Chefarzt Dr. Norden Staffel 6 – Arztroman. Helen Perkins

Chefarzt Dr. Norden Staffel 6 – Arztroman - Helen Perkins


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jemanden für Sie verständigen, Herr Berger? Ihre Familie?«

      »Nein, ich habe keine.«

      »Vielleicht Freunde? Gute Bekannte?«

      »Freunde? Glauben Sie wirklich, dass jemand wie ich Freunde hätte?« Berger lachte hart auf und verzog dabei schmerzhaft das Gesicht. »Ich kenne niemanden, den ich als meinen Freund bezeichnen würde. Im Gegensatz zu Ihnen würde mich keine einzige Seele vermissen. Aber auf Sie warten viele Menschen, die hoffen, dass Sie lebend zu Ihnen zurückkehren. Also tun Sie ihnen den Gefallen.«

      »Ich habe nichts anderes vor und werde hier heil wieder herauskommen. Und ob Sie es glauben oder nicht: Jeder in der Klinik, wünscht sich das auch von Ihnen.«

      »Sind Sie sich da sicher?«, spöttelte Erik. »Ich gehöre nicht gerade zu den beliebtesten Mitarbeitern der Klinik.«

      »Und trotzdem werden Sie geschätzt und respektiert. Ich soll Sie von allen herzlich grüßen.«

      Am Funkgerät, das Daniel bei sich trug, meldete sich Rainer Gutknecht: »Dr. Norden? Wie sieht es bei Ihnen aus?«

      »Gut«, berichtete Daniel. »Herr Berger ist halbwegs stabil. Aber er muss so schnell wie möglich in die Klinik gebracht werden. Bitte sagen Sie mir, dass Sie irgendetwas tun werden, um uns rauszuholen.« Daniel hoffte, dass der Einsatzleiter nicht davon sprechen würde, wie schlecht die Aussichten für eine baldige Bergung standen. Das, was sein Patient brauchte, war die Zuversicht, gerettet zu werden.

      »Wir haben einen Plan«, sagte Gutknecht zu Daniels Freude. »Bevor wir von außen die Trümmer wegräumen können, muss Ihre Höhle dort unten gesichert werden. Das heißt, wir müssen Balken einbringen, die die lose Decke abstützen werden.«

      »Und wie soll das passieren?«, fragte Daniel nachdenklich. »Sagten Sie nicht, Sie wollten hier niemanden von Ihren Männern reinlassen? Leider glaube ich nicht, dass ich das allein hinbekommen werde.«

      »Keine Angst, das brauchen Sie auch nicht. Es kommt gleich Verstärkung zu Ihnen. Notgedrungen musste ich meine Anweisungen ändern. Ich kann schlecht zwei Männer in dieser Höhle sich selbst überlassen. Das wird jeder verstehen können, sollte ich irgendwann darüber Rechenschaft ablegen müssen.«

      Daniel hoffte, dass Berger nie die volle Wahrheit erfahren würde: Er allein, mehr tot als lebendig, wäre dieses Risiko nicht wert gewesen. Nur für ihn würde niemand reinkommen. Daniel konnte dem Einsatzleiter deswegen noch nicht mal gram sein. Manchmal musste man den zu erwartenden Nutzen mit den Risiken abgleichen und unliebsame Entscheidungen treffen.

      Rainer Gutknecht erläuterte kurz den Plan: »Ich schicke zwei Freiwillige rein, die die Absicherung übernehmen werden. Danach fangen wir mit der Räumung an und tragen die Steine ab, um den Verletzten bergen zu können. Haben Sie alles verstanden?«

      »Ja, ja natürlich! Und, Herr Gutknecht: vielen Dank!«

      Ohne darauf zu antworten, beendete Rainer Gutknecht das Gespräch.

      »Rückt die Artillerie an?«, presste Erik hervor. Das Sprechen schien ihn anzustrengen, auf seiner Haut hatte sich ein schweißnasser Film gebildet.

      »Was ist los, Erik?«, fragte Daniel alarmiert nach.

      »Erik?«, versuchte Berger zu witzeln, obwohl er kaum noch reden konnte. »Seit wann … sind wir denn beim Vornamen angelangt? Nur … nur weil Sie mir das Leben retten, macht uns das noch lange nicht zu Blutsbrüdern.«

      »Hören Sie auf mit dem Quatsch und sagen Sie mir gefälligst, was los ist. Fällt das Atmen schwer?«

      »Nein … Jedenfalls nicht mehr als sonst. Die gebrochenen Rippen … die Schmerzen haben zugenommen. Sie … sie sind kaum auszuhalten.«

      »Gut, das war’s mit Ihrer übertriebenen Tapferkeit. Ich spritze Ihnen etwas, egal, ob es Ihnen gefällt oder nicht. Sie wissen, dass Ihre starken Schmerzen Sie nicht nur am Atmen hindern. Sie können Sie auch in einen Schockzustand bringen.«

      »Kein Morphin oder ein anderes Opiat …«

      »Sind Sie mit Novalgin einverstanden? Ihrem Blutdruck geht es dafür gut genug.«

      Erik biss die Zähne zusammen und nickte. Das Medikament würde seine Schmerzen lindern, ohne ihn zu betäuben. Als ihm sein Chef das Mittel langsam durch die Kanüle in seine Armvene spritzte, schloss er die Augen und dachte an Maika. Womöglich wäre Morphium doch nicht so schlecht gewesen. Er wäre etwas weggedämmert, und in seinen Träumen hätte er vielleicht Maika wiedergesehen.

