Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper


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Nur noch ein kleiner Hügel, – und Elisabeth befand sich auf einmal in der Mitte der unsymmetrischen Wohnungen des Dorfes. Die Straße hatte die gehörige Breite, ungeachtet das Auge mit einem Blick Tausende und Zehntausende von Morgen überschauen konnte, die nur von den Tieren des Waldes bewohnt waren. Ihr Vater hatte es indes so gewollt, weshalb sich auch diejenigen, welche ihm hierher gefolgt waren, darein fügten. Erhoben sie sich ja durch einen angelegten Weg mit reißender Schnelle zu dem Zustand des Mutterlandes, wodurch für sie am meisten gewonnen war; denn sicher deutet nichts mehr auf Zivilisation als ein zugänglicher, stadtähnlicher Ort, selbst wenn er in einer Wildnis liegt. Die Breite der Landstraße, denn so nannte man sie, mochte hundert Fuß betragen; aber dessenungeachtet war die Bahn für die Schlitten sehr beschränkt, da zu beiden Seiten hohe Holzhaufen aufgetürmt waren, die sich mit jedem Tage trotz der hohen Feuer, die man durch die Fenster erblickte, eher zu vergrößern als zu mindern schienen.

      Das letzte, was Elisabeth sah, als sie nach ihrem Zusammentreffen mit Richard ihre Reise wieder aufnahm, war die Sonne, wie sie eben den Horizont berührte und, von dem schwarzen Schatten einer Tanne verdüstert, langsam hinter die westlichen Berge hinuntersank. Aber noch ergossen sich ihre Strahlen durch die Berglücken und beleuchteten die schimmernden Birken, bis allmählich deren zarte, glänzende Rinde mit den dunkleren Farben der Gebirgsseite wetteiferte. Der Umriß jeder dunklen Tanne ließ sich weiterhin bis in die Tiefe des Forstes verfolgen, und die Felsen, zu glatt und zu senkrecht, um dem Schnee eine Unterlage zu gewähren, glänzten, als ob sie dem scheidenden Licht zulächelten. Aber mit jedem Schritt, den die Pferde vorwärts taten, bemerkte Elisabeth, daß sie den Tag mehr hinter sich ließ. Wie vermißte sie sogar die kalten, freilich aber auch glänzenden Strahlen einer Dezembersonne, als sie in das eisige Dunkel des Tales hinabglitten! Allerdings weilte das Licht noch auf den Spitzen der östlichen Berge, aber Schritt für Schritt zog es sich mehr von der Erde nach den Wolken zurück, die über den Abendnebeln den Horizont umgrenzten. Nur der gefrorene See lag hell und ungetrübt in der Taltiefe; die Wohnungen wurden bereits schattenhaft und unbestimmt, und die Holzhauer nahmen ihre Äxte auf die Schulter, um sich an dem langen Winterabend des behaglichen Feuers zu erfreuen, das ihrer Mühe seine Nahrung verdankte. Sie blieben nur stehen, um die vorüberziehenden Schlitten zu betrachten, vor Marmaduke ihre Mützen zu lüften oder mit Richard ein vertrauliches Nicken zu wechseln, und verschwanden sodann in ihren Häusern. An jedem Fenster sanken hinter unseren Reisenden die Papiervorhänge nieder, um selbst die leuchtenden Feuer der gemütlichen Stuben gegen jeden Blick von außen zu schützen. Als die Pferde ihres Vaters rasch in das offene Gartentor des Landhauses einfuhren und ihr hinter der jungen entlaubten Pappelallee nichts als die kalten Steinmauern des Gebäudes entgegentraten, da war es Elisabeth, als sei die ganze liebliche Aussicht, die sie vom Gebirge aus gehabt, wie die Schattengestalt eines Traumes verschwunden. Marmaduke hatte, der früheren Gewohnheit treu, das Schlittengeläut von seinen Rossen ferngehalten; aber Herrn Jones’ Equipage, die gerade hinterdrein fuhr, schickte ihr lustiges Klingeln durch jede Ritze des Gebäudes, und in einem Nu war alles im ganzen Hause in Bewegung.

      Auf einer nicht sehr großen steinernen Plattform hatte Richard zusammen mit Hiram vier kleine hölzerne Säulen errichtet, auf denen ein Schindeldach ruhte, – ein einfacher, bedeckter Eingang, welchen Herr Jones Portikus zu nennen beliebte. Zu dieser Plattform führten fünf oder sechs einfach übereinandergelegte steinerne Stufen, die bereits infolge der Kälte aus ihrer symmetrischen Lage gewichen waren. Doch waren dies nicht die einzigen üblen Folgen eines kalten Klimas und einer oberflächlichen Konstruktion; denn mit den Stufen mußte zugleich die Plattform sich senken – ein Umstand, dem es zuzuschreiben war, daß der obere Teil des Machwerkes in der Luft schwebte und die Basis der Säulen ungefähr um einen Schuh von ihrer Unterlage abstand. Zum Glück hatte der Zimmermann, dem die Ausführung des Portals übertragen war, den Himmel dieses klassischen Eingangs so gut an der Seite des Hauses befestigt, daß das Dach, als es von unten nicht mehr gestützt wurde, sogar die Säulen, die es tragen sollten, in der Luft schwebend erhielt. Das bildete allerdings einen unglücklichen Riß in Richards Säulenornament; aber wie das Fenster in Aladins Palast schien er nur vorhanden zu sein, um dem fruchtbaren Genie der Baukünstler ein neues Feld zu öffnen. Auch hier erwiesen sich die Vorteile der zusammengesetzten Ordnung, und es wurde nun eine zweite Ausgabe des Säulenfußes – mit Zusätzen und Verbesserungen, wie die Buchhändler sagen – veranstaltet. Natürlich wurde er größer und mit geeignetem Schnitzwerk verziert; da aber die Stufen zu weichen fortfuhren, so waren zu der Zeit, als Elisabeth in ihres Vaters Haus zurückkehrte, ein paar Keile eingetrieben worden, um die Säulen gerade zu halten und zu verhindern, daß sie sich nicht vermöge ihrer Schwere von dem Dach, das sie unterstützen sollten, trennten.

