Die Frau Pfarrerin und andere Heimatgeschichten. Jeremias Gotthelf

Die Frau Pfarrerin und andere Heimatgeschichten - Jeremias  Gotthelf


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dagegen muxte oder Gleiches sich erlaubte, der mußte erfahren, was Freiheit und Gleichheit zu bedeuten habe, und für wen sie daseien auf der Welt. Der Platzkommandant war also zu besänftigen, ihre Zusammenkunft fiel zu gegenseitiger Befriedigung aus, jedoch mit der Erklärung des Kommandanten, daß er das Geschehene nicht ungeschehen machen, sich bloß dahin verwenden könne, daß die Strafe so gelind als möglich sei. Er kenne Fälle, wo solche Vermessenheit Tausenden das Leben gekostet; hier sei es vielleicht anders zu machen, wenn man sich gegenseitig begreife, wozu er gerne behülflich sein wolle.

      Das war ein Morgen für die in Angst getauchten Burgdorferinnen, für die Frauen Ratsherrinnen insbesondere! Wohl hatte man dafür gesorgt, daß von Zeit zu Zeit Bericht kam in die Häuser vom Stand der Dinge oder vielmehr des Rates im Sitzungssaale. Aber eben daher kam so lange nichts Tröstliches, sondern sogar Entsetzliches; die Bürgerinnen munkelten über die trostlosen Ratsherrn, und daß sie nichts Besseres tun könnten, als was David ihnen geraten, und die Frauen Ratsherrinnen erklärten: wenn der David nicht noch heute gehängt würde, so ließen sie sich scheiden und ruhten nicht, bis ihren Abgeschiedenen die Rute gegeben werde wie Kindern und zwar nach Noten.

      Endlich war die lange Sitzung zu Ende. Die Herren liefen eilig heim, voran diejenigen, welche ausgeschossen worden waren, mit dem Platzkommandanten den Franzosen entgegenzureiten und um Gnade zu flehen. Sonst hatten die Frauen Ratsherrinnen viel auf dem Ausgeschossenwerden ihrer Männer; es gab Ansehen, Taggelder und Gelegenheit, den Weibern was heimzubringen auf Stadtkosten. Diesmal aber gab es ein gewaltig Geschrei über den Mann, der sich habe ausschießen lassen, und über die andern, welche ihren Mann immer voranstießen, wenn eine Suppe auszuessen sei, und ihn übergingen, wenn es Gelegenheiten gebe, der Stadt die Rechnung zu machen und den Weibern was heimzubringen. Den Männern selbst war es nicht so recht wohl um das Herz; sie pressierten mit dem Mittagessen, denn ungegessen hätten sie doch gar zu schlotterhaft ausgesehen, und nicht leicht gibt was einen sicherern Halt als eine warme Suppe, ein wacker Stück Fleisch und eine Flasche vom Bessern. Aber den Weibern gings bloß vom Maul, nicht von der Hand; aus lauter Zärtlichkeit schimpften sie die Männer schrecklich aus, und mit dem Essen gings schrecklich langsam. Umsonst sprang der Weibel herum und sagte, der Herr Venner, der weislich nicht ausgeschossen war, ließe bitten, zu pressieren, sonst sei es zu spät, und Gott wisse, was dann gehe. Der Weibel bekam die Antwort: man lasse dem Herrn Venner den Respekt vermelden, und wenn es ihm so pressiere, solle er selbsten gehen, was nichts als billig sei, habe doch sein Lumpenbub, der David, die Suppe eingebrockt.

      Plötzlich tönte Hufschlag auf dem Pflaster, alles schoß an die Fenster: sechs französische Husaren sprengten zum Tore herein mit wehenden Helmbüschen, blitzenden Säbeln, schrecklich zu sehen, und hinter ihnen her trommelte, trompetete, paukte es ganz gräßlich. Da war ein Beben und Zittern, als ob es die letzte Posaune sei und das letzte, schreckliche Gericht vor den Toren. Jetzt war nicht kapituliert, jetzt war das Schrecklichste zu erwarten, jetzt, was machen? Fast wußten viele und gar Ratsherren keinen andern Rat als den welchen der David gegeben hatte. Das trampelte und trommelte, bis eine Brigade zum Tore herein war: schreckliche Menschen, Leute wie Waldteufel. Der Oberst, ein Unteufel von Angesicht, ritt voran; der Platzkommandant war bei der Hand und welschte mit dem Oberst.

