Der neue Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman - Michaela Dornberg


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freie Entscheidung.«

      Damit hatte Inge nicht gerechnet, das kam zu plötzlich für sie.

      »Können wir uns das nicht in aller Ruhe gemeinsam überlegen, Werner?«, wollte sie wissen.

      Damit war der Professor nicht einverstanden.

      »Inge, das geht nicht. Wir müssen uns jetzt entscheiden, ehe diese Superangebote weg sind, es gibt jeweils nur noch ein paar Plätze, und die werden nicht nur in Hohenborn vergeben, sondern überall, und weil es sich um so exzellente Angebote handelt, wird man schnell zugreifen. Jetzt oder nie, Inge, sag was.«

      Rom … Lissabon … London …

      Inge kannte alle Städte. Wo gefiel es ihr am besten?

      Sie konnte sich nicht entscheiden. Jede dieser Städte hatte Vor- und Nachteile, und überall kannte sie längst noch nicht alles.

      Also, was tun?

      Werner drängte, und sie fühlte sich ein wenig überfordert, auch wenn es ganz rührend war, was ihr Mann sich da ausgedacht hatte.

      »Werner, entscheide du, mit dir an meiner Seite ist es überall schön.«

      Solche Worte gingen bei ihm herunter wie Öl, er fühlte sich geschmeichelt.

      »Also gut, meine Liebe, dann suche ich etwas aus, etwas, von dem ich glaube, dass es dir gefallen wird.«

      Sie wechselten noch ein paar Worte, dann beendeten sie das Telefonat, und Inge blieb noch eine ganze Weile sitzen und lächelte versonnen. Ihr Werner, musste sie wieder denken, dann breitete sich große Freude in ihr aus. Es war wirklich nicht wichtig, wohin sie fuhren. Wichtig war allein, dass Werner und sie allein ein verlängertes Wochenende in einer schönen Stadt miteinander verbringen würden. Und da war es wirklich gleichgültig, ob es nun Rom, Lissabon oder London waren.

      Am liebsten hätte sie sich jetzt einen Kaffee gekocht, wie sie es immer tat, wenn sie emotional bewegt war. Doch sie kannte sich, danach würde sie tausend Ausreden erfinden, um nicht mehr laufen zu müssen.

      Sie stand auf, wenn man in eine Großstadt reiste und sich etwas ansehen wollte, dann musste man gut zu Fuß sein. Also konnte ein kleines Training nicht schaden.

      Ehe sie nun endgültig das Haus verließ, ging sie zu dem Schrank, in dem die Süßigkeiten verstaut waren und brach sich ein großes Stück Schokolade ab. Dunkle Schokolade, wohlgemerkt, die durfte man ja essen, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen, die wurde sogar von Ernährungspäpsten empfohlen.

      Sie ließ genüsslich die Schokolade im Mund zergehen, und dann ging sie.

      Ihr Werner …

      Sein verändertes Verhalten war keine Eintagsfliege gewesen, er meinte es wirklich ernst. Inge begann sich zu freuen, und da sie eine Frau war, machte sie sich auch sofort Gedanken darüber, was sie an Bekleidung mitnehmen sollte.

      Es war schon ein Privileg, so nahe am See zu wohnen, und auch wenn die von Carlo Heimberg erbaute Siedlung viele Auszeichnungen erhalten hatte, war Inge froh darüber, in einem Haus zu wohnen, das schon vorher hier gestanden hatte. Das war auch so eine Überraschung gewesen, Werner hatte es einfach gekauft. Es war eine einsame Entscheidung gewesen, und niemand von ihnen war erfreut gewesen. Das allerdings hatte sich sehr schnell gelegt, Werner hatte den richtigen Riecher gehabt, nicht nur, was die Wertsteigerung der Immobilie betraf, sondern auch, dass es das richtige Familienhaus für die Auerbachs gewesen war.

      Es war erstaunlich mild, auch wenn die Sonne nicht schien. Inge knöpfte ihre Jacke auf, beschleunigte ihren Schritt.

      Sie war noch nicht weit gegangen, als sie das untrügliche Gefühl hatte, verfolgt zu werden. Sie drehte sich um, da war niemand.

