Dr. Norden Extra Box 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
dich geschickt?«
»Ganz so ist das nicht, aber ich wollte ihr helfen, dich zu finden.«
»Wußte sie denn nicht, wo wir sind?«
»Nein, das wußte sie leider nicht.«
»Daddy hat mir nicht erlaubt, sie anzurufen. Wie heißt du doch gleich?«
»Julian, und ich möchte dein Freund sein.«
»Da wird Daddy erst recht wütend. Zuletzt war er nämlich nicht mehr so lieb zu mir.«
»Bist du deshalb aus dem Hospital weggelaufen, Laura?«
»Ich habe gehört, wie zwei Frauen sich unterhalten haben. Sie haben schlecht über Victor Santorro geredet, so heißt mein Dad. Da hatte ich Angst, daß er mich nicht zu Mummy bringt und ich wollte sie suchen. Aber leider kenne ich mich nicht aus. Wo ist Mummy?«
»In München.«
Laura riß die Augen ganz weit auf.
»Sie hat mir von München erzählt. Sie wollte mich dorthin mitnehmen, aber dann kam Dad und hat mich mitgenommen nach Jamaika. Eigentlich sollten wir nicht solange bleiben, aber er hat immer geredet, daß ich es bei ihm besser habe. Das stimmt aber nicht. Er hatte damals ja auch gesagt, daß Mummy mir weh tun würde, das hat auch nicht gestimmt. Jetzt habe ich Angst vor ihm. Paul ist nämlich auch gemein.«
»Du brauchst keine Angst zu haben, Laura. Du bist bei mir, und bald wird deine Mummy bei uns sein.«
»Aber München ist sehr weit weg. Sie hat es mir auf der Karte gezeigt.«
»Mit dem Flugzeug kann sie bald hier sein. Wir werden sie morgen anrufen.«
»Warum nicht gleich?«
»Weil dort tiefe Nacht ist, und sie würde sehr erschrecken. Wir müssen uns ja auch noch über sehr viel unterhalten.«
»Darf ich auch fragen?«
»Natürlich darfst du fragen.«
»Dad konnte das nicht leiden.« Sie war nun schon dazu übergegangen, nicht mehr Daddy zu sagen, sondern nur Dad. Er nahm es als Zeichen, daß sie kritisch gestimmt war. Seine Gedanken wanderten jetzt aber zu Jessica. Wie mochte sie diesen Tag verbracht haben, der hier soviel verändert hatte?
*
Jessica hatte nichts davon gewußt, daß sich schon alles zum Guten veränderte. Sie hatte nur gehört, daß man Victor festgenommen hatte und Laura verschwunden war. Das hatte sie in völlige Verzweiflung gestürzt, und sie hatte sich am Abend zu den Nordens geflüchtet, weil sie nicht mehr ein noch aus wußte.
»Ich kann doch sonst mit niemandem reden, da Julian weg ist«, sagte sie unter Tränen.
»Wir haben doch gesagt, daß Sie jederzeit zu uns kommen können, Jessica«, sagte Fee herzlich, und langsam beruhigte sich Jessica. Freilich hatte sich auch Fee aufgeregt, als sie gehört hatte, daß Laura verschwunden war, angeblich entführt wurde, wie nach hier gemeldet worden war.
Dann sagten sie Jessica, daß Julian an Ort und Stelle sei und alles in die Hand nehmen würde.
»Er hat mir davon nichts gesagt«, meinte Jessica verwirrt.
»Er wollte wohl keine falschen Hoffnungen in Ihnen wecken und sich erst melden, wenn er Erfolge vorweisen konnte«, meinte Daniel. »Es kann doch sein, daß Santorro das Kind versteckt hat, als er merkte, daß man ihm auf die Schliche gekommen ist. Jedenfalls erscheint er den Behörden dort drüben auch nicht mehr glaubwürdig.«
»Und wenn man Laura etwas antut?« schluchzte Jessica.
Es war schwer, Trost zu spenden, wenn man selbst Befürchtungen hegte, aber dann kam die Nachricht aus dem Klinikum, daß Kollberg nach dem Gespräch mit Inspektor Brauer einem Herzversagen erlegen sei.
Nun hatten sie ein anderes Gesprächsthema. Jessica erzählte von ihrem Besuch bei ihm.
