Colours of Life 3: Nebelschwarz. Anna Lane

Colours of Life 3: Nebelschwarz - Anna Lane


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mit einer Unzahl von Bands schäkere, habe ich noch kein einziges Mal gefragt, wie es ihr geht.

      »Du kannst nicht bleiben. Nicht mehr.« Helenas Worte sind kaum hörbar.

      Was? Ich soll aus der Wohnung verschwinden? In den letzten Wochen war das mein Schutzwall vor der Außenwelt. Wie eine Hauskatze habe ich mich vor all den Menschen versteckt, die nun von mir wissen. Ich bin in Tageszeitungen. Seitenlange Artikel in Klatschmagazinen spekulieren, wohin ich verschwunden bin. Ob der Straßenmusiker überhaupt ich war oder nur ein schlechter Gag vom Management, um die Verkäufe wieder anzukurbeln.

      Meine Augenbrauen schießen in die Höhe und ich will protestieren, flehen, wenn nötig auch auf Knien herumrutschen, damit sie mich weiter hierbleiben lässt.

      Wo sollte ich in dieser Welt auch hin, wenn mir eine Zielscheibe mitten auf der Stirn klebt?

      Doch sie dreht den Kopf zu Cam. Mit flinken Fingern wischt sie sich die Tränen von den rosigen Wangen und stemmt dann mit neuer Energie die Hände in die Hüften. »Mit jedem Mal, dass du blutend zur Tür hereinstolperst, wird die Chance größer, dass das Apartment entdeckt wird. Du jagst einem Geist nach, Cam. Und merkst dabei gar nicht, dass du selbst immer mehr dabei verschwindest!« Sie zieht eine trotzige Schnute, obwohl ihre Körpersprache genau das Gegenteil von Trotz ist. »Du treibst dich tagelang in der Stadt und Gott weiß wo noch herum, um dich mit irgendwelchen Typen anzulegen, die dich entweder verprügeln oder irgendwie anders verrecken sehen wollen.« Sie verzieht die Lippen. »Ich muss mich um Sebastian kümmern. Was denkst du, ist los, wenn sie ihn entdecken? Hier? Ich habe dir die letzten Male schon gesagt, dass es so nicht weitergehen kann. Ich will dir helfen, wirklich, aber du lässt mich nicht. Mein Rat: Vergiss sie. Auch wenn es wehtut.«

      Während ihres Vortrags hat Cam den Kopf gesenkt, die Hände lose in seinen Schoß gelegt und dennoch zu Fäusten geballt, lauscht er ihren Worten.

      Fast frage ich mich, ob er eingeschlafen ist, doch dann knallt seine unverletzte Hand so hart auf die Tischplatte, dass ich zusammenzucke. Bevor ich überhaupt blinzeln kann, ist er auf den Beinen und steht dicht vor Helena.

      »Beruhige dich, Mann!« Ich erhebe mich. Auch wenn er mit dem Rücken zu mir steht, kann ich deutlich sehen, wie schwer sich sein Brustkorb hebt und senkt.

      Ich trete näher an Helena heran, um notfalls einschreiten zu können. Sollte ich Cameron zuvor niemals misstraut haben, ist wohl nun der passende Zeitpunkt, mir eine gesunde Portion Skepsis zuzulegen.

      Doch wie der winzige Löwe, der Helena ist, lässt sie sich weder von Cams Größe noch von seinem bedrohlichen Blick einschüchtern.

      »Ich habe alles verloren.« Cams Stimme ist rau. Belegt. Brüchig. Wie seine gesamte Person. Einfach nicht so, wie sie sein sollte. »Sollte ich Crys nicht finden-«, er stockt und schließt die Augen, »was habe ich dann noch?«

      »Deinen gesunden Menschenverstand!« Helena schnappt Cam beim Kragen seines Sweatshirts und schüttelt ihn einmal. »Verlorene Dinge kann man nicht immer zurückholen, und wenn das so ist, muss man es einsehen.« Sie verpasst ihm einen letzten Schubser, der ihn nicht sonderlich zum Wanken bringt, und verschränkt dann wieder die Arme. »Oder man geht daran kaputt. Ich habe Mom kaputtgehen sehen. Ein zweites Mal halte ich das nicht aus. Du bist auch Familie, Cam. Du kannst zurückkommen, wenn du dich und uns nicht mehr ständig in Gefahr bringst.«

      Cam reißt den Mund auf, doch er wird von einem ohrenbetäubenden Knall vom Widerspruch abgehalten.

      »Was zur – versteckt euch!« Cam reißt ein Messer aus dem Block auf der Anrichte und stürmt auf die Tür zu. »Wie haben mich die Scheißkerle gefunden?«, flucht er und stürzt aus der Küche, zur gleichen Zeit, wie das löchrige Holz nach innen aufschwingt.

