Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper


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Miene drückte eher Niedergeschlagenheit aus, als daß sie sich durch die den Eingebornen eigene Haltung bemerklich machte, und seine Kleidung war die gewöhnliche eines Indianers der niederen Klassen. Wie bei den Meisten um ihn her, war auch sein Blick eine Weile zur Erde gerichtet; als er aber endlich einmal seine Augen verstohlen bei Seite sehen ließ und gewahrte, daß er der Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit geworden war, stand er auf und erhob mitten in der allgemeinen Stille seine Stimme: »Es war eine Lüge,« sprach er, »ich hatte keinen Sohn. Er, der mit diesem Namen genannt wurde, ist vergessen; sein Blut war blaß, und kam nicht aus den Adern eines Huronen; die verruchten Chippewas hatten mein Weib bethört. Der große Geist hat gesagt: Wiß-en-tush’s Geschlecht soll enden – Glücklich der, welcher weiß, daß das Verderben in seinem Geschlecht mit ihm stirbt! Ich habe gesprochen.«

      Der Redner, dessen Sohn der feigherzige junge Indianer gewesen war, blickte umher, als wollte er in den Augen der Zuhörer Beifall über seinen Stoicismus lesen. Aber die strengen Sitten seines Volkes hatten dem alten schwachen Manne eine zu harte Probe auferlegt, der Ausdruck seines Auges widersprach seinen bilderreichen, ruhmredigen Worten, während jede Muskel seines mit Runzeln bedeckten Gesichtes vor innerer Qual zuckte. Er blieb noch einen Augenblick stehen, um seinen bittern Triumph zu genießen und wandte sich dann ab, als schauderte er bei dem Anblick der Menschen, verhüllte das Gesicht mit seiner Decke und entfernte sich mit dem geräuschlosen Tritte eines Indianers, um in der Abgeschiedenheit seiner eigenen Hütte die Theilnahme einer Gefährtin zu suchen, alt, kummervoll und kinderlos wie er.

      Die Indianer, welche an eine Vererbung der Tugenden und Fehler des Charakters glauben, ließen ihn stillschweigend hinausgehen.

      Als er sich entfernt hatte, zog einer der Häuptlinge, getrieben von einer zarten Rücksicht, die manche gebildetere Kreise der Gesellschaft anstreben dürften, die Aufmerksamkeit der jungen Krieger von der Schwäche ab, von der sie so eben noch Zeugen gewesen waren, und wandte sich in freundlichem Tone an Magua, den letzten Ankömmling.

      »Die Delawaren sind um mein Dorf geschlichen, wie die Bären nach den Honigkörben. Aber wer hat einen Huronen je schlafend gefunden?«

      Die finstere drohende Gewitterwolke, die dem Donnerschlage vorangeht, ist nicht schwärzer, denn Magua’s Braue war, als er rief:

      »Die Delawaren von den Seen!«

      »Nicht doch. Die, welche Weiberröcke an ihrem eignen Flusse tragen. Einer von ihnen ist durch den Stamm gegangen.«

      »Haben meine jungen Krieger seinen Skalp genommen? –«

      »Seine Beine waren gut, obgleich sein Arm besser für die Hacke als für den Tomahawk taugt,« erwiederte der Andere, auf die unbewegliche Gestalt des Mohikaners deutend.

      Statt mit weibischer Neugierde seine Augen an dem Anblick eines Gefangenen zu weiden, dessen Volk er mit so vielem Grund haßte, rauchte Magua mit der nachdenklichen Miene fort, die ihm eigen war, wenn seine Arglist oder Beredsamkeit nicht unmittelbar in Anspruch genommen wurde. Obgleich über die in der Rede des alten Vaters kundgewordenen Thatsachen insgeheim verwundert, erlaubte er sich doch keine Frage, jede weitere Ausforschung auf eine schicklichere Zeit aufsparend. Erst nach einer geraumen Weile schüttete er die Asche aus seiner Pfeife, nahm den Tomahawk wieder zu sich, zog den Gürtel fester an und stand auf, zum ersten Mal einen Blick auf den Gefangenen werfend, der etwas hinter ihm stand. Der aufmerksame, obgleich scheinbar in Gedanken vertiefte Uncas bemerkte diese Bewegung, wandte sich plötzlich dem Lichte zu und ihre Blicke begegneten sich. Fast eine Minute standen diese kühnen, unbeugsamen Geister einander gegenüber, sich fest in das Auge schauend, und keiner schlug den Blick vor dem stolzen Ausdruck des Gegners nieder. Uncas’ Gestalt hob sich und seine Nasenlöcher öffneten sich gleich denen des verfolgten Tigers; aber so entschieden und unbeugsam war seine Stellung, daß die Einbildungskraft leicht ein treffliches, fehlerloses Abbild der kriegerischen Gottheit seines Stammes aus ihm geschaffen hätte. Die Umrisse der spielenden Züge Magua’s waren geschmeidiger; seine Miene verlor allmählig an Trotz, in einen Ausdruck wilder Freude übergehend; er athmete tief auf, den furchtbaren Namen – »le cerf agile!« – aussprechend. Alle Krieger sprangen auf, als dieser wohlbekannte Name genannt wurde, und eine Weile hindurch wich die stoische Sündhaftigkeit der Eingebornen gänzlich der Gewalt der Ueberraschung. Der Verhaßte und doch geachtete Name ward aus aller Munde wiederholt und ertönte selbst über die Gränzen der Hütte hinaus. Die Weiber und Kinder, welche den Eingang belagerten, nahmen ihn auf wie ein Echo, dem ein schrilles, klägliches Geheul folgte. Dieses war noch nicht verhallt, als die Aufregung unter den Männern sich bereits gänzlich gelegt hatte. Alle Anwesenden setzten sich wieder, als schämten sie sich ihrer Uebereilung: aber noch manche Minute ruhten ihre Augen auf dem Gefangenen, einen Krieger mit neugierigen Blicken prüfend, der so oft an den Besten und Stolzesten ihrer Nation seine Tapferkeit bewährt hatte.

