Friedrich Schiller: Philosophische Werke. Friedrich Schiller

Friedrich Schiller: Philosophische Werke - Friedrich Schiller


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willkürliche Bewegung, wenn sie sich nicht zugleich mit einer sympathetischen verbindet oder, was eben so viel sagt, nicht mit etwas Unwillkürlichem, das in dem moralischen Empfindungszustand der Person seinen Grund hat, vermischet, kann niemals Grazie zeigen, wozu immer ein Zustand im Gemüth als Ursache erfordert wird. Die willkürliche Bewegung erfolgt auf eine Handlung des Gemüths, welche also vergangen ist, wenn die Bewegung geschieht.

      Die sympathetische Bewegung hingegen begleitet die Handlung des Gemüths und den Empfindungszustand desselben, durch den es zu dieser Handlung vermocht wird, und muß daher mit beiden als gleichlaufend betrachtet werden.

      Es erhellt schon daraus, daß die erste, die nicht von der Gesinnung der Person unmittelbar ausfließt, auch keine Darstellung derselben sein kann. Denn zwischen die Gesinnung und die Bewegung selbst tritt der Entschluß, der, für sich betrachtet, etwas ganz Gleichgültiges ist; die Bewegung ist Wirkung des Entschlusses und des Zweckes, nicht aber der Person und der Gesinnung.

      Die willkürliche Bewegung ist mit der ihr vorangehenden Gesinnung zufällig, die begleitende hingegen nothwendig damit verbunden. Jene verhält sich zum Gemüth, wie das conventionelle Sprachzeichen zu dem Gedanken, den es ausdrückt; die sympathetische oder begleitende hingegen wie der leidenschaftliche Laut zu der Leidenschaft. Jene ist daher nicht ihrer Natur, sondern bloß ihrem Gebrauch nach Darstellung des Geistes. Also kann man auch nicht wohl sagen, daß der Geist in einer willkürlichen Bewegung sich offenbare, da sie nur die Materie des Willens (den Zweck), nicht aber die Form des Willens (die Gesinnung) ausdrückt. Von der letztern kann uns nur die begleitende Bewegung belehren.

      Daher wird man aus den Reden eines Menschen zwar abnehmen können, für was er will gehalten sein, aber das, was er wirklich ist, muß man aus dem mimischen Vortrag seiner Worte und auf seinen Geberden, also aus Bewegungen, die er nicht will, zu errathen suchen. Erfährt man aber, daß ein Mensch auch seine Gesichtszüge wollen kann, so traut man seinem Gesicht, von dem Augenblick dieser Entdeckung an, nicht mehr und läßt jene auch nicht mehr für einen Ausdruck seiner Gesinnungen gelten.

      Nun mag zwar ein Mensch durch Kunst und Studium es zuletzt wirklich dahin bringen, daß er auch die begleitenden Bewegungen seinem Willen unterwirft und gleich einem geschickten Taschenspieler, welche Gestalt er will, auf den mimischen Spiegel seiner Seele fallen lassen kann. Aber an einem solchen Menschen ist dann auch alles Lüge, und alle Natur wird von der Kunst verschlungen. Grazie hingegen muß jederzeit Natur, d. i. unwillkürlich sein (wenigstens so scheinen), und das Subjekt selbst darf nie so aussehen, als wenn es um seine Anmuth wüßte.

      Daraus ersieht man auch beiläufig, was man von der nachgeahmten oder gelernten Anmuth (die ich die theatralische und die Tanzmeistergrazie nennen möchte) zu halten habe. Sie ist ein würdiges Gegenstück zu derjenigen Schönheit, die am Putztisch aus Karmin und Bleiweiß, falschen Locken, fausses gorges und Wallfischrippen hervorgeht, und verhält sich ungefähr eben so zu der wahren Anmuth, wie die Toiletten-Schönheit sich zu der architektonischen verhält. Auf einen ungeübten Sinn können beide völlig denselben Effekt machen, wie das Original, das sie nachahmen; und ist die Kunst groß, so kann sie auch zuweilen den Kenner betrügen. Aber auf irgend einem Zuge blickt endlich doch der Zwang und die Absicht hervor, und dann ist Gleichgültigkeit, wo nicht gar Verachtung und Ekel die unvermeidliche Folge. Sobald wir merken, daß die architektonische Schönheit gemacht ist, so sehen wir gerade so viel von der Menschheit (als Erscheinung) verschwunden, als aus einem fremden Naturgebiet zu derselben geschlagen worden ist – und wie sollten wir, die wir nicht einmal Wegwerfung eines zufälligen Vorzugs verzeihen, mit Vergnügen, ja auch nur mit Gleichgültigkeit einen Tausch betrachten, wobei ein Theil der Menschheit für gemeine Natur ist hingegeben worden? Wie sollten wir, wenn wir auch die Wirkung verzeihen könnten, den Betrug nicht verachten? – Sobald wir merken, daß die Anmuth erkünstelt ist, so schließt sich plötzlich unser Herz, und zurück flieht die ihr entgegenwallende Seele. Aus Geist sehen wir plötzlich Materie geworden, und ein Wolkenbild aus einer himmlischen Juno.

