Black Heart - Spin-Off 2: Der Weg ins Licht. Tatjana Weichel

Black Heart - Spin-Off 2: Der Weg ins Licht - Tatjana Weichel


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hat mir alle Informationen gegeben, die ich brauchen werde. Ich habe jetzt schon mehr über den Palast der Träume und die magische Welt erfahren, als ich wissen wollte. Es hat leider nicht dazu beigetragen, dass ich sie mehr mag.

      In der magischen Welt gibt es Hexen und Wächter.

      Hexen sind Frauen, deren Fähigkeiten von alltäglichen Kleinigkeiten bis hin zu Dingen reichen, die John haben blass werden lassen, und da ist ein langsames Altern noch harmlos.

      Wächter sind die Männer, die einmal eine Hexe beschützt und sich dadurch den Zugang in diese magische Welt verdient haben. Riskier dein Leben, und du darfst mitspielen. Wächter haben keine Magie, sie sterben also in einem meist normalen Lebenszyklus. Aber sie werden am Palast zu einer Art Agenten ausgebildet und schützen die magische Welt.

      Warum allerdings sterbliche Männer mächtige Zauberinnen beschützen sollen, die Logik erschließt sich mir nicht so richtig.

      In Calais werfe ich das Navi an. Knapp elf Stunden bis zum ersten Ziel. Ich werde in München übernachten. Ich möchte schlafen, und vor allem ausgeruht an meiner neuen Arbeitsstelle ankommen. Auch wenn ich nicht ganz glücklich bin mit diesem Plan, will ich doch einen guten Eindruck machen. Mein Einstellungsgespräch fand lediglich per Videokonferenz statt, trotzdem will ich Mr Mansour keinen Grund geben, seine Zusage zu bereuen, wenn er mich real kennenlernt.

      Die erste Stunde bin ich mächtig überfordert davon, dass sich mein Lenkrad plötzlich auf der falschen Seite befindet, doch mit jeder Meile, die ich mehr auf dem europäischen Festland bin, England hinter mir lasse und meiner neuen Arbeitsstelle entgegenfahre, werde ich ruhiger, fühle ich mich freier und gelassener. Und mit jeder Stunde fühle ich mich meiner Aufgabe weniger gewachsen.

      Die magische Welt hat mir von Anfang an Angst gemacht. Aber ich habe nie daran gezweifelt, was Yanis mir erzählt hatte, von sich, von Julie, von ihrer Schule.

      Ich habe mit Trevor gesprochen, der sich als Wächter herausstellte.

      Ich habe mit Yanis’ Eltern gesprochen, auch John ist ein Wächter.

      Ich wollte diese Welt nicht kennenlernen, aber ich hatte keine Wahl, weil ich einen Mann geliebt habe, der ihr zum Opfer gefallen ist.

      Ich war über so viele Monate verknallt, und dann ging ein Traum in Erfüllung, als wir endlich zusammengekommen sind. Eine Woche, die sich nach so viel mehr angefühlt hat, vor allem nach einer glücklichen Zukunft.

      Yanis’ Tod hat mich verändert, und das nicht zum Guten. Früher war ich ein Spielball für viele Kerle, sie wollten sich daten, wollten Spaß. Mit Yanis war alles anders, von Anfang an ehrlich und direkt. Und als er gestorben ist, war ich wieder der unsichere Kerl von vorher, der niemandem weh tun will, der nimmt, was kommt, der nicht mehr für sich einstehen kann, weil er sich aus den Augen verloren hat.

      Die Landschaft fliegt an mir vorbei, ich passiere die deutsch-französische Grenze und mache Pause in einem kleinen Städtchen mit zauberhaften kleinen Gassen und altem Kopfsteinpflaster. Doch die Gedanken werde ich nicht los, als ob ich in mir aufräumen muss, bevor ich diesen neuen Lebensabschnitt beginne.

      Und ich kann ehrlich sein, hier mit mir allein.

      Vielleicht zum allerersten Mal.

      Ich wusste sehr genau, dass ich tief drinhing, dass ich längst hätte loslassen müssen. Dann kam David, und ich habe es wirklich versucht. Ich war Feuer und Flamme für ihn, aber ich habe schnell erkannt, dass ich wieder ein schlechtes Händchen bewiesen hatte. Alles war wie vorher, er war auch nicht bereit, zu mir zu stehen.

      Diese eine Woche mit Yanis war so anders. Er hat allen, die ihm wichtig waren, von mir erzählt, wir waren ein Paar, ersichtlich für jeden. Ein Stück Freiheit, von dem ich nicht wusste, dass es mir fehlt, bis ich es verloren hatte.

      David wollte ich eine Chance geben, habe mich von Yanis verabschiedet, habe ihm an seinem Grab erzählt, dass ich ihn loslassen muss, um einen neuen Weg einzuschlagen. Weiterzumachen. Und ich weiß, ich war auf einem guten Weg.

