Und wenn die Welt voll Teufel wär .... Heinrich Christian Rust

Und wenn die Welt voll Teufel wär ... - Heinrich Christian Rust


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waren nicht erst die beiden großen Weltkriege mit ihren entsetzlichen Auswüchsen des Bösen, die massiv an diesem scheinbar intakten aufklärerischen Weltbild rüttelten. Die Konfrontation mit der unsichtbaren Wirklichkeit war durch alle Zeiten gegeben. 200 Jahre nach der Französischen Revolution, einem Höhepunkt der Aufklärung, haben heute Okkultismus und Religionen aller Art wieder Hochkonjunktur. Unsere Zeit ist nicht nur geprägt von einer nicht enden wollenden Technisierung und radikalen Gottlosigkeit, sondern auch von einer intensiven Suche nach dem verlorengegangenen Jenseits. Mit jedem Triumph der Vernunft ist zugleich auch eine Gegenbewegung geboren. Die Ahnung, dass es da noch mehr »zwischen Himmel und Erde« gebe, ist auch den Menschen unserer Zeit nicht abhanden gekommen. Die kirchliche Theologie schaut dieser neuen Religiosität etwas hilflos zu. Einerseits muss sie sich eingestehen, dass mit der Verbannung der Unsichtbarkeit aus der Theologie die Kirche ungeheuer arm geworden ist. Wenn nicht die christliche Kirche etwas sagen kann zu Engeln, zu Geistwesen; zu Dämonen und Teufel – wer denn sonst? Zum anderen scheuen sich die christlichen Theologen, in eine »unvernünftige« Theologie zurückzufallen; nach wie vor lässt man nur rational Einsichtiges und »Beweisbares« als Lehre gelten. Theologie soll eben auch Wissenschaft sein, und zwar eine Wissenschaft für einen aufgeklärten Denker unserer Zeit.

      Wo aber sollen dann die Menschen mit ihrer Suche nach dem Jenseits hin, wenn die christliche Kirche sich geradezu verweigert? Es ist schon auffallend, wie selbst in evangelikalen und pietistischen Kreisen die ganze Welt des Unsichtbaren mehr oder weniger als unwichtig angesehen wird. Man glaubt sich mit dem Wort: Visionen, Engel, Dämonen oder selbst der Heilige Geist sind Dinge, die nicht so gut in dieses von der Aufklärung geprägte Denken passen, in der Hand auf sicherem Terrain! Aber immer wieder hat es auch Denker und Philosophen gegeben, die aus diesem angeblich modernen Denkraster ausscherten.

      Gerade der durch die Perestroika ausgelöste Zerfall der sowjetischen Ideologie führte neben der Götterdämmerung auch zu einer Dämmerung der Ideologien. Meiner Meinung nach führte dieser Zusammenbruch ideologischer Systeme zu einem Boom okkulter Religionen.

      Auf Esoterik-Messen suchen unzählige Menschen unserer Zeit den Rückzug in die Innerlichkeit, die mal mehr und mal weniger auch einen Ausflug ins Jenseits ansteuern. Dabei kommt es gar nicht so sehr darauf an, was sich dort in der Innerlichkeit auftut oder welche Art von Kraft mir im Jenseits begegnet. Allein die Tatsache, dass sich durch derartige Begegnungen irgendein Einfluss oder auch eine Verwandlung im Leben zeigt (Transformationen), allein dieses Faktum zählt. Es gehört zur neuen Religiosität, dass sie vagabundiert und sich auf dem Markt der Möglichkeiten umschaut. Die Wahrheitsfrage ist dabei nicht ausschlaggebend, allein das Erleben zählt. Mal ist die übersinnliche Kraft mehr in der Natur oder im Diesseits aufzuspüren, ein anderes Mal sind weite Wege des Zugangs zu gehen. Auch das Bewusstsein für eine differenzierte Wahrnehmung des Jenseits ist nicht sehr ausgeprägt. Das Böse als aktive Kraft wird in esoterischen Zirkeln eher skeptisch gesehen. Erleuchtung oder auch ein »höheres Bewusstsein« erlangt der Esoteriker durch Rituale und Techniken, die von »Meistern« vermittelt werden – denjenigen, die eine geistige Transformation vollzogen haben und ihr Leben im Einklang mit den kosmischen Kräften und Gesetzen meistern. Immer wieder geht es in der Esoterik um diese »göttliche Energie«, die geweckt werden soll.

      Grundlegend für diese Praktiken ist die Auffassung, dass es zwischen »Geist« und »Stoff« keine grundsätzliche Differenzierung gibt, sondern lediglich Abstufungen. Geist und Materie sind verschiedene Erscheinungsformen; die Wirklichkeit wird als einziges geistig-energetisches Kraftfeld verstanden, in dem »Entwicklung« möglich ist. Vor allem das Zauberwort »Energie«, die Vorstellung von einer den ganzen Kosmos durchdringenden »Lebensenergie« fasziniert viele Menschen.

      Eine derartige Vorstellung liegt auch dem Yoga zugrunde. Durch bestimmte unsichtbare »Energie-Zentren« (Chakren) kann der Mensch Lebenskraft aus dem Kosmos aufnehmen und auch einsetzen. Der Einfluss des Yoga auf nahezu alle esoterischen Zirkel der Gegenwart sowie auf die Mitte der 1960er Jahre entstandenen New-Age-Bewegung ist unübersehbar.

      Während in vielen esoterischen Kreisen das Interesse näher am Zugang zu dieser Energie und an ihren Auswirkungen liegt, ist im Okkultismus ein größeres Interesse an der Quelle der Energie zu entdecken. Dennoch sind die Grenzen zwischen Esoterik und Okkultismus nur schwer zu ziehen. Hans-Jürgen Ruppert spricht von einem »esoterischen Okkultismus«:


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