Black Heart - Spin-Off 2: Der Weg ins Licht. Tatjana Weichel

Black Heart - Spin-Off 2: Der Weg ins Licht - Tatjana Weichel


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Eine Woche. Die zwei Jahre her ist, die ich hinter mir gelassen habe.

      John schürzt die Lippen. »Er hat dich geliebt.« Er sieht mich fest an.

      »EINE WOCHE!« Ich kann das nicht fassen. Das kann er doch nicht ernst meinen. Doch er meint es ernst. Seine Augen füllen sich mit Tränen, nur mühsam kann er sie zurückhalten.

      »Ich kann nur dich fragen. Denk wenigstens drüber nach. Bitte.«

      ❤

      Die Straßen leeren sich bereits, es ist später Abend, als ich den Aston Martin durch Canterburys Straßen lenke. Langsam wird es wieder früher dunkel. Der Herbst wird nicht mehr lange auf sich warten lassen, und mit ihm kommt die besinnliche Jahreszeit.

      Ich freue mich auf Weihnachten, allerdings nicht auf den Urlaub. David möchte gerne in den Skiurlaub, ich wäre lieber in die Sonne gefahren. Aber ich bin froh, dass er einem gemeinsamen Urlaub überhaupt zugestimmt hat. Vielleicht bringt das Klarheit in unsere Beziehung. David ist mein erster Freund nach Yanis, leider ist es nicht so zwischen uns, wie ich es mir wünschen würde.

      Es ist kompliziert.

      Yanis … sein Dad denkt wirklich, dass Yanis lebt und ich an den Palast der Träume gehen sollte, um herauszufinden, ob das stimmt.

      Was für eine Schnapsidee.

      Diese verdammte magische Welt. Ich will damit nichts mehr zu tun haben. Ich habe mich nicht einfach so von allen aus Yanis’ damaligem Umfeld zurückgezogen. Was für eine beschissene Nummer, mich zu fragen. Mir wird schlecht.

      Ich fahre an den Straßenrand, halte an und drücke auf die Kurzwahltaste für David. Wir sind seit ein paar Monaten zusammen, na ja, was man so zusammen nennt. Wir sehen uns oft, aber in der Öffentlichkeit sind wir Freunde. Ein Paar sind wir nur im geschützten Raum.

      Es klingelt eine Weile, und ich will schon auflegen, da geht er doch noch dran.

      »Hey, Gabriel, was gibts?«

      Ich verdrehe die Augen. Er ist nicht allein, ich erkenne es sofort an seiner Begrüßung.

      »Hi. Stör ich? Ich würde dich gern sehen, kann ich-«, erkläre ich ihm, aber er unterbricht mich.

      »Sorry, können wir morgen quatschen?« Es ist laut bei ihm, offensichtlich ist er ausgegangen.

      »Wo bist du? Kann ich vorbeikommen?«, frage ich ihn, und er schweigt einen Moment, bis er dann ungeduldig antwortet.

      »Das ist schlecht heute. Ich melde mich morgen bei dir, okay?« Dann legt er auf.

      Fassungslos schaue ich auf das Display, und als es dunkel wird und mir mein eigenes Gesicht entgegenschaut, werfe ich das Handy auf den Beifahrersitz.

      Ich habe mir geschworen, die Sache zu beenden, wenn er das noch einmal tut. Habe mir versprochen, mich nicht mehr so behandeln zu lassen. Ich will keine Beziehung führen, in der man mich verleugnet, und doch macht er es immer wieder. Und ich lasse es mit mir machen.

      In Wellen spüre ich die Enttäuschung hochsteigen, ich versuche durchzuatmen, bevor sie hochschwappt und mich überschwemmen kann.

      Einatmen, ausatmen.

      Er ist ausgegangen. Er verleugnet mich, weil jemand bei ihm ist, der nicht wissen soll, dass ich nicht nur quatschen wollte, sondern sein Freund bin, mit dem er schläft und den er liebt.

      Ich lache auf. Sein Freund. Den er liebt. Ich muss schlucken, die Wut kommt gleichzeitig mit dem Lachen, ich sehe meine Hände zittern.

      Es ist nicht neu für mich, dass David keine Zeit für mich hat und mich abwimmelt, wenn er mit seinen Freunden unterwegs ist. Freunde, die ich nicht kenne, weil er mich nicht zu ihnen mitnimmt. Zu offensichtlich könnte sein, dass wir mehr sind, und das passt ihm nicht. Er braucht noch Zeit, sagt er. Immer wieder sagt er das.

      Und was ist mit mir?

      Ich greife nach meinem Handy, öffne den Messenger.

