Festländer und Meere im Wechsel der Zeiten. Wilhelm Bölsche
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Wilhelm Bölsche
Festländer und Meere im Wechsel der Zeiten
Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2020
EAN 4064066109271
Inhaltsverzeichnis
Festländer und Meere im Wechsel der Zeiten
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Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde, Stuttgart
Die Gesellschaft Kosmos will die Kenntnis der Naturwissenschaften und damit die Freude an der Natur und das Verständnis ihrer Erscheinungen in den weitesten Kreisen unseres Volkes verbreiten. – Dieses Ziel glaubt die Gesellschaft durch Verbreitung guter naturwissenschaftlicher Literatur zu erreichen mittels des
Kosmos, Handweiser für Naturfreunde Jährlich 12 Hefte. Preis M 2.80;
ferner durch Herausgabe neuer, von ersten Autoren verfaßter, im guten Sinne gemeinverständlicher Werke naturwissenschaftlichen Inhalts. Es erscheinen im Vereinsjahr 1913 (Änderungen vorbehalten):
Dr. K. Floericke, Einheimische Fische. Reich illustriert. Geheftet M 1.– = K 1.20 h ö. W.
Dr. H. Dekker, Vom sieghaften Zellenstaat. Reich illustriert. Geheftet M 1.– = K 1.20 h ö. W.
Dr. Ad. Koelsch, Der blühende See. Reich illustriert. Geheftet M 1.– = K 1.20 h ö. W.
W. Boelsche, Festländer und Meere. Reich illustriert. Geheftet M 1.– = K 1.20 h ö. W.
Dr. A. Zart, Bausteine des Weltalls. Reich illustriert. Geheftet M 1.– = K 1.20 h ö. W.
Diese Veröffentlichungen sind durch alle Buchhandlungen zu beziehen; daselbst werden Beitrittserklärungen (Jahresbeitrag nur M 4.80) zum Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde (auch nachträglich noch für die Jahre 1904/12 unter den gleichen günstigen Bedingungen), entgegengenommen. (Satzung, Bestellkarte, Verzeichnis der erschienenen Werke usw. siehe am Schlusse dieses Werkes.)
Geschäftsstelle des Kosmos: Franckh'sche Verlagshandlung, Stuttgart.
Festländer und Meere
im Wechsel der Zeiten
Von
Wilhelm Bölsche
Mit zahlreichen Abbildungen nach Original-Aufnahmen und Zeichnungen, 6 Karten und einem farbigen Umschlagbild, das 1895 eingestürzte Helgoländer Felsentor: Letge Kark darstellend.
Stuttgart
Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde
Geschäftsstelle: Franckh'sche Verlagshandlung
Copyright 1913 by Franckh'sche Verlagshandlung, Stuttgart
Stuttgarter Setzmaschinen-Druckerei Holzinger & Co.