      Ein lautes Geräusch schreckte ihn auf.

      »Unsere Retter sind eingetroffen«, beruhigte ihn Daniel. »Kein Grund zur Aufregung!«

      Es überraschte Daniel nicht, dass Markus Never zu den Freiwilligen gehörte, die sich um die Sicherung des Raums kümmern würden. »Sie schon wieder?«, begrüßte er ihn scherzend.

      »Ja, ich kenn’ mich nun mal am besten hier aus«, gab Markus lächelnd zurück. »Schön, Sie wach zu sehen, Herr Berger. Halten Sie noch durch. Sie haben es fast geschafft. Und Sie, Dr. Norden, können sich nun auf den Rückweg machen.«

      Daniel wehrte das entschieden ab. »Nein, ich bleibe hier bis zum Schluss. Ich werde nicht gehen.«

      »Das wäre aber das Vernünftigste, Dr. Norden. Wenn mein Kollege mit den Balken kommt, wird’s hier sehr eng. Ich glaube nicht, dass der Platz für alle reicht.«

      »Gehen Sie schon, Chef. Mir geht’s gut. Sie müssen nicht neben mir sitzen und meine Hand halten.«

      »Hören Sie auf Ihren Patienten, Dr. Norden. Er ist nicht mehr allein. Und falls es Probleme geben sollte, melden wir uns bei Ihnen. Dann können Sie sofort zurückkommen.«

      Daniel sah ein, dass er gehen musste. Schweren Herzens verabschiedete er sich von Erik. »Wir sehen uns gleich wieder. Der Rettungswagen steht draußen für Sie bereit, und in der Behnisch-Klinik wartet ein gemütliches Bett auf Sie.«

      »Ich hoffe, ich bekomme das schönste Einzelzimmer.«

      Daniel lächelte. »Selbstverständlich. Sie müssen nur noch ein Weilchen durchhalten, bevor Sie es beziehen dürfen.«

      Als sich Daniel abwenden wollte, hielt ihn Erik auf. »Chef … ich wollte noch …« Erik schluckte den Kloß hinunter, der sich in seiner Kehle gebildet hatte und das Sprechen fast unmöglich machte. »Danke … vielen Dank.«

      Am anderen Ende des Tunnels wurde Daniel von zwei Feuerwehrmännern erwartet, die ihm halfen herauszukommen. Fast im selben Moment fand er sich in einer engen Umarmung wieder.

      »Fee! Was machst du denn hier?«, konnte er noch fragen, bevor sie ihn unter den amüsierten Blicken der anderen Männer küsste. Dann schimpfte sie leise: »Musst du wirklich noch fragen, was ich hier mache? Mein Platz ist hier, bei dir. Das weißt du doch! Und wenn ich gekonnt hätte, wäre ich mit dir in diese schreckliche Höhle gekrochen! Du kannst mich nicht einfach allein lassen!« Fee schmiegte ihren Kopf an die Schulter des geliebten Mannes. »Ich hatte solche Angst um dich. Dan, bitte, tu mir so etwas nie wieder an.«

      Daniel strich ihr über den Rücken und küsste ihre Haare. Dann sagte er zärtlich: »Du weißt, dass ich keine andere Wahl hatte, Liebes.«

      Seufzend nickte Fee. »Ja, aber das hat es nicht leichter für mich gemacht. Es war schrecklich zu wissen, in welcher Gefahr du warst.«

      »Es ist alles gut ausgegangen, Feelein. Und das nicht nur für mich. Auch Erik Berger wird es schaffen. Sie werden ihn bald da rausholen.«

      Es dauerte dann noch fast zwei Stunden, bis es soweit war. Daniel hielt per Funkgerät Kontakt mit Erik, um sicherzugehen, dass er weiterhin stabil blieb.

      Als das obere Mauerwerk abgetragen war und der Hohlraum, in dem Erik viele Stunden verbracht hatte, freilag, kletterte Daniel zu ihm hinunter.

      »Was machen Sie denn schon wieder hier?«, begrüßte ihn Erik am Ende seiner Kräfte. Hier, bei Tageslicht, fiel auf, wie schlecht er aussah. Viel Zeit wäre ihm


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