Erfolg ist ein Mannschaftssport. Stephanie Borgert

Erfolg ist ein Mannschaftssport - Stephanie Borgert


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das Wie des Denkens eine mindestens ebenso große Rolle wie das, was wir denken. Mögen diese Impulse Sie irritieren.

      Genug der Vorrede, jetzt sind Sie dran. Ihnen wünsche ich viel Vergnügen, Anregung und Irritation bei der Lektüre.

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      Eine Frage der Perspektive

      Jeder Mensch entscheidet für sich, wie er oder sie die Welt sieht. Es mag noch immer Menschen geben, die in der Illusion verfangen sind, sie sähen die Welt so, wie die Welt ist. Den meisten ist jedoch klar, dass wir alle die Welt sehen, wie wir sie in unserem Kopf konstruieren. Nur bewusst ist uns diese Tatsache trotzdem nicht ständig. Und wenn es dann im Arbeitsalltag turbulent wird, Probleme oder Konflikte auftauchen, navigieren wir per Autopilot durch die Situation. Unsere Weltsicht hat entscheidenden Einfluss auf unser Denken, Handeln, Reagieren und Entscheiden. Sich seiner individuellen Lieblingsansicht bewusst zu werden, ist ein wichtiger Schritt in Richtung konstruktiver Zusammenarbeit mit anderen. Ein weiterer ist die Fähigkeit, zusätzliche Perspektiven einzunehmen. Dazu lade ich Sie im folgenden Kapitel ein. Denn wir alle sind auch Pippi Langstrumpf und machen uns die Welt, wie sie uns gefällt.

      Was sehen Sie?

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      Schauen Sie sich die nachfolgende Grafik an, und halten Sie fest, was Sie dazu denken. Beachten Sie dabei Ihre genaue Formulierung. Die meisten Menschen sagen etwas wie »Es ist eine Ente« oder »Es ist ein Kaninchen«. Erst wenn die Dualität auffällt, kommt es zu Aussagen wie »Ich sehe es als …«. Das ist der Unterschied zwischen Wahrnehmung und Interpretation.

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      Die Grundhaltung, mit der ich dieses Buch schreibe und die ich Sie bitte einzunehmen, während Sie es lesen und durcharbeiten: Wir haben keinen direkten Zugriff auf die Realität, wir konstruieren sie. Objektive Betrachtung ist eine Illusion. Es ist vielmehr so, als existiere eine Art Linse zwischen uns (als Individuum) und der Realität. Diese Linse besteht aus unseren mentalen Modellen, also unseren Überzeugungen, Vorurteilen, Stereotypen und Erfahrungen. Und eben weil es diese Linse gibt, ist alles Interpretation und nicht »mein objektiver, klarer Blick aufs Geschehen«. So entstehen bei Begriffen wie »Selbstorganisation«, »Agilität«, »Führung« oder jedem beliebigen anderen verschiedenste Bilder in den Köpfen der Menschen. Und in keinem der beteiligten Köpfe existiert das einzig wahre Bild.

      Unsere mentalen Modelle sind ebenso verschieden wie die entstehenden Bilder. Sie sind unsere Weltanschauung und sorgen dafür, dass wir bestimmte Aspekte fokussieren, andere ignorieren und Situationen in einer bestimmten Weise interpretieren. Wann immer wir an einen Punkt gelangen, an dem unsere Überzeugungen nicht zur (vermeintlichen) Realität passen, haben wir die Chance, zu lernen und unsere mentalen Modelle anzupassen. In dem großen Themenkomplex Zusammenarbeit, Selbstorganisation, Führung, Organisation erlebe ich, dass die alten, im Industriezeitalter geprägten Modelle noch immer quicklebendig sind und ihre Wirkung entfalten. An vielen Stellen ist es längst an der Zeit für ein Update. Der erste Schritt dabei ist es, sich die eigenen Überzeugungen, die eigene Linse also, bewusst zu machen.