Es ist oft gesagt worden: der Mensch sei ein Wesen, geboren auf der Wegscheide zweier Welten. Sein Heil sollte hier ruhen oder sein Fluch, je nachdem. Man hat das metaphysisch gesagt; dem wollen wir hier nun nicht nachforschen. Aber gewiß ist, daß es in einem Sinne gesagt werden kann, über den kein Streit der Parteien möglich ist. Als natürliches Wesen gehört dieser Mensch gleichzeitig der Feste an und der Feuchte, dem luftumwehten Lande und der blauen Welle, die den Fuß dieses Landes unablässig umspült. 59 Prozent des lebendigen Menschenleibes in erwachsenem Zustande bestehen aus Wasser. Ein kleiner Pfahlbau über der Feuchte ist jede Zelle darin; ein flüssiger Strom pulst unausgesetzt durch unsern ganzen Körper; und wenn er auch nur für einen Augenblick rastet, so schläft mit ihm unser Höchstes ein, das der Einzelmensch besitzt: der Gedanke. Damit dieser Lebensbronnen in uns sprudele, muß uns ebenso unaufhörlich von außen Wasser zugeführt werden, wir verschmachten in der Wüste unseres Planeten, wir wären dem völligen Untergang geweiht auf einem Monde, wo es kein Wasser gibt. Und doch gehören wir ebenso urverwachsen auch der Feste an. Wir besitzen zu unserer Atmung nicht die Wasserkieme des Fisches, sondern jenes gemeinsame Organ aller oberen Wirbeltiere, das höchstens in der Schwimmblase oder sonst einem luftgefüllten Darmabschnitt der Fische seine Vergleichung findet: die Lunge, die auf die freie Luftatmung eingestellt ist. Nur auf sie eingestellt ist; denn wenn wir mit dieser Stelle unseres Leibes in die einheitliche Wassertiefe versenkt werden, so erlischt das Leben nach unabänderlichem Gesetz ebenso, wie wenn man uns sonst das Wasser ganz entzöge. Und kein Zweifel auch, daß der Bau unserer Gliedmaßen wie unserer Sinnesorgane diesem Dasein auf der Feste, auf dem Lande, wo nur die freie Luft weht, entspricht. An dieser freien Luft hängt wieder das Höchste, das in unserer Kultur Mensch mit Mensch verknüpft hat: unsere Sprache. An dieser Feste, ob sie nun naturgegründet aus den Wassern rage oder von uns erst als Pfahlbau oder tragende Schiffsplanken darauf gelegt wurde, haften seit alters alle unsere stofflichen Kulturhilfen: unsere Werkzeuge und unser Haus, hier brennt das Feuer, das uns groß gemacht, hier gehen aus Stein und Metall die Waffe und die Axt hervor, die uns zum Herrn der Erde erhoben haben.
Wasser und Land, Erdteile und Meere: – die große Zweiheit, in die wir nach unserm Schicksal untrennbar hineingeboren sind.
Wer aber zweien Herren angehört, der hat vielleicht einen doppelten Schutz, doch er hat auch eine doppelte Sorge. Immer muß er bedacht sein, daß diese beiden Gewaltigen über ihm sich gegenseitig die Wage halten, daß nicht der eine gegen den andern plötzlich verderbenbringend sein Machtbereich verändere und ausdehne. Und so ist das Bangen der Völker seit uralten Tagen hinter der Frage gewesen: ist der Bestand des Festlandes und des Wassers auf der Kulturerde ein dauernder, ein geregelter, mit dem wir uns einrichten können; ist die Besitztafel, die Karte, die dieses Verhältnis wiedergibt, ein grundlegende Dokument für die Ewigkeit; oder fließen diese Dinge selbst, wandeln sich im Laufe der Zeiten oder stürzen gar gelegentlich in furchtbaren Katastrophen, den Ort wechselnd, durcheinander …?
Es ist bezeichnend für die Geschichte der Menschheit, daß sie durchweg die Hauptangst dabei vor einer Verschiebung zugunsten des Wassers gehabt hat. In seiner entlegenen Ahnenschaft ist ja wohl der Mensch auch einmal ein echtes und rechtes Wassertier gewesen. Aber schon früh war sein natürlicher Stammbaum dauernd auf dem Lande weitergewachsen. Als er im engeren Sinne als »Mensch« begann, als die »Kulturgeschichte« begann, da stand er recht eigentlich mit beiden Beinen auf diesem Lande. Von Anfang an hat es ihn ziemlich gnädig behandelt, dieses Land. Der Kulturmensch ist nicht als durstendes Kind der Wüste aufgewachsen. Das erste halbwegs deutliche Stück Kulturgeschichte, das wir kennen, geht noch durch den letzten Teil der sogenannten Diluvialzeit und ihre Nachwehen. Das war eine Zeit auffällig feuchtkühlen Klimas. Verbarrikadierte es eine Weile die gemäßigten Nordgebiete mit Eis, so wirkte es umgekehrt weiter südlich als eine große Regenperiode, die auch heute trockene Länder dort sehr fruchtbar gehalten haben muß, was für die ältere Kulturgeschichte wahrscheinlich von der allergrößten