      Sie bildete sich da etwas ein. Seit sie diesen falschen Polizisten gestellt hatte, war es nicht mehr so, wie es zuvor gewesen war. Sie hatte nicht mehr das Gefühl, hier könne nichts passieren, um den Sonnenwinkel machten Einbrecher einen großen Bogen. Die heile Welt hatte einen Riss bekommen. Nicht nur sie war verunsichert, es hatte alle Bewohner dieses schönen Fleckchens Erde berührt. Seitdem fühlte Inge sich beobachtet, und jetzt fühlte sie sich verfolgt. Das war doch verrückt! Was sollte ihr denn hier passieren? Außerdem hatte sich die Polizei der Sache angenommen, und man hatte bereits ein paar Verbrecher auf frischer Spur ertappt. Ob es die Einbrecher waren, die den Sonnenwinkel unsicher machen wollten, das konnte niemand sagen.

      Inge drehte sich noch einmal um, dann beschleunigte sie ihre Schritte. An einer Weggabelung blieb sie stehen, überlegte. Sie konnte jetzt weiterhin den Hauptweg nehmen, oder aber sie schlug den Weg ein, der direkt am See entlangführte, der war kürzer. Inge wusste, dass sie sich damit bemogelte, aber dennoch schlug sie den Seeweg ein, der war wesentlich schmaler und dichter bewachsen.

      Wofür Werner sich wohl entschieden haben mochte?

      Ehe sie diesen Gedanken zu einem Ende bringen konnte, wirbelte sie herum. Es hatte hinter ihr geknackt. Sie lauschte, und als sich nichts tat, ging sie weiter. Vermutlich war es ein Tier gewesen.

      Sie hätte vielleicht doch nicht den Seeweg nehmen sollen, denn der wurde immer enger, weil er von Sträuchern zugewachsen wurde. Darum sollte sich wirklich mal jemand kümmern, dachte Inge ärgerlich.

      Es gab keinen Grund, abgesehen einmal von diesem kleinen Ärgernis, dennoch fühlte Inge sich immer unbehaglicher. Der Weg sollte der Entspannung dienen, stattdessen wurde sie immer angespannter. Egal, was sie sich auch vorgenommen hatte, sie blieb stehen und drehte sich um. Sie würde zurückgehen, und sie beschloss, sich das nächste Mal ihren Eltern anzuschließen.

      Inge war keine zwei Schritte gegangen, als hinter einem Gebüsch eine dunkle Gestalt hervorkam.

      Sie hatte sich nicht getäuscht!

      Jemand hatte sie verfolgt!

      Und es war …

      Inge glaubte, ihr Herz müsse vor Angst zerspringen, als sie den Mann erkannte, den sie bei der Polizei angezeigt hatte.

      Der Mann kam ihr bedrohlich nahe, und Inge stockte der Atem, als sie in sein Gesicht blickte. Es war wutverzerrt und voller Hass.

      »Mit mir hättest du nicht gerechnet, du Miststück, nicht wahr?«

      Er war ihr so nahe, dass sie seinen schlechten Atem riechen konnte, doch das war das kleinere Übel. Sie war vor Angst wie gelähmt.

      »Du glaubst doch wohl nicht, dass ich dich ungeschoren davonkommen lasse? Wir waren so dicht davor, und du hast uns alles kaputt gemacht.«

      Sie starb beinahe vor lauter Angst, doch zum Glück setzte ihr Verstand wieder ein.

      Mit ihm reden?

      Nein, das würde nichts bringen, also konnte sie nur noch davonlaufen.

      Warum hatte sie sich bloß vom Hauptweg entfernt. Diesen Weg ging sie nur selten, und heute hatte sie ihn aus lauter Bequemlichkeit gewählt, weil sie sich selbst etwas vormachen wollte, und nun hatte sie die Quittung.

      Sie drehte sich um, begann zu laufen, womit er offensichtlich nicht gerechnet hatte. Leider dauerte dieser Überraschungsmoment nicht lange, nach wenigen Schritten hatte er sie eingeholt. Er riss an ihrer Schulter, drehte sie brutal zu sich herum. »Willst du mich für blöd verkaufen? Du entkommst mir nicht mehr, dich mache ich fertig.«

      Er war drauf und dran, seine Worte in die Tat umzusetzen, er begann sie zu würgen, mit der letzten ihr verbleibenden Kraft schrie Inge laut um Hilfe. Ihre Hilferufe verhallten ungehört.

      Sie hatte keine Chance, zumal er immer fester zudrückte.

      Es war schon merkwürdig, welche Gedanken einem neben einer irren Angst durch den Kopf gingen.

      Was würde er mit ihr machen?

      Würde er sie in den See werfen?

      Würde man sie dort finden?

      »Das hast du davon«, sagte er mit heiserer Stimme, »und es war alles vergebens. Wir warten ab, und dann werden wir deinen Schuppen und die anderen, die ich sogar


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