      Aus der großen Tür, die von dem Portikus ins Haus führte, tauchten zwei oder drei weibliche und ein männlicher Diener auf. Letzterer hatte keine Kopfbedeckung, war aber augenscheinlich sorgfältiger als gewöhnlich gekleidet und zeichnete sich durch seine Figur und seinen Anzug auf eine so eigentümliche Weise aus, daß er wohl eine genauere Beschreibung verdient Er war ungefähr fünf Fuß hoch, ungemein vierschrötig gebaut und hatte ein paar Schultern, die einem Grenadier Ehre gemacht haben würden. Seine kleine Gestalt wurde noch augenfälliger durch eine gebeugte Haltung, die er wohl aus keinem andern Grunde annahm, als um seinen Armen mehr Freiheit zu gestatten, die auf eine eigentümliche Weise hin und her pendelten, wenn ihr Besitzer in Bewegung war. Sein Gesicht war lang, von schöner, feuerrot gebrannter Farbe, mit einer Nase, die wie bei einem alten Mops aufgestülpt war, einem ungeheuern Mund voll schöner, weißer Zähne und ein Paar blauen Augen, welche die ganze Umgebung mit gewohnter Verachtung zu betrachten schienen. Sein Kopf betrug ein volles Viertel seiner ganzen Länge, und der Haarzopf, der hinten herunterfiel, mochte wohl ebensoviel ausmachen. Er trug einen Rock von sehr hellem braunem Tuch mit Knöpfen von der Größe eines Talers, auf denen ein ›unklarer Anker‹ abgeprägt war. Die außerordentlich langen Schöße von entsprechender Breite reichten bis über die Waden hinunter. Unter diesem Kleidungsstück bargen sich eine Weste und Hosen von rotem Plüsch, aber freilich etwas beschmutzt und abgetragen. Auf den Schuhen staken große Schnallen und in denselben weiß und blau gestreifte Strümpfe.

      Diese wunderlich aussehende Figur bezeichnete sich selbst als einen Eingeborenen der Grafschaft Cornwall auf der Insel Großbritannien. Seine Knabenzeit hatte er in der Nachbarschaft der Zinnminen und seine Jünglingsjahre als Kajütenjunge auf einem Schmugglerschiff zwischen Falmouth und Guernsey zugebracht. Aus diesem Gewerbe wurde er in den königlichen Dienst gepreßt und in Ermangelung eines Besseren zuerst als der Bediente und später als der Proviantmeister des Kapitäns in die Kajüte genommen. Hier machte er sich die Kunst zu eigen, das eine und das andere Seemannsgericht zu bereiten, und hatte dabei zugleich, wie er sich selbst rühmte, Gelegenheit, die Welt zu sehen, obschon er in Wirklichkeit, abgesehen von einer Fahrt nach einem oder zwei französischen Häfen und einem gelegentlichen Besuch von Portsmouth, Plymouth und Deal, nicht mehr von der Menschheit erblickt hatte, als wenn er auf einem Esel nach einer seiner heimatlichen Minen geritten wäre. Als er jedoch nach dem Frieden von Dreiundachtzig aus dem Seedienst entlassen wurde, erklärte er, da er nun alle zivilisierten Teile der Erde gesehen habe, auch einmal einen Abstecher zu den Wilden in Amerika machen zu wollen. Wir mögen ihm weder auf seinen kurzen Wanderungen folgen noch untersuchen, was die Auswanderungslust in ihm weckte, zumal diese bekanntlich imstande ist, bisweilen ein zartes Stadtkind zu veranlassen, der Heimat den Rücken zu kehren und bei dem Gebrüll des Niagarafalles anzulangen, ehe noch die Stundenglocken auf dem Bow in London ganz in seinen Ohren ausgeklungen hat, sondern fügen nur noch bei, daß er eines frühen Morgens, noch ehe Elisabeth in die Pension gegeben wurde, seinen Weg in Marmaduke Temples Familie fand, wo er den vielen Fähigkeiten entsprechend, die im Verlauf unserer Erzählung ans Licht treten werden, unter Herrn Jones das Amt eines Majordomo erhielt. Der Name dieses Ehrenmannes war, wie er ihn selbst aussprach, Benjamin Penguillan; nach einer wunderbaren Geschichte jedoch, die er sehr gern zu erzählen pflegte und welcher zufolge er nach Rodneys Sieg sein Schiff durch unablässiges Pumpen rettete, hatte er allgemein den Spitznamen Ben Pump erhalten.

      An Benjamins Seite drängte sich, als sei sie eifersüchtig, ihre Stellung zu halten, eine weibliche Figur von mittlerem Alter vor, deren buntes Kattunkleid mit dem scharfen Schnitt ihrer Züge, einem giftigen Gesichtsausdruck und ihrem hohen, mageren und formlosen Körper in schroffem Gegensatz stand. Die Zähne waren bis auf einige gelbe Überreste dahin, und die Haut ihrer


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