Friedrich Schiller: Philosophische Werke. Friedrich Schiller

Friedrich Schiller: Philosophische Werke - Friedrich Schiller


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übereinstimmenden Ganzen zu machen.

      Wenn nun der Wille Selbständigkeit genug besitzt, dem vorgreifenden Naturtriebe Schranken zu setzen und gegen die ungestüme Macht desselben seine Gerechtsame zu behaupten, so bleiben zwar alle jene Erscheinungen in Kraft, die der aufgeregte Naturtrieb in seinem eigenen Gebiet bewirkte, aber alle diejenigen werden fehlen, die er in einer fremden Gerichtsbarkeit eigenmächtig hatte an sich reißen wollen. Die Erscheinungen stimmen also nicht mehr überein, aber eben in ihrem Widerspruch liegt der Ausdruck der moralischen Kraft.

      Gesetzt, wir erblicken an einem Menschen Zeichen des qualvollsten Affekts aus der Klasse jener ersten ganz unwillkürlichen Bewegungen. Aber indem seine Adern auflaufen, seine Muskel krampfhaft angespannt werden, seine Stimme erstickt, seine Brust emporgetrieben, sein Unterleib einwärts gepreßt ist, sind seine willkürlichen Bewegungen sanft, seine Gesichtszüge frei, und es ist heiter um Aug und Stirne. Wäre der Mensch bloß ein Sinnenwesen, so würden alle seine Züge, da sie dieselbe gemeinschaftliche Quelle hätten, mit einander übereinstimmend sein und also in dem gegenwärtigen Fall alle ohne Unterschied Leiden ausdrücken müssen. Da aber Züge der Ruhe unter die Züge des Schmerzens gemischt sind, einerlei Ursache aber nicht entgegengesetzte Wirkungen haben kann, so beweist dieser Widerspruch der Züge das Dasein und den Einfluß einer Kraft, die von dem Leiden unabhängig und den Eindrücken überlegen ist, unter denen wir das Sinnliche erliegen sehen. Und auf diese Art nun wird die Ruhe im Leiden, als worin die Würde eigentlich besteht, obgleich nur mittelbar durch einen Vernunftschluß, Darstellung der Intelligenz im Menschen und Ausdruck seiner moralischen Freiheit.

      Aber nicht bloß beim Leiden im engern Sinn, wo dieses Wort nur schmerzhafte Rührungen bedeutet, sondern überhaupt bei jedem starken Interesse des Begehrungsvermögens muß der Geist seine Freiheit beweisen, also Würde der Ausdruck sein. Der angenehme Affekt erfordert sie nicht weniger als der peinliche, weil die Natur in beiden Fällen gern den Meister spielen möchte und von dem Willen gezügelt werden soll. Die Würde bezieht sich auf die Form und nicht auf den Inhalt des Affekts; daher es geschehen kann, daß oft, dem Inhalt nach, lobenswürdige Affekte, wenn der Mensch sich ihnen blindlings überläßt, auf Mangel der Würde, ins Gemeine und Niedrige fallen; daß hingegen nicht selten verwerfliche Affekte sich sogar dem Erhabenen nähern, sobald sie nur in ihrer Form Herrschaft des Geistes über seine Empfindungen zeigen.

      Bei der Würde also führt sich der Geist in dem Körper als Herrscher auf, denn hier hat er seine Selbständigkeit gegen den gebieterischen Trieb zu behaupten, der ohne ihn zu Handlungen schreitet und sich seinem Joch gern entziehen möchte. Bei der Anmuth hingegen regiert er mit Liberalität, weil er es hier ist, der die Natur in Handlung setzt und keinen Widerstand zu besiegen findet. Nachsicht verdient aber nur der Gehorsam, und Strenge kann nur die Widersetzung rechtfertigen.

      Anmuth liegt also in der Freiheit der willkürlichen Bewegungen; Würde in der Beherrschung der unwillkürlichen. Die Anmuth läßt der Natur, da wo sie die Befehle des Geistes ausrichtet, einen Schein von Freiwilligkeit; die Würde hingegen unterwirft sie da, wo sie herrschen will, dem Geist. Ueberall, wo der Trieb anfängt zu handeln und sich herausnimmt, in das Amt des Willens zu greifen, da darf der Wille keine Indulgenz, sondern muß durch den nachdrücklichsten Widerstand seine Selbständigkeit (Autonomie) beweisen. Wo hingegen der Wille anfängt und die Sinnlichkeit ihm folgt, da darf er keine Strenge, sondern muß Indulgenz beweisen. Dies ist mit wenigen Worten das Gesetz für das Verhältniß beider Naturen im Menschen, so wie es in der Erscheinung sich darstellt.

      Würde wird daher mehr im Leiden (ðáèïò), Anmuth mehr im Betragen (çèïò) gefordert und gezeigt; denn nur im Leiden kann sich die Freiheit des Gemüths, und nur im Handeln die Freiheit des Körpers offenbaren.

      Da die Würde ein Ausdruck des Widerstandes ist, den der selbständige Geist dem Naturtriebe leistet, dieser also als eine Gewalt muß angesehen werden, welche Widerstand nöthig macht, so ist sie da, wo keine solche Gewalt zu bekämpfen ist, lächerlich, und wo keine mehr zu bekämpfen sein sollte, verächtlich. Man lacht über den Komödianten (weß Standes und Würden er auch sei), der auch bei gleichgültigen Verrichtungen eine gewisse Dignität affektiert. Man verachtet die kleine Seele, die sich für die Ausübung einer gemeinen Pflicht, die oft nur Unterlassung einer Niederträchtigkeit ist, mit Würde bezahlt macht.

