Auf phantastischen Pfaden. Группа авторов

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      Die Erkenntnis ließ mich in der Gluthitze frösteln. Wir befanden uns in der Zukunft. Hatte uns der unsichtbare Vorhang in eine zukünftige Welt geführt?

      Ich blickte mich nach Halef um, der abwartend hinter mir stand. Es gab nur einen Weg! Wir mussten zu der Stelle zurück, wo die Wagenspuren begannen, um dieser seltsamen Fata Morgana zu entkommen!

      Wie zur Bekräftigung meiner Fluchtgedanken war jetzt über uns ein dröhnendes Geräusch zu hören. Zwei ungeheure fliegende Maschinen, die aussahen wie riesige Heuschrecken, donnerten über unsere Köpfe hinweg und gingen in rund fünfzig Metern Entfernung in einer wirbelnden Sandwolke zu Boden. Halef war beim Anblick der fliegenden Ungeheuer bereits auf sein Pferd gesprungen und losgeprescht, und ich tat es ihm nun gleich. Aus dem Augenwinkel sah ich noch, wie vier Gestalten aus der Sandwolke gerannt kamen.

      In gestrecktem Galopp erreichten wir das Ende des Spiegelfeldes und den Spinnwebenvorhang. Dann waren wir draußen und unsere Pferde wieherten vor Aufregung. Erst nach einem schnellen Ritt über rund zwei Kilometer wagte ich mich umzublicken.

      Die Fata Morgana war verschwunden!

      Erleichtert stiegen wir ab und ließen unsere Tiere ausruhen.

      Durch die Wüste ritten wir dann gleichentags weiter nach Seddada. Am nächsten Tag führte uns Sadek, ein Freund von Halef, über den lebensgefährlichen Schott el Dscherid.

      Thomas Le Blanc

      Merhamehs Tochter

      Wer ihr Vater war, wusste sie nicht. Natürlich war auch ihr das Gerücht zu Ohren gekommen, dass, als der greise Kara ein letztes Mal in Ardistan gewesen war, er sich vom Liebreiz Merhamehs hätte verzaubern lassen. Aber ihre Haut war zu dunkel, um Nemsi-Blut in sich zu haben. Sie war wohl eher der Spross eines arabischen Scheik oder eines persischen Mirza, den Merhameh nicht nur mit Worten besiegt hatte und der dann erfahren hatte, dass Frieden stets mit Liebe zu besiegeln ist.

      Merhameh war bei der Geburt ihrer Tochter gestorben, und so hatte man den Säugling wiederum Merhameh getauft – in der Erwartung, dass das Mädchen die Stärke der engelsgleichen Mutter in sich tragen würde. Die Stärke und die Fähigkeit jener unvergleichlichen Frau, die mit bloßen Worten die erbittertsten Feinde zur Versöhnung bewegen konnte, deren Blick kein Hass standhielt, deren sparsame Gesten stärker waren als jedes Gewehr und jedes Schwert.

      Als nun die ersten Orks aufgetaucht waren, eingewandert von Ard nach Ardistan, da rief man sie deshalb, obschon sie erst sieben Jahre alt war.

      „Geh zu deinem Dunklen Herrn zurück und sag ihm, dass in unserer Welt kein Platz für euch und euresgleichen ist.“ Mit diesen Worten trat sie vor den gewaltigen Ork, der an der Grenze ihres Landes aufragte und es nun mit Krieg und Terror überziehen wollte.

      Ein siebenjähriges Mädchen, kaum größer als ein Halbling, mit hüftlangen braunen Haaren und einem leisen Stimmchen, das in Kontrast zur Kraft seiner Worte stand. Das Mädchen verschwand fast vor der Masse des zottigen, acht Fuß hohen und dreihundert Pfund schweren Monsters, dessen grollende Stimme wie ein unterirdischer Donner klang. Einer verständlichen Sprache war der Ork nicht mächtig, er gab lediglich gutturale Laute von sich, die in tiefem Bass drohten, die jeden Gegner niederbrüllten, die angriffen und vernichteten, die namenlose Angst verbreiteten: die Urangst vor dem Bösen.

      Doch nicht bei dem Mädchen, das unverrückbar vor dem Monster stand und sich nicht beeindrucken ließ. „Geh wieder“, wiederholte es. „Verlass unsere Welt wieder.“ Merhamehs Stimme war um keinen Grad lauter geworden, aber jedem Zuschauer schien es, als ob ein rosiger Äther um die Gestalt entstanden war.

      Mit einem einzigen Fußtritt hätte der Ork das Mädchen zerschmettern können, seine mächtigen Hände hätten den kleinen, zarten Körper mühelos zerreißen können, und der Kopf des Kindes wäre mit einem einzigen Zubeißen zwischen den mächtigen Hauern in seinem Schlund verschwunden.