»Es kann ja sein, daß er sich aufgeregt hat, weil ich so deutlich sagte, was ich von ihm halte«, sagte sie, »aber ich bedauere es nicht.«
»Er hat Inspektor Brauer kommen lassen nach Ihrem Besuch«, erklärte Daniel. »Er scheint ein volles Geständnis abgelegt zu haben. Anscheinend ist es ihm doch nahe gegangen, daß Santorro so skrupellos Ihnen gegenüber war.«
»Er wußte, wo ich war, und er hätte einen persönlichen Kontakt zu mir aufnehmen können, wenn ihm wirklich Zweifel in bezug auf Victor gekommen wären. Nein, da hatten sich zwei gefunden, die sich ähnlich waren und nur raffen wollten, was möglich war. Ich sehe das ganz nüchtern. Ich wurde von Kollberg an Santorro verkuppelt, damit sich beide auf meine Kosten bereichern konnten. Ich war ein dummes, unerfahrenes Mädchen, das auf einen charmanten Nichtsnutz hereingefallen ist. Ich schäme mich, wenn ich daran denke, wie himmelhochjauchzend ich in diese Ehe gegangen bin, und wie lange es gedauert hat, bis ich merkte, daß ich nur benutzt wurde. Was mir da drüben auch angetan wurde, ich habe mich selbst absolut lächerlich gemacht.«
»Denken Sie das doch nicht, Jessica«, sagte Fee sanft. »Sie haben eben eine ganz andere Mentalität. Resignieren Sie bitte nicht. Sie werden bestimmt bald Nachricht von Julian Vreden bekommen. Ihm können Sie vertrauen.«
Wenn sie da wenigstens schon eine Ahnung gehabt hätte, was er alles in die Wege geleitet hatte, um Laura zu finden. Daniel und Fee waren in großer Sorge um sie, als sie sich verabschiedete und zurück zum Hotel fuhr. Fee rief Nadine Sontheim an und bat sie, ein Auge auf Jessica zu haben.
»Sie wird hier erwartet«, sagte Nadine, »Leslie Howard-Janson ist angekommen. Und eben sehe ich, wie Jessica das Hotel betritt. Macht euch keine Sorgen.«
*
Konsterniert sah Jessica Leslie an, die blendend aussah. »Bist du das wirklich?« fragte sie ungläubig.
»Ich konnte leider nicht früher kommen, Jessi-Darling. Was bin ich froh, dich zu sehen. Bist du endlich dieser Hölle entkommen?«
Ihr sah man es an, daß es ihr bedeutend besserging als in Beverly Hills. Sie wollte davon auch gar nichts mehr wissen.
»Mr. Vreden ließ mir mitteilen, wo ich dich finden kann«, erklärte sie. »Du hast ja anscheinend schon die allerbesten Beziehungen.«
»Was ich dir erzählen kann, wirst du kaum glauben, Leslie. Ich weiß jetzt, warum man dich und mich voneinander fernhalten wollte. Es hätte ja schon damals aufkommen können, wie ich betrogen werde.«
»Ich habe es nicht mehr ausgehalten mit Paul. Ständig war er betrunken und mit diesen Flittchen zusammen. Und ich wußte auch von Victors Verhältnis mit Audrey. Du hast mir so leid getan, aber ich dachte auch, daß du mir nicht glauben würdest, wenn ich dir alles sage, was ich weiß. Jetzt denke ich schon, daß es besser gewesen wäre, aber es bot sich ja auch keine Gelegenheit.«
»Julian hat mir erzählt, daß du in England filmst. Du hast anscheinend Karriere gemacht.«
»Ich bin nicht erpicht darauf, aber ich bin gut beschäftigt. Das ist auch was wert. Ich filme unter dem Namen Jansen, mein Geburtsname. Und ich hoffe nur, daß es Paul nicht erfährt, wenn es ihm dreckiggeht. Aber er hat mir ja sowieso nichts zugetraut. Für ihn war ich nur ein Fußabtreter, weil ich ein armes Mädchen war, als wir uns kennenlernten. Du warst ein reiches Mädchen, Jessi.«
»Und wurde auch mit Füßen getreten, Leslie. Ich konnte mich nicht mal wehren.«
Blankes Entsetzen stand in Leslies Augen, als sie nun alles erfuhr, was sich seit ihrer Flucht aus Beverly Hills abgespielt hatte.
»Und niemand hat dir geholfen?« fragte sie heiser.
»Wer denn schon? Du weißt, wie überzeugend Victor sein konnte. Schließlich glaubte ich schon selbst, daß ich nicht mehr bei Verstand bin. Am schlimmsten war, daß er Laura gegen mich aufhetzte, daß sie Angst vor mir hatte, als ich aus dem Sanatorium kam.«
»Aber das hat sich doch gelegt?«
»Ja, es war bald wieder alles gut, und ich wollte