      Schon seit Wochen denke ich darüber nach, warum es nicht funktioniert hat. Warum David mir nicht genug Zukunftsmusik war, warum es sich nicht so angefühlt hat wie mit Yanis. Und ich komme immer wieder zu der gleichen Antwort: Er wärs gewesen.

      Dieses Abenteuer hier, und anders kann man diese Schnapsidee von John ja nicht nennen, ist für mich vor allem eins: Eine Möglichkeit, abzuschließen. Wenn ich herausfinde, dass Yanis wirklich und echt tot ist, dann kann ich vielleicht endlich weitermachen.

      Dann kann ich endlich ich selbst sein.

      Oktober 2017

      ❤

      Hey, ich bin Daniel. Tut mir leid, dass du warten musstest.« Ein braunhaariger, muskulöser Kerl kommt auf mich zu und streckt mir seine Hand entgegen.

      »Gabriel Young, hi!« Ich drücke mich von meinem Auto weg und schüttle Daniels Hand. Er hat einen kräftigen Händedruck. »Macht doch nichts. Ich hätte ja früher anrufen können.« Dass ich erst noch eine halbe Stunde herumgeirrt bin, weil hier nirgendwo eine verdammte Schule zu finden war, und mich dann letztendlich stur auf die GPS-Daten verlassen habe, die mir zugemailt worden sind, erzähle ich ihm nicht.

      »Ich schließe dir auf, dann kannst du dein Auto parken.« Daniel zieht eine Chipkarte aus seiner Hosentasche und lächelt mich an.

      Ich steige in mein Auto und fahre durch das Tor, welches sich gleich wieder hinter mir schließt, und stelle mein Auto in einer großräumigen Tiefgarage ab. Dann nehme ich meinen Koffer.

      Daniel wartet an einer grauen Tür auf mich und liest auf seinem Handy. Er ist ziemlich attraktiv, gut gebaut, er macht sicher viel Sport. Ob er hier Lehrer ist oder nur ein … Wächter?

      »Alle Türen hier öffnen sich nur mit Chipkarte, du wirst eine eigene bekommen, damit du nicht immer wen fragen musst, wenn du mal an dein Auto oder raus willst«, erklärt er mir und schiebt sein Handy in die Hosentasche. »Erfahrungsgemäß fährt man aber nicht oft weg, wenn man nicht unbedingt muss.« Wir gehen durch die Tür zum Fahrstuhl, Daniel drückt auf die 1, und knatternd setzt sich der Lift in Bewegung. »Ich bringe dich für den Bürokram zu Lotta ins Sekretariat, dann zeige ich dir deine Wohnung und deinen Arbeitsbereich und weise dich in alles ein, was du wissen musst. Heute Nachmittag hast du ein Gespräch mit Freya und Tyros.«

      »Äh, okay«, antworte ich, überfordert von seinem Redeschwall. Er grinst mich an, doch da geht schon die Fahrstuhltür auf, und wir stehen in einer riesigen Eingangshalle. Ich halte die Luft an.

      Hohe, steinerne Wände, von meterhohen Pflanzen gesäumt. In der Mitte der Halle befindet sich ein kleiner Brunnen, um den herum zwei breite Treppen nach oben führen. Die Decke ist mit Stuck verziert, durch große Fenster fällt das Tageslicht herein.

      »Beeindruckend, was? Aber freu dich nicht zu früh, es sieht nicht überall so aus.« Daniel lächelt. »Herzlich willkommen im Palast der Träume.« Er breitet die Arme aus. »Das hier ist jetzt dein Zuhause. Ich hoffe, du wirst dich wohlfühlen.«

      Ich atme tief durch.

      Ja. Das hier ist jetzt mein Zuhause.

      Nachdem ich bei einer jungen Frau – Lotta – einige Formulare ausgefüllt und meinen Schlüssel bekommen habe, bringt Daniel mich zu meinem Quartier und unterzieht mich unterwegs einer Kurzanweisung über die Regeln des Palastes.

      »Ich bin in einer halben Stunde wieder da. Komm erst einmal in Ruhe an«, sagt er und zwinkert mir zu. Dann lässt er mich allein.

      Ich stelle meinen Koffer ab und schaue mich um.

      Sie haben mir eine kleine Wohnung zugewiesen. Ich schätze, so wohnen alle hier. Es ist jedenfalls sehr nett, ein kleiner Wohn- und Küchenraum, ein Schlafzimmer, ein Bad. Die Wände sind weiß gestrichen, es gibt genug Schränke und Regale, um mein Zeug zu verstauen oder neues anzusammeln. Ich ziehe einen der luftigen Vorhänge zur Seite und öffne das Fenster.

      Diese Aussicht.

      Sie


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