      Doch er griff nicht an. Er brüllte noch einmal, doch diesmal bereits merklich kraftloser.

      Merhameh bewegte sich zunächst nicht, nur ihr lang herabwallendes Haar spielte im leichten Wind. Dann hob sie die Hand in einer sanften, aber unnachgiebigen Abwehrgeste.

      Dass jemand keine Angst vor ihm hatte, machte das Monster plötzlich schwach und hilflos. Seine schwarzgraue Haut wurde blass und fahl, Haare und Horn weichten auf, der Körper verlor an Konsistenz, wurde milchig, schließlich durchsichtig und leicht wie verfliegender Rauch. Dann war er weg. Und einen Augenblick später verschwand auch sein Schatten.

      Merhamehs Tochter drehte sich nun um zu denen, die sie gerufen hatten. „Da das Böse allein von der Angst lebt, ist es auch einfach zu besiegen“, sagte sie. „Indem man ihm ohne Angst entgegentritt und nicht weicht. Wenn man das weiß, ist es ganz leicht.“

      Jacqueline Montemurri

      Das Vermächtnis des Kara

      „Es selâm ’alejkum! Darf ich mich ans Feuer setzen?“, fragte ich die Gesellschaft.

      Der flackernde Schein beleuchtete sonnengegerbte, zerfurchte Gesichter. Die hellen Turbane leuchteten im Dunkel der Wüstennacht. Einer der Araber erhob sich. Er war recht klein und dürr. Sein nicht mehr weißer Burnus war sichtlich für einen viel größeren Mann gefertigt. Ein paar Fasern am Kinn und einige Spinnfäden rechts und links der Nase deuteten wohl einen Bart an, der die Lippen frei ließ, die sich nun zu einem freundlichen Lächeln verzogen. Mit der Hand beschrieb er eine einladende Geste.

      Ich nickte dankend und setzte mich ans wärmende Feuer. War die Wüste bei Tage ein brennender Glutofen, so war es des Nachts sehr kalt unter dem leuchtenden Sternenband.

      „We ’alejkum es selâm!“, antwortete nun der Araber. „Wer seid Ihr?“

      „Mein Name ist Albin Wadenbach.“

      Jemand bot mir einen Korb mit Datteln. Ich nahm einige in die Hand und reichte ihn weiter. Die Kamele der Reisenden lagerten nahe der Wasserstelle und ich konnte ihr Schnauben und Brummen hören.

      „Was führt Euch durch dieses Land, Sihdi?“, fragte mich der Bärtige. Seine Augen funkelten wissbegierig im Licht des Lagerfeuers.

      „Ich bin Reporter und schreibe einen Reisebericht über den Orient“, antwortete ich.

      „Oh. So kommt Ihr aus dem Abendland?“

      „Ja. Das ist wahr ... Und wohin führt Euer Weg?“

      Der Mann steckte sich eine Dattel in den Mund und begann bedächtig zu kauen. Dann antwortete er: „Wir bringen Waren von Bagdad nach Stambul.“

      Ich blickte ins Feuer. Die Auskunft kam mir seltsam vor, denn diese Oase hier lag gewiss nicht auf der beschriebenen Route. Doch hütete ich mich, einen Verdacht laut zu äußern. Ich kannte diese Leute nicht und war lieber vorsichtig.

      „Habt Ihr, Sihdi Wadenbak, schon Berichtenswertes erlebt?“ Das Männchen stopfte sich wieder eine Dattel in den Mund. Seine Gefährten saßen still daneben und lauschten unserem Gespräch.

      „Ich weiß nicht“, gestand ich leise, „ob es berichtenswert ist. Doch ich hatte vor wenigen Tagen eine seltsame Begegnung.“

      „Oh, wenn es Euch gefällt, so erzählt uns davon. Wir lauschen gern seltsamen Geschichten. Dies verkürzt uns die Nacht.“

      Nun stopfte ich mir meinerseits eine der süßen Datteln in den Mund, um Zeit zu gewinnen, und kaute lange auf ihr herum. Ich überlegte, wo ich beginnen sollte.

      Die Wasser des Nils ließen das Schiff kaum merklich hin- und herschwanken. Die Segel waren gebläht. Die Frau stand an der Reling und blickte zurück nach Süden. Seit wir in Luxor abgelegt hatten, hatte sie sich kaum von der Stelle bewegt. Ich wusste, dass sie in Begleitung ihres Gatten und eines befreundeten Ehepaares war. Vielleicht war es unschicklich, sie anzusprechen, doch ihr betrübter Blick rührte mich zutiefst. Zumal ich wusste, dass ihre Gesellschaft Landsleute von mir waren.

      „Darf ich mich vorstellen?“, begann ich zögerlich.


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