Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
das Äußere der Dame in Augenschein zu nehmen, welche sie nunmehr ihrer Oberherrlichkeit in der Hauswirtschaft berauben sollte. Die Haushälterin fühlte sich nicht wenig betroffen, als nach Beseitigung der Überschuhe, des Mantels, des Oberkleids und der Schals, endlich die große schwarze Kapuze abgelegt wurde und die schwarzen Locken, glänzend wie das Gefieder des Raben, das schöne Haupt und die gewinnenden Züge der jungen Dame umspielten. Nichts konnte schöner und fleckenloser sein als Elisabeths Stirn, auf der sich Frohsinn und Gesundheit ausdrückten. Ihre Nase hätte man eine griechische nennen können, wäre nicht durch eine sanfte Krümmung dem Antlitz an Charakter beigelegt worden, was ihm dadurch an Schönheit benommen wurde. Ihr Mund schien dem ersten Blick nur für die Liebe geschaffen, aber sobald sich dessen Muskeln bewegten, mischte sich der ganze Ausdruck frauenhafter Würde in das leichte Spiel weiblicher Anmut: er sprach nicht für das Ohr allein, sondern auch für das Auge. Ihre Gestalt war von etwas mehr als mittlerer Größe, ein Erbteil ihrer Mutter, und für ihr Alter erschienen ihre Formen ziemlich voll und gerundet. Auch die Farbe der Augen, die gewölbten Brauen und die langen seidenen Wimpern verdankte sie demselben Ursprung, während der Ausdruck des Blicks vom Vater auf sie übergegangen war. Im ruhigen, untätigen Zustand war er sanft, wohlwollend und gewinnend, obgleich er leicht feurig werden konnte, und in solchen Augenblicken mischte sich sogar etwas strenger Ernst in ihre Züge. Als das letzte Halstuch fiel, stand das Mädchen in einem reichen blauen Reitkleid da, das ihre Formen auf das anmutigste umschloß; ihre Wangen glühten wie die Rosen, eine Glut, die durch die Hitze der Halle noch erhöht wurde; die leicht schwimmenden Augen verliehen ihrer gewöhnlichen Schönheit noch mehr Glanz, und jeder Zug ihres sprechenden Antlitzes, unter dem blendenden Schimmer der zahlreichen Kerzen leuchtend, ließ Remarkable fühlen, daß ihre Macht zu Ende war.
Das Geschäft des Ablegens hatte bei allen gleichzeitig stattgefunden. Marmaduke erschien in einem einfachen, aber hübschen schwarzen Anzug; Monsieur Le Quoi trug einen schnupftabakfarbigen Rock, eine gestickte Weste, Kniehosen, seidene Strümpfe und – wie man allgemein glaubte – mit unechten Steinen besetzte Schuhschnallen. Major Hartmanns Anzug bestand aus einem himmelblauen Rock mit großen Metallknöpfen, einer Perücke und Stiefeln, und Herr Richard Jones hatte seine bewegliche kleine Figur in einen flaschengrünen Rock mit kugelförmigen Knöpfen gehüllt, die das Kleidungsstück über dem wohlgerundeten Leib zusammenhielten, oben aber eine Öffnung ließen, damit man die rote Tuchweste, unter welcher er ein mit grünem Samt eingefaßtes, flanellenes Unterleibchen trug, sehen konnte; seine Beine waren mit hirschledernen Hosen und hohen schmutzigen, weißstulpigen Stiefeln nebst Sporen bekleidet, obgleich einer von diesen infolge der kürzlichen Angriffe auf den Schlittenbock etwas umgedrückt war.
Erst als sich die junge Dame aus ihren Oberkleidern herausgewunden hatte, wurde es ihr möglich, um sich zu blicken und nicht nur den Haushalt, dem sie jetzt vorstehen sollte, sondern auch die Art und Weise, wie die häuslichen Einrichtungen getroffen waren, zu mustern. Obgleich sich in der Konstruktion und der Möblierung der Halle viel Unsymmetrisches vorfand, so kannte man doch nichts darin schlecht nennen. Der Boden war bis in die entferntesten Ecken mit Teppichen belegt; die verschiedenen Arten von Leuchtern gehörten zwar nicht zu den modernen und geschmackvollen, waren aber blank und entsprachen ihrem Zweck vollkommen, indem sie den Raum sehr lebhaft erhellten. Im Vergleich mit der draußen herrschenden kalten Dezembernacht übten die Wärme und Helle des Saales einen eigentümlichen Zauber. Ihr Auge hatte noch nicht Zeit gehabt, die kleinen Geschmacksverstöße, die in Wahrheit vorhanden waren, im einzelnen zu entdecken; denn noch streifte es mit Entzücken umher, als es plötzlich durch einen Anblick festgehalten wurde, der einen starken Gegensatz zu den lächelnden Gesichtern und zu den zierlich gekleideten Personen bildete, welche sich zu Ehren der Gebieterin von Templeton versammelt hatten.