      Ueberhaupt ist es nicht eigentlich Würde, sondern Anmuth, was man von der Tugend fordert. Die Würde gibt sich bei der Tugend von selbst, die schon ihrem Inhalt nach Herrschaft des Menschen über seine Triebe voraussetzt. Weit eher wird sich bei Ausübung sittlicher Pflichten die Sinnlichkeit in einem Zustand des Zwangs und der Unterdrückung befinden, da besonders, wo sie ein schmerzhaftes Opfer bringt. Da aber das Ideal vollkommener Menschheit keinen Widerstreit, sondern Zusammenstimmung zwischen dem Sittlichen und Sinnlichen fordert, so verträgt es sich nicht wohl mit der Würde, die, als ein Ausdruck jenes Widerstreits zwischen beiden, entweder die besondern Schranken des Subjekts oder die allgemeinen der Menschheit sichtbar macht.

      Ist das Erste, und liegt es bloß an dem Unvermögen des Subjekts, daß bei einer Handlung Neigung und Pflicht nicht zusammenstimmen, so wird diese Handlung jederzeit so viel an sittlicher Schätzung verlieren, als sich Kampf in ihre Ausübung, also Würde in ihren Vortrag mischt. Denn unser moralisches Urtheil bringt jedes Individuum unter den Maßstab der Gattung, und dem Menschen werden keine andre als die Schranken der Menschheit vergeben.

      Ist aber das Zweite, und kann eine Handlung der Pflicht mit den Forderungen der Natur nicht in Harmonie gebracht werden, ohne den Begriff der menschlichen Natur aufzuheben, so ist der Widerstand der Neigung nothwendig, und es ist bloß der Anblick des Kampfes, der uns von der Möglichkeit des Sieges überführen kann. Wir erwarten hier also einen Ausdruck des Widerstreits in der Erscheinung und werden uns nie überreden lassen., da an eine Tugend zu glauben, wo wir nicht einmal Menschheit sehen. Wo also die sittliche Pflicht eine Handlung gebietet, die das Sinnliche nothwendig leiden macht, da ist Ernst und kein Spiel, da würde uns die Leichtigkeit in der Ausübung vielmehr empören, als befriedigen; da kann also nicht Anmuth, sondern Würde der Ausdruck sein. Ueberhaupt gilt hier das Gesetz, daß der Mensch alles mit Anmuth thun müsse, was er innerhalb seiner Menschheit verrichten kann, und alles mit Würde, welches zu verrichten er über seine Menschheit hinausgehen muß.

      So wie wir Anmuth von der Tugend fordern, so fordern wir Würde von der Neigung. Der Neigung ist die Anmuth so natürlich, als der Tugend die Würde, da sie schon ihrem Inhalt nach sinnlich, der Naturfreiheit günstig und aller Anspannung feind ist. Auch dem rohen Menschen fehlt es nicht an einem gewissen Grade von Anmuth, wenn ihn die Liebe oder ein ähnlicher Affekt beseelt; und wo findet man mehr Anmuth, als bei Kindern, die doch ganz unter sinnlicher Leitung stehen? Weit mehr Gefahr ist da, daß die Neigung den Zustand des Leidens endlich zum herrschenden mache, die Selbstthätigkeit des Geistes ersticke und eine allgemeine Erschlaffung herbeiführe. Um sich also bei einem edeln Gefühl in Achtung zu setzen, die ihr nur allein ein sittlicher Ursprung verschaffen kann, muß die Neigung sich jederzeit mit Würde verbinden. Daher fordert der Liebende Würde von dem Gegenstand seiner Leidenschaft. Würde allein ist ihm Bürge, daß nicht das Bedürfniß zu ihm nöthigte, sondern daß die Freiheit ihn wählte – daß man ihn nicht als Sache begehrt, sondern als Person hochschätzt.

      Man fordert Anmuth von Dem, der verpflichtet, und Würde von Dem, der verpflichtet wird. Der Erste soll, um sich eines kränkenden Vortheils über den Andern zu begeben, die Handlung seines uninteressierten Entschlusses durch den Antheil, den er die Neigung daran nehmen läßt, zu einer affektionierten Handlung heruntersetzen und sich dadurch den Schein des gewinnenden Theiles geben. Der Andre soll, um durch die Abhängigkeit, in die er tritt, die Menschheit (deren heiliges Palladium Freiheit ist) nicht in seiner Person zu entehren, das bloße Zufahren des Triebes zu einer Handlung seines Willens erheben und auf diese Art, indem er eine Gunst empfängt, eine erzeigen.

      Man muß einen Fehler mit Anmuth rügen und mit Würde bekennen. Kehrt man es um, so wird es das Ansehen haben, als ob der eine Theil seinen Vortheil zu sehr, der andre seinen Nachtheil zu wenig empfände.

      Will der Starke geliebt sein, so mag er seine Ueberlegenheit durch Grazie mildern. Will der Schwache geachtet sein, so mag er seiner Ohnmacht durch Würde aufhelfen. Man ist sonst der Meinung, daß auf den Thron Würde gehöre, und bekanntlich lieben Die, welche darauf


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