Der neue Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman - Michaela Dornberg


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sorgte dafür, dass auch sie noch ein paar Streicheleinheiten zum Schluss bekam.

      Rosmarie ging mit zur Tür, sie winkte, bis von Cecile und deren Mietwagen nichts mehr zu sehen gab, dann ging sie langsam ins Haus zurück. Sie war noch immer ganz berührt, nicht nur von dem Besuch, sondern auch davon, was Cecile ihr alles erzählt hatte.

      Sie überlegte einen Augenblick, dann fasste sie einen Entschluss. Sie konnte noch immer in die Seniorenresidenz gehen, gleich wurde das Abendessen serviert, das gab es für die alten Herrschaften immer sehr, sehr früh. Sie konnte bei den Vorbereitungen helfen, und sie konnte den Leuten behilflich sein, die es allein nicht schafften, die auf Hilfe angewiesen waren.

      Ja, das würde sie tun.

      Beauty freute sich schon auf einen Spaziergang, und sie war ganz enttäuscht, als ihr Frauchen sagte: »Tut mir leid, meine Schöne, aber jetzt musst du daheim bleiben. Wir machen heute Abend noch einen langen Spaziergang.«

      Sie brachte Beauty zu Meta, die noch immer ganz beglückt war, weil Cecile ihr Kuchen so gut geschmeckt hatte. Dann machte sie sich fertig und ging los. Seit sie nicht mehr die Schuhe mit den schwindelerregenden hohen Absätzen trug, war sie sehr gut zu Fuß, und durch bequeme Kleidung fühlte sie sich auch nicht mehr eingeengt. Sie hatte eine anthrazitfarbene Hose an mit sehr viel Elastan, was für Bequemlichkeit sorgte, dazu trug sie ein hellgraues Twinset, das nicht aus einer sündhaft teuren Boutique stammte und auch keinen klangvollen Namen des Designers hatte. Sie hatte es in einem ganz normalen Geschäft gekauft. Die Zeiten, da man für sie den roten Teppich aufrollte und sie die Kreditkarten glühen ließ, die waren längst vorbei. Und verrückt war, dass ihr Heinz, sonst eigentlich ein Modemuffel, ganz entzückt gewesen war, als sie dieses Outfit zum ersten Mal getragen hatte.

      Ja, sie hatte sich wirklich verändert, die Rosmarie Rückert! In ihrem früheren Leben wäre es für sie undenkbar gewesen, etwas anzuziehen, was keinen klangvollen Namen trug, was nicht sündhaft teuer war. Dabei produzierten die großen Billigketten, die Textilhändler, aber auch die großen Modelabels alle in Billiglohnländern, und in allen Fabriken arbeiteten die Näherinnen für einen Billiglohn. Das war die Realität, und wenn einem das bewusst war, konnte man sich der Illusion einer Besonderheit überhaupt nicht mehr hingeben.

      Die Inge Auerbach, die hatte sich nie von großen Namen blenden lassen, für die musste Kleidung praktisch schön und nicht zu teuer sein, das Preisleistungsverhältnis musste einfach stimmen, dabei waren die Auerbachs auch nicht arm, der Professor verdiente sehr gut, aber sie gaben halt ihr Geld lieber für andere Dinge aus.

      Na ja, zum Glück war sie jetzt auch schlauer geworden. Die Zeiten änderten sich.

      Als sie die Seniorenresidenz erblickte, beschleunigte Rosmarie ihre Schritte. Dass Cecile so unverhofft gekommen war, um sie zu besuchen, das hatte sie so glücklich gemacht, jetzt wollte sie von ihrem Glück etwas weitergeben, ja, das wollte sie. Auch wenn manche der Bewohner nicht mehr alles mitbekamen, sie hatten schon eine Antenne für nette Worte, für sanfte Berührungen. Sie ging noch einen Schritt schneller. Es gab da einige Damen und Herren, die sie besonders berührten und von denen sie wusste, dass niemand sie besuchte, auch nicht an den Fest- und Feiertagen. Waren sie in ihren früheren Leben so oberflächlich gewesen wie sie? Darüber musste sie jetzt wirklich nicht spekulieren, für Einsamkeit im Alter gab es viele Gründe.

      Sie hatte ihr Ziel erreicht, die Dame am Empfang kannte sie schon und begrüßte sie freundlich: »Hallo, Frau Rückert, schön, dass Sie da sind.«

      *

      Sophia von Bergen konnte ihr Glück noch immer nicht fassen. Es ging ihr so viel besser! Sie bewegte sich, wenn auch sehr vorsichtig, mit dem Rollator im Haus, und wenn jemand bei ihr war, versuchte sie es mit ihren beiden Stöcken. Irgendwann würde sie auf keine Hilfsmittel mehr angewiesen sein, und das war etwas, womit niemand gerechnet hatte.