      MEHR SELBSTORGANISATION FÜHRT ZU …

      Die IT-Verantwortlichen zweier großer Konzerne aus verschiedenen Branchen treffen sich zu einem Erfahrungsaustausch über ihre agile Transformation, die sie sehr unterschiedlich motiviert vor einiger Zeit begonnen haben. Mit dabei ist auch jeweils ein Vertreter des Betriebsrates. In der Diskussion wird schnell deutlich, dass in den Köpfen der beiden Herren völlig diverse Bilder über die Auswirkung von mehr Selbstorganisation existieren. Während der eine Betriebsrat sieht, dass mehr Mitbestimmung und stringente Prozesse zu einer guten Balance in der Arbeitsauslastung führen, liegt für den anderen darin eine sehr große Gefahr der Ausbeutung von Mitarbeitenden und hoher Krankenstände. So ist es nicht verwunderlich, dass in dem einen Fall der Betriebsrat die Transformation mitträgt und gestaltet, während er im anderen Fall als Bedenkenträger eher für Verlangsamung sorgt. Worüber reden diese beiden Herren dabei? Über ihre Erfahrungen nur bedingt, denn in beiden Fällen gibt es noch keine »verlässliche Wahrheit« über die jeweilige Wirkung von mehr Selbstorganisation und Mitbestimmung. Sie sprechen über ihre mentalen Modelle, ihre Sicht auf Arbeit, Menschen, Organisation, Mitbestimmung, Eigenverantwortung und all die anderen Aspekte, die hineinspielen. Es sind nicht Fakten und Objektivität, die ausgesprochen werden, sondern Perspektiven.

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      Der zweite wesentliche Schritt besteht darin, passende mentale Modelle zu gestalten. Dazu ist es notwendig, zu verstehen, wie wir Menschen aus den Informationen, die von der Realität als Feedback zu uns kommen, unsere Sichtweisen und Überzeugungen konstruieren. »DSRP« nennen das Derek und Laura Cabrera (Cabrera 2016). Es ist der kognitive Code, die Basis für den Vorgang der Modellbildung.

      Distinctions: Wir unterscheiden Dinge, Informationen, Aspekte und so weiter voneinander.

      Systems: Wir organisieren Informationen in Systemen und betrachten sie im Detail und im Ganzen.

      Relationships: Die Beziehungen und Wechselwirkungen werden uns deutlich.

      Perspectives: Wir betrachten Informationen aus unseren bevorzugten Blickwinkeln.

      Auf diese Weise strukturieren wir das Feedback aus der Realität und geben der Information eine Bedeutung. Das geschieht unabhängig davon, ob es uns bewusst ist oder nicht. Beziehen wir DSRP in unsere Reflexion mit ein, dann denken wir über unser Denken nach. Metakognition ist für alle Menschen trainierbar (das Können steht außer Frage) und hilft uns, differenzierter zu denken, besser zu kommunizieren, passendere Entscheidungen zu treffen und in Teams erfolgreicher und stressfreier zu agieren. Sich des eigenen Denkens und der Konstruktion der subjektiven Realität bewusst zu sein, ist die Grundzutat für Systemdenken.

      Wenn die Lösung das Problem verschlimmert

      »Wir brauchen mehr Selbstorganisation!« So oder so ähnlich lautet die Formulierung vieler Verantwortlicher, wenn eine Auftragsanfrage bei mir eintrifft. »Was genau meinen Sie damit?«, hake ich nach. Dann bekomme ich häufig Antworten wie »Die Mitarbeitenden sollen mehr Eigenverantwortung zeigen, das große Ganze sehen«. – »Spannend, für was genau wäre das gut?« – »Na ja, wir verlieren Marktanteile, unsere Time-to-Market ist zu lang, unsere Projekte laufen immer wieder aus dem Budget …« Oder, oder, oder. Diese Dialoge wiederholen sich stetig mit wechselnden Schwerpunkten. Was sie gemeinsam haben, ist die Vermischung von Ursache, Problem, Diagnose und Lösung. Und, ganz wichtig, die Psychologisierung der Zusammenarbeit. Aber der Reihe nach:

      1. Die (vermeintliche) Lösung

      Unabhängig davon, dass der Begriff »Selbstorganisation« zunächst erläutert und abgegrenzt werden muss, handelt es sich bei der obigen Aussage um eine für die Eigendiagnose als tauglich befundene Lösung. Die Sache hat aber mehrere Haken. Zum einen ist mehr Selbstorganisation für nichts eine Lösung. Sie ist ein Aspekt komplexer Systeme (Kapitel 4, Unterkapitel »Selbstorganisation«) und kann nicht »gemacht« werden. Zum anderen setzen viele Menschen sie mit Selbstmanagement gleich. Dürfen sich die Mitarbeitenden ihre Arbeitszeit selbst einteilen, so arbeiten sie selbstorganisiert? Mitnichten. Zudem ist die Aussage selbst so blasig, dass dahinter immer noch Weiteres steht. »Eigentlich wollen wir, dass …«

      2. Die (vermeintliche) Diagnose

      »Wir brauchen mehr Selbstorganisation, weil die Mitarbeitenden zu wenig Eigenverantwortung zeigen, ihre Ideen nicht einbringen, nur Dienst nach Vorschrift machen etc. pp.« Die Schwierigkeit an vielen solcher Diagnosen ist, dass sie selten das tatsächliche


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