

      »Ja, das hoffen wir alle«, versicherte der junge Mann ihr.

      Wenig später verließen Mark und Torben zum letzten Mal die Villa Wagner. Der Junge war sehr schweigsam, Mark wusste nicht recht, was er davon halten sollte. Amelie hingegen ahnte, was in Torben vorging.

      »Er vermisst seine Mutter«, sagte sie leise zu dem jungen Mann. »Der Umzug wird ihn ein bisschen ablenken.«

      Bevor sie nach Ulm fuhren, machten die drei noch einen Abstecher in die Reha-Klinik. Da kam wieder Leben in Torben, er fiel seiner Mutter um den Hals und hing dann wie eine Klette an ihr. Lisa war noch immer blass, viel zu dünn und sah ein wenig so aus, als könnte das leiseste Lüftchen sie umblasen. Doch dem war nicht wirklich so. Sie ging durch eine schwere Zeit, die Therapie, in der sie ihre Ehe mit Kai Wagner aufarbeiten musste, zehrte an ihr. Aber sie machte Fortschritte. Und das spürte sie allmählich auch selbst.

      »Ich werde nicht mehr lange hier bleiben müssen«, sagte sie.

      Mark war überrascht und wollte etwas einwenden. Ganz bestimmt war es noch zu früh, um die Therapie zu beenden. Aber das hatte seine Schwester auch nicht gemeint.

      »Du gehst in die ambulante Behandlung?«, erkundigte Amelie sich, und Lisa nickte.

      »Mein Therapeut ist damit einverstanden.« Sie seufzte. »Ich habe, ehrlich gesagt, die Nase voll von Klinikbetten und dem Essen hier. Ich möchte endlich nach Hause.«

      »Aber unser Haus gehört jetzt anderen«, warf Torben ein. »Wo werden wir denn wohnen, Mama? Bei Onkel Mark?«

      »Fürs Erste, ja. Wir kaufen uns was Eigenes. Aber es muss uns beiden gefallen. Und wir müssen uns wohl fühlen.«

      »Auf dem Land. Mit Pferden, Hunden, Katzen und Ziegen!«, rief Torben da energisch. »Das wird toll!«

      »Und wer soll sich um die vielen Tiere kümmern, wenn ich im Büro bin und du in der Schule? Wir sind ja nur zu zweit, schon vergessen?«

      »Wir halten fest zusammen«, wiederholte der Bub das neue Mantra, das Mutter und Sohn wie ein unsichtbares Band umfing.

      »Okay, wir werden uns mal was auf dem Land ansehen. Aber wir lassen uns Zeit.«

      Damit war Torben einverstanden. Bevor sie sich verabschiedeten, machte Amelie mit Torben noch einen Spaziergang durch den Park. Mark fragte seine Schwester, wie es ihr ums Herz sei. Nun konnte sie offen sein, musste sich nicht zusammen nehmen. »Es ist schwer, das alles noch einmal zu durchleiden, wenn auch nur im eigenen Kopf«, gab sie bekümmert zu. »Aber ich sehe Land, es hat einen Sinn. Deshalb mache ich weiter. Und ich werde es schaffen.«

      »Wunderbar, unsere Stiftung braucht eine Sekretärin.«

      Lisa lächelte. »Ich freue mich auf die Arbeit. Es war wirklich die Idee von dir. Ich glaube, es wird mir helfen, all das Schwere nach und nach hinter mir zu lassen. Zu sehen, dass es anderen nicht besser geht, vielleicht noch schlechter. Und helfen zu können, das tut wirklich gut.«

      »Du hast es verdient, Lisa.«

      »Wann wollt ihr denn heiraten, Amelie und du?«, wechselte sie nun das Thema, denn Lisa wurde es auch allmählich leid, immer nur über sich zu reden.

      »Im Mai oder Juni, wir haben noch keinen Termin festgelegt. Es hängt auch ein bisschen an dir.«

      »An mir? Ich habe eigentlich nicht vor, noch mal zu heiraten«, scherzte sie trocken.

      »Da wird Simon anderer Meinung sein. Oder irre ich mich?«

      »Wir sind Freunde, nicht mehr. Das war schon immer so. Wozu werde ich also bei eurer Hochzeit gebraucht?«

      »Für alles. Amelie wünscht sich, dass ihr die Vorbereitungen für das Fest zusammen in Angriff nehmt. Bist du einverstanden?«

      »Klar, ich helfe gern.«

      »Prima, sie wird sich freuen. Übrigens hat sie eine große Verwandtschaft. Es wird also eine Menge zu planen geben …«

      »Kein Problem. Und wie sieht es bei dir beruflich aus?«

      »Na ja, der Chef war nicht begeistert, als ich ihm eröffnet habe, dass ich keine Auslandsprojekte mehr übernehmen will. Aber er wird sich damit abfinden. Hoffe ich.«

      »Klar, er weiß doch, was er an dir hat.«

      Mark lachte. »Das wird sich erst noch zeigen. Du kriegst übrigens noch mehr Besuch.«

      Lisa bemerkte Simon Berger, der ganz in der Nähe aus seinem Wagen stieg. Er winkte und gesellte sich dann zu ihnen.

      »Na, altes Haus. Du schleichst in letzter Zeit verdächtig viel um meine Schwester herum«, scherzte Mark nach einer herzlichen Begrüßung. »Muss ich mir da vielleicht Sorgen machen?«

      Der junge Anwalt gab sich locker. »Wir sind nur Freunde.«

      »Das höre ich nicht zum ersten Mal …« Mark seufzte. »Wie dem auch sei, wir müssen uns allmählich auf den Weg machen. Wann kommst du hier raus, Lisa?«

      »Ende der Woche. Holt ihr mich ab?«

      »Versprochen.« Mark drückte seine Schwester. »Halt bis dahin die Ohren steif.«

      »Ich werde es versuchen …«

      Nachdem Amelie, Mark und Torben abgefahren waren, spazierten Lisa und Simon noch ein wenig durch den Klinikpark. Die Bäume waren bereits grün überhaucht, im taufeuchten Gras blühten die ersten Tulpen. Endlich war Frühling.

      »Wie geht es dir?«, fragte Simon nach einer Weile des einvernehmlichen Schweigens. Er hatte Lisa oft besucht seit seiner nächtlichen Stippvisite.

      Sie erzählte ihm offen, wie sie sich fühlte, und teilte jeden noch so kleinen Erfolg mit ihm.

      »Ganz gut. Ich freue mich auf Ulm.«

      »Und ich wette, Ulm freut sich auf dich.«

      Lisa


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