In einer Ecke der Halle unfern dem Haupteingang stand der junge Jäger, unbeachtet und für den Augenblick unstreitig vergessen. Aber die Zerstreutheit des Richters, dem unter dem Einfluß einer lebhaften Gemütsbewegung die Erinnerung an die Wunde des Fremden völlig entschwunden war, schien durch die Geistesabwesenheit des Jünglings sogar noch übertroffen zu werden. Er hatte beim Eintreten in den Saal mechanisch seine Mütze abgenommen und zeigte dadurch einen Lockenkopf, der an Farbe und Glanz mit Elisabeths Haaren wetteiferte. Nichts hätte eine größere Veränderung an ihm hervorbringen können als dieser einzige Akt der Beseitigung seiner unscheinbaren Fuchsmütze. Es lag viel Gewinnendes in dem Gesicht des jungen Jägers und sogar etwas Edles in den abgerundeten Umrissen seines Kopfes und seiner Stirn. Die Miene und der Ausdruck dieses stolz über den rauhen und sogar wilden Anzug, der die übrige Gestalt verbarg, hervorragenden Körperteils verkündigten nicht nur Vertrautheit mit einem Glanz, den man in diesen neuen Ansiedlungen für unübertrefflich hielt, sondern schien sogar einige Verachtung über die prunkvolle Umgebung auszudrücken.
Die Hand, in der er die Mütze hielt, ruhte leicht auf Elisabeths kleinem, mit Elfenbein ausgelegtem Piano – eine Stellung, in welcher sich weder bäurische Blödigkeit noch anstößige Dreistigkeit ausdrückte. Nur ein einziger Finger berührte das Instrument, als fühle er sich vor einem solchen heimisch. Sein anderer Arm war der ganzen Länge nach ausgestreckt, und die Hand umfaßte den Lauf seiner langen Büchse mit fast konvulsivischer Kraft. Diese Haltung war eine unwillkürliche und beruhte augenscheinlich auf einem Gefühl, das weit tiefer lag als eine gewöhnliche Verwunderung. Sein Äußeres zeichnete ihn, namentlich um der unscheinbaren Bekleidung willen, ganz vor der geschäftigen Gruppe der übrigen aus, die sich am anderen Ende der Halle hin und her bewegten, um die Ankömmlinge mit Willkommensgrüßen zu empfangen, wie denn auch Elisabeth die einzige zu sein schien, welche ihn beachtete. Die Falten auf der Stirn des Fremden mehrten sich, während sich seine Augen langsam von einem Gegenstand zum anderen bewegten. Für Augenblicke überflog sein Gesicht ein trotziger Zug, der aber dann schnell wieder irgendeiner schmerzlichen Erregung Raum zu geben schien. Er beugte den ausgestreckten Arm, brachte die Hand vor sein Gesicht und ließ den Kopf auf dieselbe sinken, wodurch seine wunderbar sprechenden Züge verdeckt wurden.
»Aber lieber Vater, wir vergessen ganz und gar den fremden Herrn, den wir mitgenommen haben, um ihm Beistand leisten zu lassen, und dem wir jede Aufmerksamkeit schuldig sind«, begann Elisabeth.
Aller Augen wandten sich auf einmal nach der Richtung, wohin die Sprecherin blickte, während der Jüngling, der jetzt etwas stolz seinen Kopf wieder erhob, antwortete:
»Meine Wunde ist nur unbedeutend, und ich glaube, daß Richter Temple gleich nach unserer Ankunft nach einem Arzt schickte.«
»Gewiß«, sagte Marmaduke. »Ich habe ebensowenig den Zweck deines Besuches als den Umfang meiner Verpflichtung außer acht gelassen, junger Mann.«
»Oh!« rief Richard mit einem schalkhaften Seitenblick, »du bist, denke ich, dem Jungen für das Wildbret verpflichtet, das du erlegtest, Vetter Duke. Marmaduke! Marmaduke! das ist eine wunderliche Geschichte mit deinem Bock da. Hier, junger Mann, sind zwei Dollar für den Hirsch, und Richter Templeton kann nicht weniger tun als den Doktor zu bezahlen. Ich will meine Dienste nicht in Rechnung bringen, aber Ihr sollt deshalb nicht schlechter dabei fahren. Ei, Duke, laß dir’s nicht so zu Herzen gehen; wenn du auch den Bock fehltest, so traf dein Schuß doch diesen armen Menschen durch eine Tanne hindurch. Hierin hast du mich, ich gestehe es gerne, ausgestochen; denn in meinem ganzen Leben habe ich nie eine solche Heldentat vollbracht.«
»Und wirst es auch, wie ich hoffe, nie«, entgegnete der Richter, »wenn du dich nicht dem Kummer, den ich erduldet habe, aussetzen willst. Doch sei guten Muts, mein junger Freund; die Verletzung kann nicht bedeutend sein, da du den Arm so frei zu bewegen vermagst.«
»Verschlimmere die Sache nicht, indem du dir herausnimmst, etwas von der Chirurgie zu verstehen«, unterbrach ihn Herr Jones mit einer verächtlichen Handbewegung. »Sie ist eine Wissenschaft, die sich nur durch Übung erlernen läßt. Du weißt, daß mein Großvater ein Arzt war, aber du hast nicht einen Tropfen medizinischen Bluts in deinen Adern. So etwas vererbt sich, und meine ganze Familie väterlicherseits hat etwas von den Kunstgriffen der Heilkunst erwischt. Da war z. B. mein Onkel, der in der Schlacht bei Brandywine fiel – er starb so leicht wie irgendein anderer Mann in dem Regiment, nur weil er seinen Atem kunstgerecht auszuhauchen wußte. Wenige Leute verstehen etwas von der Theorie des Atmens.«
»Ich zweifle nicht, Dick«, entgegnete der Richter, das