Gespräche jenseits der Zeit. Markus Jost

Gespräche jenseits der Zeit - Markus Jost


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den ewigen Frieden etwas Neues wagen wollen: Er habe den Text in Form eines Friedensvertrages verfasst, damit seine Gedanken auch von einem breiteren Publikum verstanden würden – zumindest erhoffte er sich dies. Übrigens, meint er, hätten 18 Monate später22 Preussen und die Französische Republik einen Friedensvertrag abgeschlossen, der da hiess: Frieden von Basel.

      Sie wollen nun wissen, ob und wie ein ewiger Frieden zwischen den Menschen möglich sei. Er beginnt zu erklären, dass Frieden kein natürlicher Zustand sei. Im Gegenteil, die Menschheit sei grundsätzlich immer von Krieg bedroht. Wenn gerade kein Krieg herrsche, bedeute dies noch lange nicht, dass Frieden sei.

      Um Frieden zu schaffen und zu erhalten, sei das gegenseitige Vertrauen zwischen den Staaten notwendig. So sei es sinnlos, über einen Friedensvertrag zu verhandeln, wenn die eine Seite bereits an den nächsten Krieg denke. Die Kriegsgefahr werde erhöht, wenn es zu grosse Berufsarmeen gäbe, die Staaten sich gegenseitig verschuldeten oder sich bestimmte Staaten in die Verfassung und Regierung anderer Staaten gewalttätig einmischten.

      Zur Erhaltung des Friedens müsse ein Staat republikanisch organisiert sein. Das bedeute: Die Freiheiten der einzelnen Menschen müssen garantiert sein und die Bewohner müssen einer gemeinsamen Gesetzgebung verpflichtet werden. Jeder Bewohner eines Staates müsse seine persönliche (gesetzlose) totale Freiheit aufgeben und die vernünftige Freiheit vorziehen, sprich sich dem geltenden Recht verpflichten. Dies erhöhe die Sicherheit eines Staates. Zudem müssen alle Bewohner vor dem Gesetz gleich sein. Weiter müsse in einem solchen Staat die gesetzgebende Gewalt von der ausführenden Gewalt getrennt sein.

      Jeder Staat sollte vom anderen fordern, eine eigene republikanische Verfassung einzuführen. Zwischen den einzelnen Staaten bräuchte es ein von den Staaten anerkanntes Recht: das internationale Recht oder Völkerrecht. Das Völkerrecht sollte auf einem Föderalismus freier Staaten gegründet sein. Das Weltbürgerrecht beinhalte das Besuchsrecht (allgemeine Hospitalität), hingegen kein eigentliches Gastrecht. Der freie Handel zwischen den Staaten fördere den (ewigen) Frieden.

      Die republikanische Verfassung sei die einzige Staatsform, die den Menschenrechten entspreche. Aber es sei auch die am schwierigsten einzuführende und die am schwierigsten zu erhaltende Form, fügt er an. Rein rational betrachtet, sei es am einfachsten, wenn alle Völker in einem Staat vereint seien. Aber die Natur habe es anders gewollt. Sie möchte scheinbar, dass die Völker getrennt seien: Denn es gäbe verschiedene Sprachen und verschiedene Religionen. Doch gleichzeitig vereinige die Natur auch die Völker durch ihren gegenseitigen Egoismus, der Ausdruck finde im Handelsgeist und in der Macht des Geldes. Der Handel aber könne nicht stattfinden, wenn Krieg zwischen den Nationen herrsche. Und so schaffe die Natur selbst die Grundlagen für den ewigen Frieden.

      Sie sind beeindruckt von den vielen Überlegungen Ihres Gegenübers. Sie fragen Ihn, ob er zu seinen damaligen Ansichten heute in der neuen Welt noch stehen könne. Er sei damals viel zu kompliziert und viel zu abgehoben gewesen, bedauert er. Aber er sei sehr froh und dankbar, dass ihm bereits zu Lebzeiten die Erkenntnis geschenkt worden sei, dass mit dem Verstand nicht alles bewiesen werden könne. Gerade die Existenz oder Nichtexistenz von Dingen, die ausserhalb unserer Wahrnehmung liegen, könne nicht bewiesen werden. So sei er im Gegensatz zu anderen Philosophen davor bewahrt worden, die Existenz Gottes grundsätzlich zu verneinen. Denn in der neuen Welt sei es offensichtlich, dass Gott existiere.

      Klingt gut, sagen Sie, aber irgendwie würden Sie seine Gedankengänge immer noch nicht vollständig verstehen. Er versucht es nochmal: Auf die Frage nach der Existenz Gottes bezogen bedeute dies, dass vom Dasein des höchsten Wesens niemand durch irgendeine Anschauung zuerst überzeugt werden könne, sondern der soeben beschriebene Vernunftglaube vorher gehen müsse. Denn der Glaube sei ein subjektiv zureichendes, objektiv aber mit Bewusstsein unzureichendes Führwahrhalten und somit dem Wissen entgegengesetzt. Es ginge darum, erklärt er, zuerst zu prüfen, ob etwas widerspruchsfrei sei und dann eine Verbindung im Denken zu bekannten Gegenständen (d.h. zur Erfahrung) herzustellen. Nun aber trete „das Recht des Bedürfnisses der Vernunft ein, als eines subjektiven Grundes, etwas vorauszusetzen und anzunehmen, was sie durch objektive Gründe zu wissen sich nicht anmassen darf; und folglich sich im Denken, im unermesslichen und für uns mit dicker Nacht erfüllten Raume des Übersinnlichen, lediglich durch ihr eigenes Bedürfnis zu orientieren.“

      Er schaut Sie an und merkt, dass Sie seine Gedankengänge immer noch nicht nachvollziehen können. Also startet er einen weiteren Versuch: Sein ehemaliger Kollege Moses Mendelssohn habe vom „schlichten Menschenverstand“ gesprochen, den man zur Verteidigung gegen die eigenen „sophistischen Angriffe“ auf die Vernunft einsetzen solle. Nun beginnen Sie zu begreifen, was Vernunftglaube vermutlich ist: gesunder Menschenverstand und Bodenhaftung. Ihr Gesprächspartner stimmt Ihnen widerwillig zu und fährt fort: Wenn der Vernunftglaube nicht vorher ginge, sei aller Schwärmerei, Aberglauben, ja selbst „Atheisterei“ weit die Türe geöffnet.

      Sie stellen fest, dass sich dieser Aufklärer einerseits von der Schwärmerei und dem Aberglauben emanzipieren will, andererseits aber auch vom Atheismus. Sie fragen nach, ob er sich schon zu seiner Erdenzeit so deutlich vom Atheismus distanziert habe oder erst seit seinem Aufenthalt in der neuen Welt. Denn zu Ihrer Erdenzeit hätten sich sehr viele Aufklärer als überzeugte Atheisten (oder Agnostiker) bezeichnet. Es gehörte


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