      Ich: Sorry für die späte Störung, seid ihr noch wach?

      Die Antwort kommt sofort.

      Sam Walsh: Sind wir.

      Ich: Habt ihr Zeit für mich? Kann ich vorbeikommen?

      Für einen Moment schließe ich die Augen, um die Angst zurückzudrängen, dass auch Sam mich abwimmeln könnte.

      Sam Walsh: Was für eine blöde Frage. Ich mach dir ein Bier auf.

      Ich hätte Überraschung erwartet, Ablehnung oder Ungläubigkeit, während ich Sam und Miles von dem Gespräch mit John erzähle. Irgendjemandem muss ich es erzählen, sonst platze ich. Doch Sam ist einfach nur still geworden.

      Wir sitzen auf dem Sofa in ihrer gemeinsamen Wohnung. Sein Blick liegt auf einem Bild von ihm und Yanis. Es steht neben einem Reagenzglas mit einer einzelnen weißen Rose auf einem Sideboard.

      »Hast du das Gefühl, dass er tot ist? Ich meine, ist da dieses Gefühl, was dir sagt, er lebt nicht mehr?« Sam blickt mich an. »Ich hab das nicht. Nach all der Zeit ist es immer noch so irreal, so absurd. Es fühlt sich an, als wäre es gestern erst passiert, ich kann es nicht glauben. Er fühlt sich nicht … weg an.«

      Ich lege den Kopf schief, schaue kurz zu Miles, der nicht aussieht, als wären diese Gedanken neu für ihn.

      Es tut weh, die beiden zu sehen, nicht nur, weil Sam Yanis’ bester Freund war. Es tut weh, eine funktionierende, langjährige und liebevolle Beziehung zwischen zwei Männern zu sehen, etwas, das für mich noch nie funktioniert hat. Bis auf diese eine Woche vor zwei Jahren, doch wenn ich darüber nun weiter nachdenke, kann man mich ganz vergessen. Besser, ich konzentriere mich auf Sams Frage.

      »Ich fühle diese Leere, ja. Er ist weg. Ob tot oder nicht … er ist weg.« Ich horche in mich, ob ich da einen Unterschied ausmachen kann, doch das kann ich nicht. »Jackie meinte, sie hat das Gefühl, er müsste jeden Moment durch die Tür kommen.«

      Sam nickt. »So fühlt es sich an. Ich rechne jeden Tag auf der Arbeit damit, dass er plötzlich reinkommt und mich angrinst. Und das hat nichts mit Verleugnen zu tun. Was, wenn John recht hat?« Er sieht nachdenklich aus, keinesfalls so schockiert, wie ich erwartet hätte.

      »Das wäre ziemlich krass«, sagt Miles leise. Er hat sich in einen der beiden Sessel gesetzt, die Füße liegen auf dem Couchtisch. Auch er sieht eher nachdenklich aus.

      »Macht ihr Witze? Nein!« Ich schaue von einem zum anderen. »Nein, ich glaube das nicht. Das wäre …« Ja, was wäre es? Krass? Unglaublich? Immerhin reden wir über Magie.

      Sam spricht aus, was auch in mir vorgeht. »Ich glaube, in dieser magischen Welt ist mehr möglich, als wir Muggel uns vorstellen können. Julie hat uns Geschichten erzählt …« Er winkt ab.

      Miles rutscht vor und legt die Arme auf den Knien ab. »Ich halte das tatsächlich auch nicht für abwegig. Allerdings ist Johns Idee trotzdem ziemlich haarsträubend. Was denkst du darüber? Was sagt David?«

      Ich antworte nicht, drehe meine leere Bierflasche in den Händen.

      Sam seufzt. »Gabriel.«

      »Ja, was denn?« Ich stelle die Flasche ab, sie landet mit einem lauteren Knall auf dem Tisch, als ich es beabsichtigt habe. »Sorry. Heikles Thema.«

      »Ach«, wirft Miles trocken ein, und diese kurze Äußerung macht mir mehr als alles andere klar, in welche Situation ich mich da schon wieder hineinmanövriert habe.

      »Ich bin ja selbst schuld. Er hat immerhin von Anfang an ehrlich gesagt, dass er nicht offen schwul lebt. Hätte nur nicht gedacht, dass mich das so nervt.«

      »Wirst du es ihm erzählen?«, fragt Miles, und erst will ich erneut den Kopf schütteln, doch dann halte ich inne und überlege.

      »Mal schauen.« Ich stehe auf und greife nach meiner Jacke, die ich vorher achtlos über die Couchlehne geworfen habe. »Danke, Leute. Ich muss das alles mal sacken lassen.«


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