Kalendergeschichten: Naturgeschichten & Sagen für das ganze Jahr. Anzengruber Ludwig
Wie mit dem Herrgott umgegangen wird
Eine Geschichte mit einigen »Merks«
Es ist eine arge Welt, einer macht's dem andern und der liebe Gott allen zusammen nie recht. Es ist eine hübsche Sache um die Frömmigkeit, aber wenn einer um Sonnenschein und der andere auf dem nämlichen Fleck um Regen betet, da möcht' ich wohl einen dritten zum Herrgott machen und zusehen, was der bei all seiner Allmacht anfinge, um es mit keinem von den beiden zu verderben.
Im Norden sind die Menschen etwas kühler und nehmen's nicht gleich übel, wenn er sich etwas schwerhörig stellt, aber im Süden da sind sie heißblütig und werden sehr ungehalten: da ist es denn für dort eine ganz gute Einrichtung, daß man zwischen Gott und die aufdringlichen Beter die lieben Heiligen eingeschoben hat, die nun freilich für jede unerfüllte Bitte aufkommen müssen.
Wahrhaftig, so ein Heiliger ist nicht zu beneiden und ich möcht' keiner werden; denn abgesehen davon, daß die Erreichung einer solchen hohen Stelle auf der Erde mit manchen Unannehmlichkeiten und Umständlichkeiten verknüpft ist, so muß ja einer im Himmel ganz höllisch aufpassen, daß er tagüber keine Anrufung vergißt, so daß ihm fast keine Zeit bleibt, sich der ewigen Seligkeit zu erfreuen, höchstens zur Nachtzeit, aber solche übernächtige Seligkeit verträgt sich wieder tags darauf spottschlecht mit den Berufsgeschäften, wie manche gar wohl wissen, die gerade keine Heiligen sind.
Ja, es ist eine hübsche Sache um die Frömmigkeit, wenn es nur nicht manche so weit versehen möchten, daß ihr Gebet einer Lästerung auf ein Haar gleicht. Da war einmal eine öffentliche Dirne, die hat einen jungen Menschen zu berücken gewußt, daß er eine Zeitlang zu ihr gehalten hat; nun sind ihm denn doch endlich die Augen aufgegangen und das war ein Glück für ihn, sonst wäre er ja ein verlorener Mensch gewesen, und er hat das Weibsbild verlassen. Aber die Allerweltsliebste war darüber gar sehr betrübt und was thut sie? In die Kirche geht sie und betet zur »allerreinsten Jungfrau Maria«, dieselbe möge ihr das Herz ihres Buhlen wieder zuwenden, damit die unsaubere Liebschaft ihren Fortgang haben könne. Wenn das nicht gelästert ist, dann weiß ich überhaupt nicht, was Beten heißt und sein soll.
Ueber das Stück lacht wohl keiner, dazu ist's nicht angethan und steht nur da, damit man sieht, was manche für Anliegen vor die Heiligen bringen, denn es ist eine wahrhaftige Thatsache und nicht erfunden. Was aber den Heiligen in Welschland begegnen kann, das will auch erzählt werden und darüber könnten sie selber lachen, falls sie es im Himmel nicht verlernt haben.
In Welschland hat selbst der ordinärste Kerl etwas Manierliches und Höfliches an sich, freilich daneben auch heißes Blut; wenn er nun die Fürsprache eines Heiligen oder mehrerer bedarf, so läßt er sich's nicht verdrießen, sie eine geraume Weile recht inbrünstig darum anzugehen; er gibt ihnen vollauf Zeit, alles wohl zu überlegen und ins Werk zu richten; wenn sich das aber ewig lange nicht machen will, da verliert er die Geduld und flucht alle Heiligen in seinen Hut hinein. Das sieht sich aber so an: der unerhörte Beter reißt ingrimmig seinen Filzdeckel vom Kopf, hält ihn halb zugeklappt unterm linken Arm, dann greift er mit der Rechten in die Luft, als ob da die Heiligen unsichtbar herumflögen, nennt zuerst den Namen desjenigen, den er sich besonders durch Fasten und Beten verpflichtet hat, also in diesem Falle den Undankbarsten, krampft die Faust zu, als hätte er eine Hummel gefangen, macht eine Geste gegen den Hut, als würfe er die Hummel – den Heiligen, wollt' ich sagen – in den Filz und drückt rasch hinter ihm den Spalt zu. Den hätte er! Und nun fährt der wütige Kerl fort, mit der Hand in der Luft herumzufingern, schreit mit seinem Fluchmaul nach jedem Heiligen, der ihm beifallen will, und wirft sie einen nach dem andern dem ersten nach, dabei öffnet er vorsichtig nur ein klein wenig den Spalt, damit ihm keiner der früheren neben auswischen kann. Es vergehen keine fünf Minuten, so hat er den Hut voll der schönsten und größten Heiligen, die man im Kalender finden kann, denn billigerweise hält man es mit den Heiligen umgekehrt wie mit den Spitzbuben, wo man die kleinen fängt und die großen laufen läßt.