      Uncas genoß diesen Sieg, begnügte sich aber, seinen Triumph durch ein ruhiges Lächeln auszudrücken – ein Zeichen der Verachtung, das allen Zeiten und Völkern eigen ist. Magua gewahrte diesen Ausdruck, erhob seinen Arm und schüttelte ihn gegen den Gefangenen, so daß die leichten Silberzierrathen an seinen Armbändern von der zitternden Bewegung des Gliedes rasselten, während er in rachedrohendem Tone auf Englisch ausrief:

      »Mohikaner, du stirbst!«

      »Die heilenden Wasser bringen die todten Huronen nie mehr an’s Leben,« erwiederte Uncas in der wohlklingenden Sprache der Delawaren; »die rollenden Wogen bespülen ihre Gebeine: ihre Männer sind Weiber, ihre Weiber Eulen. Geh – ruf die Hunde von Huronen zusammen auf, daß sie einen Krieger schauen mögen. Meine Nase ist beleidigt, sie riecht das Blut eines Feigen.«

      Die letzte Anspielung schlug tief und die Wunde brannte. Manche unter den Huronen verstanden die fremde Sprache, in welcher der Gefangene redete: so auch Magua. Der schlaue Wilde nahm seinen Vortheil wahr und eilte ihn zu benützen. Sein leichtes Fell von der Schulter werfend, reckte er seinen Arm aus und ließ seiner arglistigen, verderblichen Beredtsamkeit freien Lauf. Wie sehr auch sein Einfluß durch die unheilvolle Schwäche, der er sich zu Zeiten hingab, und durch seinen Abfall von dem Stamme gelitten haben mochte – sein Muth und sein Ruf als Redner war unbestritten geblieben. Er sprach nie ohne Zuhörer, und selten, ohne daß er Anhänger für seine Meinung gewann. Im gegenwärtigen Falle wurde sein natürliches Talent noch durch den Durst nach Rache gestachelt.

      Er erzählte von Neuem die Ereignisse bei dem Angriff auf der Glenn-Insel, den Tod seiner Genossen und das Entkommen ihrer furchtbarsten Feinde. Dann beschrieb er die Natur und die Umgebung des Erdhügels, wohin er die Gefangenen geführt hatte, die in seine Hände gefallen waren. Seiner eigenen blutdürstigen Absichten gegen die Mädchen und seiner vereitelten Bosheit gedachte er mit keinem Wort, sondern ging rasch zu dem Ueberfall durch la longue Carabine mit seinen Genossen und dessen unglücklichem Ausgang über. Hier machte er eine Pause, und schaute um sich, Ehrfurcht für das Andenken der Gefallenen heuchelnd, in Wahrheit aber, um den Eindruck seiner beginnenden Rede zu beobachten. Wie gewöhnlich waren Aller Augen auf sein Antlitz geheftet, die düstern Gestalten schienen belebte Bildsäulen, so regungslos war ihre Stellung, so gespannt die Aufmerksamkeit jedes Einzelnen.

      Jetzt ließ Magua seine Stimme, die bisher hell, stark, erhoben gewesen war, sinken, und berührte die Verdienste der Gefallenen. Keine Eigenschaft, die auf das Mitgefühl des Indianer Einfluß üben konnte, blieb ungerühmt. Der Eine war als nimmer fehlender Jäger bekannt; ein Anderer war unermüdlich gewesen, die Fährte des Feindes zu verfolgen. Dieser war tapfer, Jener edelmüthig. Kurz, er wußte seine Anspielungen so gut anzubringen, daß es ihm bei einem Volksstamme, der aus so wenigen Familien bestand, gelingen mußte, jede Saite anzuschlagen, die in irgend einer Brust wiederklingen konnte.

      »Sind die Gebeine – so schloß er – meiner jungen Krieger auf dem Begräbnißplatze der Huronen? Ihr wißt es, nein. Ihre Geister sind nach der untergehenden Sonne gegangen und ziehen bereits über die großen Wasser nach den glücklichen Jagdgründen. Aber sie sind hingegangen ohne Nahrung, ohne Büchsen oder Messer, ohne Moccasins, nackt und arm, wie sie geboren wurden. Soll das so seyn? Sollen ihre Seelen in das Land der Gerechten treten, gleich hungrigen Irokesen oder unmännlichen Delawaren – oder sollen sie ihren Freunden begegnen, Waffen in der Hand und Mäntel auf dem Rücken? Was, werden unsre


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