      Sie hatte ja immer damit gehadert, dass sie diesen Unfall gehabt hatte, das war so ungerecht. Doch der Himmel hatte ein Einsehen gehabt und sie in den Sonnenwinkel ziehen lassen, wo sie nicht nur eine ganz hervorragende Ärztin, einen begnadeten Therapeuten gefunden hatte, sondern auch Freunde.

      Auf sie traf das Zitat zu: »Wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.«

      Jetzt durfte sie nur wegen ihrer Angela keine Schuldgefühle mehr haben, die für sie ihr eigenes Leben aufgegeben hatte.

      Gut, um ihren Exschwiegersohn musste man nicht trauern, der war kein Verlust, doch wie er Angela nach diesen Jahren der Ehe behandelt hatte, das war gemein und das tat weh. Er würde seine Quittung noch bekommen, es holte einen alles ein im Leben. Aber sie davonjagen wie einen Kettenhund, das war unmöglich, keinen Cent hatte sie bei der Scheidung bekommen, dafür hatten windige Anwälte gesorgt und ein harter Ehevertrag, den Angela dummerweise und ohne ihn sich durchzulesen unterschrieben hatte.

      Es hätte nicht so kommen müssen, wäre dieser Mann nicht so unerbittlich gewesen, indem er sich geweigert hatte, sie bei sich in der großen Villa aufzunehmen. Da gab es so viel Platz, dass man sich hätte aus dem Weg gehen können.

      Sophia wurde aus ihren Gedanken gerissen, als es an der Haustür klingelte. Sie war allein, da sollte sie nicht die Tür öffnen, das hatte Angela ihr eingetrichtert. Doch was sollte es, die Gefahr für den Sonnenwinkel war doch vorbei, außerdem war es für sie wieder ein Schritt in die richtige Richtung. Sie erhob sich ein wenig mühsam, schnappte sich ihren Rollator, und dann ging sie langsam los. Als er erneut klingelte, diesmal fordernder, rief sie: »Ich komme ja schon, eine alte Frau ist kein D-Zug.« Sie musste lächeln, weil das so treffend war.

      Ein wenig mühsam öffnete sie die Tür, entdeckte zwei Jugendliche, das mussten die beiden sein, von denen Angela ihr erzählt hatte.

      Die beiden blickten ein wenig enttäuscht drein, sie hatten mit ihr nicht gerechnet.

      »Wir möchten …, äh …, ist Angela nicht da?«, erkundigte sich das Mädchen, die ganz offensichtlich diejenige war, die das Sagen hatte, der Junge war ein wenig scheuer. Aber das war oft so, wenn man eine große Schwester hatte.

      »Nein, ist sie nicht.«

      Die Enttäuschung der beiden war nicht zu übersehen, schon wollten sie sich abwenden, doch damit war Sophia nicht einverstanden. Ein wenig Abwechslung konnte nicht schaden, und Angela hatte viel über die beiden gesprochen.

      »Ihr könnt auf sie warten, sie muss bald nach Hause kommen«, schlug Sophia vor.

      Maren überlegte, dann nickte sie, sie und ihr Bruder Tim folgten der alten Dame ins Haus.

      »Mögt ihr Schokolade?«, erkundigte Sophia sich.

      Welche Frage!

      Natürlich erfolgte von Maren und Tim ein beinahe einstimmiges »Ja«.

      Sie bat das clevere Mädchen, die Schokolade aus dem Schrank zu holen, es gab auch noch Apfelsaft, dann setzten sie sich, Sophia versuchte ein Gespräch, und die beiden gingen darauf ein.

      Also, Sophia fand sie nett, kaum vorstellbar, dass sie schwierig sein sollten.

      Es war schließlich nicht einfach zu wissen, dass die Mutter mit einem anderen Mann abgehauen war.

      »Was möchtet ihr denn von meiner Tochter?«, erkundigte Sophia sich.

      »Sie fragen, ob sie wieder für uns kochen kann«, sagte Tim.

      »Unser Papa muss verreisen, er wird über Nacht wegbleiben. Eigentlich wollte er uns mitnehmen, aber wir haben ihm vorgeschlagen, die Angela zu fragen, und er ist einverstanden, wenn sie für eine Nacht bei uns bleibt, wir haben ein Gästezimmer.

      Macht es Ihnen etwas aus, Frau …, äh …, was müssen wir denn zu Ihnen sagen? Frau Gräfin oder so was? Sie sind doch eine ›von‹, Angela hat uns das erzählt.«

      Die Kinder gefielen Sophia.

      »Ihr könnt mich einfach Sophia nennen«, sagte sie, und als sie die verunsicherten Blicke der beiden bemerkte, fügte sie hinzu: »Ich bin doch Angelas Mutter, und die duzt ihr doch auch.«

      Das klang plausibel, und


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