Nun haben sie es! Da sind sie alle – Gott verzeih es, vielleicht sogar mit lebenden Wesen, die man nicht gerne nennt – in dem nicht zu reinlichen Filz zusammengepfercht. Unser Welscher stolziert eine Weile mit ihnen auf und ab, bis er sich ein wenig abgekühlt hat und wieder zu einiger Besonnenheit kommt. Bewiesen hat er es ihnen, daß er nicht mit sich spaßen lasse, aber es scheint ihm doch nicht geraten, es ganz mit ihnen zu verderben und so fängt er sie denn jetzt Stück für Stück, der Reihe nach, wie er sie hineingeflucht, heraus, denn Ordnung ist in allen Dingen löblich; er nennt sie einen um den andern beim Namen, langt sie mit der Rechten aus dem Hute und gibt sie los, indem er die Hand öffnet, etwa wie um einen gefangenen Vogel in Freiheit zu setzen. Es soll da jeder in dem Punkte ein gutes Gedächtnis besitzen und noch keiner einen Heiligen in Gedanken im Hute stecken lassen haben; möcht' aber doch vorsichtshalber raten, den Hut zum guten Schlusse sacht umzustürzen, damit ein allenfalls Vergessener herausfallen kann.
Das ist toll genug und darüber kann man lachen, und ich hoff's, der Leser hat mir die Freude nicht verdorben und hat darüber gelacht. Trotz dieser unbilligen Behandlung hat man noch nicht gehört, daß die Heiligen einem ein himmlisches Donnerwetter über den Hals geschickt hätten, auch der Herrgott selber hat gleiche Nachsicht mit seinen Geschöpfen, die statt ihm zu dienen, es vielmehr darauf absehen, von ihm bedient zu werden, und es ist das ein Dienst, bei dem er weder auf Lohn noch auf gute Behandlung sehen dürfte; eine dahin einschlägige närrische Geschichte will ich eben erzählen, bemerk' nur vorher, daß aus all dem bisher Gesagten und noch zu Sagenden hervorgeht, was wohl schon manchem im Leben aufgefallen sein mag: daß Gott und alles Heilige, Hohe und Reine Spaß vertragen, die Menschen aber und alles Gemeine, Niedere und Unsaubere keinen! Woher kommt's wohl? Der menschliche Witz gleicht einem jener Spiegel, die man an manchen Orten zur Unterhaltung aufgestellt findet und die so geschliffen und postiert sind, daß sie alles verzerrt zeigen. Laß ein paar bildsaubere Leute Hand in Hand davor hintreten, im Bewußtsein ihrer Wohlgestalt haben sie leicht über das Zerrbild im Spiegel lachen; versuch es aber mit ein paar Häßlichen, die werden sich beleidigt abwenden, denn, ist auch die Verzerrung eine Lüge, die Häßlichkeit bleibt doch Wahrheit, mit der aber steht man in der Welt schon von altersher auf gespanntem Fuße und die Gattung der unangenehmen nennt man Grobheit, wovon wieder die »göttliche« die erschreckendste.
Will nun die Geschichte erzählen, lebte der Mann noch, von dem sie handelt, würde ich es sein bleiben lassen; die Gerichte könnten seine Wunderlichkeit oder Narrheit strafwürdig finden und ich wollte ihn nicht denunziert haben; da er aber schon eine ganz geraume Zeit tot ist und sich allein mit Gott abzufinden hat, so kann ich's ohne Scheu Rede haben, wie er bei Lebzeiten mit demselben umgegangen.
In einem Orte nahe bei Wien, der Hauptstadt Oesterreichs, hielt sich vor vielen Jahren eine Schauspielergesellschaft auf. Diese Leute spielten, so gut sie es eben vermochten, den Inwohnern Komödie vor, schlecht und recht, wie aber allzeit Undank der Welt Lohn ist, so meinten die Zuschauer, es wär' dabei wenig Rechtes, dagegen viel Schlechtes zu sehen gewesen. Es wurde in einer Scheune gespielt, das mag sich allerdings nicht sonderlich hübsch ausgenommen haben, die Rüstungen der biedern Ritter und die Gewandungen der Könige und anderer Großen des Reiches sahen vielleicht auch nicht zum besten aus, war wohl der Pappendeckel der ersteren abgerieben und der Samt der letzteren spiegelte, während der Flitter blind geworden, und es kann ja sein, – weil Kleider Leute machen, – daß die armen Komödianten nicht besser spielten als sie aussahen; aber die Zuseher hätten auch bedenken sollen, wie nieder das Eintrittsgeld war, und daß für wenig nicht viel geboten werden kann, das ist eine alte Wahrheit, seit Handel und Wandel auf der Welt besteht.
Kurz die reicheren Leute im Orte fuhren nach der nahen Hauptstadt, wenn sie eine Komödie sehen wollten, und schickten höchstens ihre Kinder oder Dienstboten noch obendrein auf die billigsten Plätze des Dorftheaters. Schlimm für die armen Teufel von Komödianten, denn einen fixen Gehalt hatten sie nicht, sie teilten unter sich, was eine Vorstellung einbrachte und lebten davon ein paar Tage bis zur nächsten. Das hört sich eben besser an, als es sich in Wirklichkeit macht, denn manchen Abend verschlangen die Kosten den Ertrag und dann war nichts zu teilen.
Das