      Ob aber gleich die Anmuth etwas Unwillkürliches sein oder scheinen muß, so suchen wir sie doch nur bei Bewegungen, die, mehr oder weniger, von dem Willen abhängen. Man legt zwar auch einer gewissen Geberdensprache Grazie bei und spricht von einem anmuthigen Lächeln und einem reizenden Erröthen, welches doch beides sympathetische Bewegungen sind, worüber nicht der Wille, sondern die Empfindung entscheidet. Allein nicht zu rechnen, daß jenes doch in unserer Gewalt ist und daß noch gezweifelt werden kann, ob dieses auch eigentlich zur Anmuth gehöre, so sind doch bei weitem die mehrern Fälle, in welchen sich die Grazie offenbart, aus dem Gebiet der willkürlichen Bewegungen. Man fordert Anmuth von der Rede und vom Gesang, von dem willkürlichen Spiele der Augen und des Mundes, von den Bewegungen der Hände und der Arme bei jedem freien Gebrauch derselben, von dem Gange, von der Haltung des Körpers und der Stellung, von dem ganzen Bezeugen eines Menschen, insofern es in seiner Gewalt ist. Von denjenigen Bewegungen am Menschen, die der Naturtrieb oder ein herrgewordener Affekt auf seine eigene Hand ausführt, und die also auch ihrem Ursprung nach sinnlich sind, verlangen wir etwas ganz anders als Anmuth, wie sich nachher entdecken wird. Dergleichen Bewegungen gehören der Natur und nicht der Person an, aus der doch allein alle Grazie quellen muß.

      Wenn also die Anmuth eine Eigenschaft ist, die wir von willkürlichen Bewegungen fordern, und wenn auf der andern Seite von der Anmuth selbst doch alles Willkürliche verbannt sein muß, so werden wir sie in demjenigen, was bei absichtlichen Bewegungen unabsichtlich, zugleich aber einer moralischen Ursache im Gemüth entsprechend ist, aufzusuchen haben.

      Dadurch wird übrigens bloß die Gattung von Bewegungen bezeichnet, unter welcher man die Grazie zu suchen hat; aber eine Bewegung kann alle diese Eigenschaften haben, ohne deßwegen anmuthig zu sein. Sie ist dadurch bloß sprechend (mimisch).

      Sprechend (im weitesten Sinne) nenne ich jede Erscheinung am Körper, die einen Gemütszustand begleitet und ausdrückt. In dieser Bedeutung sind also alle sympathetischen Bewegungen sprechend, selbst diejenigen, welche bloßen Affektionen der Sinnlichkeit zur Begleitung dienen.

      Auch thierische Bildungen sprechen, indem ihr Aeußeres das Innere offenbart. Hier aber spricht bloß die Natur, nie die Freiheit. In der permanenten Gestalt und in den festen architektonischen Zügen des Thieres kündigt die Natur ihren Zweck, in den mimischen Zügen das erwachte oder gestillte Bedürfniß an. Der Ring der Nothwendigkeit geht durch das Thier wie durch die Pflanze, ohne durch eine Person unterbrochen zu werden. Die Individualität seines Daseins ist nur die besondre Vorstellung eines allgemeinen Naturbegriffs; die Eigenthümlichkeit seines gegenwärtigen Zustandes bloß Beispiel einer Ausführung des Naturzwecks unter bestimmten Naturbedingungen.

      Sprechend im engern Sinn ist nur die menschliche Bildung, und diese auch nur in denjenigen ihrer Erscheinungen, die seinen moralischen Empfindungszustand begleiten und demselben zum Ausdruck dienen.

      Nur in diesen Erscheinungen; denn in allen andern steht der Mensch in gleicher Reihe mit den übrigen Sinnenwesen. In seiner permanenten Gestalt und in seinen architektonischen Zügen legt bloß die Natur, wie beim Thier und allen organischen Wesen, ihre Absicht vor. Die Absicht der Natur mit ihm kann zwar viel weiter gehen, als bei diesen, und die Verbindung der Mittel zu Erreichung derselben kunstreicher und verwickelter sein; dies alles kommt bloß auf Rechnung der Natur und kann ihm selbst zu keinem Vorzug gereichen.

      Bei dem Thiere und der Pflanze gibt die Natur nicht bloß die Bestimmung an, sondern führt sie auch allein aus. Dem Menschen aber gibt sie bloß die Bestimmung und überläßt ihm selbst die Erfüllung derselben. Dies allein macht ihn zum Menschen.

      Der Mensch allein hat als Person unter allen bekannten Wesen das Vorrecht, in den Ring der Nothwendigkeit, der für bloße Naturwesen unzerreißbar ist, durch seinen Willen zu greifen und eine ganz frische Reihe von Erscheinungen in sich selbst anzufangen. Der Akt, durch den er dieses wirkt, heißt vorzugsweise eine Handlung, und diejenigen seiner Verrichtungen, die aus einer solchen Handlung herfließen, ausschließungsweise seine Thaten. Er kann also, daß er eine Person ist, bloß durch seine Thaten beweisen.

      Die Bildung des Thiers drückt nicht nur den Begriff seiner Bestimmung, sondern auch das Verhältniß seines gegenwärtigen Zustandes zu dieser Bestimmung aus. Da nun bei dem Thiere die Natur die Bestimmung zugleich gibt und erfüllt, so kann die Bildung des Thiers


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