      Ich erstarre.

      »Runter!« Helena zerrt zischend an meinem Ärmel aus ihrem Versteck hinter dem Mauervorsprung zum Wohnzimmer.

      Mein Atem setzt aus. Ich kann mich nicht bewegen. Nur mein Herz schlägt wie gestört gegen meinen Brustkorb, als ich ihn anstarre.

      Das letzte Fünkchen Verstand, das ich noch habe, verschwindet, während ich warte, dass er irgendetwas tut. Mit der Pistole in seiner Hand.

      Oder dass er spricht. Wahrscheinlich mit einer Stimme, die so sexy ist wie sein Äußeres. Oder noch schärfer.

      Meine Kehle wird trocken.

      Wir starren uns an. Seine braunen Augen lassen keine Regung erkennen.

      Und ich täusche mich nicht. Seine Lippen öffnen sich langsam, während er einen Arm ausstreckt, um Cam Einhalt zu gebieten. Doch weiter beachtet der blonde Kerl mit den breiten Schultern den angehenden Meuchelmörder nicht.

      Weil er nur mich im Blick hat.

      Zwei Worte rollen dunkel von der Zunge des Fremden. »Sebastian Corraface?«

      Heilige.

      Scheiße.

      2. Kapitel

      The grey winds, the cold winds are blowing

      Where I go.

      All Day I Hear The Noise Of Waters– James Joyce

      Ace

      »Ab ins Bett mir dir.« Violet stolpert fast mit mir, doch anstatt auf den Rand des Bettgestells zu krachen, landen wir sicher auf der Matratze. Meine Wange presst sich wieder in das schweißnasse Polster und ich wünschte, ich wäre das T-Shirt los, das mir auf der Haut klebt.

      Mein Atem beruhigt sich nur langsam.

      Violet klettert in dem winzigen Bett von einer Seite zu der anderen über mich und quetscht sich in den Spalt zwischen mir und der Wand. Aber ich brauche Luft.

      Der Baumwollstoff zieht sich immer enger um meine Brust, macht es mir schwer, zu atmen. Ich kann nicht sprechen, und deshalb schließe ich einfach die Augen. Warte darauf, dass die Übelkeit vorbei geht.

      Eine Woche.

      In einer Woche soll ich vom Krebs geheilt sein, der in mir wuchert wie die Gedanken an Crys.

      »Wie oft musstest du dich heute schon übergeben?« Violets Stimme ist angenehm zärtlich.

      Ich lasse die Augen zu. »Es war das erste Mal.« Das vierte, um genau zu sein. Aber was bringt es, sie zu beunruhigen? Willem hat mich gewarnt, dass mir übel werden würde, und zwar oft. Dabei kann ich mich glücklich schätzen. Immerhin fallen mir keine Haare aus. Was früher nur mit monatelangen Bestrahlungen und Medikamententherapien möglich war, braucht jetzt nur mehr eine einzige Tablette, die irgendeine Zusammensetzung aus radioaktivem Zeug und anderen Wirkstoffen beinhaltet.

      Eine Kapsel, die mich vom Krebs heilen kann.

      Oder auch nicht.

      Eine fünfzigprozentige Heilchance hat sich noch nie beschissener angehört.

      »Woran denkst du?« In sanften Kreisen streichelt Violet über meine Brust.

      »An dich.« Und an deine Schwester. An meine älteste Freundin. Die einzige, die ich je hatte.

      Das Bett gibt ein wenig unter Violet nach, während sie sich vorlehnt, um mir einen Kuss auf die Wange zu hauchen. Sie lächelt dabei, ich kann es spüren.

      Noch immer habe ich meine Lider nicht geöffnet. Das alles hier ist so wahnsinnig verkorkst. Die gesamte Situation ist ein verdammter Witz.

      Der Schweiß auf meiner Haut kühlt langsam aus und mich fröstelt. Die Saltos, die mein Magen schlägt, werden allmählich zu trägen Purzelbäumen, bis er irgendwann erschöpft liegen bleibt.

      Violet ist in den letzten Wochen meine Vertraute geworden. Wir schlafen im selben Bett. Wir halten uns in den Armen. Sie ist die Einzige, die außer Carter und Willem von meinem beschissenen Zustand weiß. Und ich mag sie. Sehr.

      Aber ich mag auch Crys. Und bei jedem Anfall ist sie es, die mir durch den Kopf geht.

      Ich vermisse sie. Den Takt ihrer Erinnerungen, die Tiefe ihrer Überlegungen. Sie haben mich


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