      Nun mußte der Venner her und vor. Ach Gott, dem war es übel ums Gemüt, und von seiner sonstigen Majestät brachte er wenig zur Hand; denn Spießruten gejagt und dann gehängt zu werden, das war das Geringste, was er erwartete. Jetzt wäre die Ehre, Venner von Burgdorf zu sein, um wenig feil gewesen, denn die Ehre, gehängt zu werden, sei es auch zur Ehre einer Stadt, gehört just nicht zu den angenehmen. In der Tat, anfangs hatte es auch den Anschein, als sollte das Greulichste geschehen. Der Venner wurde angeblitzt und angedonnert, wie er nie erlebt hatte; die verletzte Majestät der großen Nation sollte auf das fürchterlichste gerächt werden zum Exempel für ewige Zeiten und für Sonne, Mond und Sterne, damit alle wüßten, wer die große Nation sei, und wie sie sich zu wahren wisse. Allgemach begann der Platzkommandant den Blitzableiter zu spielen, übernahm ungefähr die Rolle einer Frau Oberamtmännin von Solothurn: Ein Bernerbauer hatte auf dem Markte zu Solothurn Schweine kaufen wollen, sie schienen ihm aber alle zu teuer; auf dem Heimwege stahl er eines, das schien ihm wohlfeiler. Die Sache ward ruchtbar; er sollte nach Solothurn vor den Richter. Das Ding war ihm nicht recht, denn er war daneben ein angesehener Mann und scheute das Zuchthaus. Er nahm daher eine große Butterballe mit sich, ging damit in die Küche des Oberamtmanns und gab sie ab in die Hände der Frau Oberamtmännin, erzählte seinen Fall und bat, daß sie bei ihrem Herrn zu seinen Gunsten sich verwenden möchte. Sie hieß ihn ins Gerichtzimmer gehen und unbesorgt sein, die Sache werde sich schon machen. Er ging nun, sein Fall kam vor. Sein Gegner tat die Sache dar, schimpfte schrecklich. Als er fertig war, tat sich eine Nebentüre auf, die Frau Oberamtmännin trat herein und sagte, sie wolle den Herrn Oberamtmann gebeten haben, daß er mit dem Manne nicht z'gryßlig verfahre, es sei ihm schreggli laid, sie könne es ihm versichern als eine gewisse Wahrheit. Ja, wenn das so sei, sagte darauf der Oberamtmann, wenn es ihm so schreggli laid sei, so solle er dem Manne das Schwein wiedergeben und etwas für seine Mühe, und dStrof söll ihm für diesmol gschänggt sein, aber hiete söll er sich vor einem andern Mol.

      So ungefähr ging es in Burgdorf. Der Oberst begriff, wie leid es der Stadt sei, und für diesmal wollte er verzeihn, nur mußten die beleidigten Soldaten auch zufriedengestellt werden. Die Truppen wurden also sämtlich einquartiert, mußten gehörig mit Fleisch und Braten traktiert werden. Jeder Soldat mußte bei jedem Essen ein Frankenstück bei seinem Teller finden; so ward die Majestät der großen Nation und die verletzte Bruderliebe gerächt und zwar drei Wochen lang. Die Liebe der Franzosen zu den Burgdorfern wurde derweilen so groß, daß sie von denselben sich gar nicht trennen konnten; sie wären sechs, zwölf Wochen geblieben, ja, sie säßen vielleicht noch dort. Aber damals waren die Trommeln unbarmherzig; sie wirbelten alle Augenblicke zur Trennung, rissen Gatten und Brüder voneinander, Franzosen und Burgdorfer, wirbelten die Franzosen in die Schlacht hinein, wirbelten zur blutigen Trauung mit dem kalten Tode, wirbelten Tausend und abermal Tausenden ins kalte Grab hinein und alles wegen der Liebe zu Freiheit und Gleichheit; denn wo ist man eben gleicher als im kalten Grabe?

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