An einem einsamen Ort - Ein Schweden-Krimi. Mari Jungstedt

An einem einsamen Ort - Ein Schweden-Krimi - Mari  Jungstedt


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können, und Johan merkte deutlich, dass Grenfors in Stockholm ungeduldig wurde.

      Als das Telefon klingelte, meldete er sich ohne große Begeisterung.

      Es war seine Kollegin, und ihre Stimme klang eifrig. Er hörte, dass sie aus dem fahrenden Auto anrief.

      »Du, auf einer Koppel ist ein enthauptetes Pferd gefunden worden.«

      Pia hatte die Angewohnheit, einleitende Grüße zu überspringen, sie hielt solche Floskeln für unnötig, vor allem, wenn sie es eilig und etwas Wichtiges auf dem Herzen hatte.

      »Wann denn?«

      »Heute Morgen. Zwei kleine Mädchen haben es auf einer Weide draußen bei Petesviken gefunden. Weißt du, wo das liegt?«

      »Keine Ahnung.«

      »An der Südwestküste – sicher an die sechzig Kilometer von der Stadt entfernt.«

      »Wie hast du das erfahren?«

      »Da wohnt eine Freundin von mir. Sie hat mich angerufen.«

      »Wem gehört das Pferd?«

      »Einer ganz normalen Bauernfamilie.«

      »Am besten fahren wir sofort hin. Wie schnell kannst du hier sein?«

      »Ich bin schon unterwegs.«

      Johan legte auf und wählte dann Kommissar Knutas’ Durchwahl. Dort meldete sich niemand, und die Telefonzentrale der Wache konnte mitteilen, dass den ganzen Vormittag über niemand zu erreichen sein würde.

      Ein enthauptetes Pferd, das war doch der pure Wahnsinn, aber es war auch genau das, was er brauchte. Er schnappte sich Block und Kugelschreiber und schloss die Tür der Redaktion ab. Er beschloss, Grenfors in Stockholm noch nicht anzurufen, er fand es gar nicht schlecht, den Chef ein bisschen schwitzen zu lassen.

      Er sass in der Küche und überlegte sich, wie deutlich ein Raum sich verändern konnte, je nachdem, wer sich dort aufhielt und was sich dort abspielte. Die Schwermut, die früher von den Wänden ausgestrahlt worden war, und Schuld und Schande, die von der Decke her über ihn hereingebrochen waren, waren verschwunden. Früher rückten die Wände aufeinander zu und bedrohten ihn, wenn er auf seinem Platz saß, der immer derselbe war. Was auf dem Tisch stand, brachte keine Freude und keinen Genuss, sondern blieb ihm einfach im Hals stecken. Ein Teller voller Angst, versteckt unter brauner Soße.

      Das war anders, jetzt, wo er machen konnte, was er wollte. Er machte sich ein ordentliches Frühstück, seine morgendlichen Anstrengungen forderten ihren Tribut.

      Vor ihm auf dem Teller lagen drei dicke Scheiben Toast mit Wurstscheiben und vor Fett triefenden Spiegeleiern. Er bedeckte alles mit reichlich Ketchup, Salz und Pfeffer. Die Katze miaute hungrig und rieb sich an seinen Beinen. Er warf ihr eine Wurstscheibe zu.

      Die Wanduhr zeigte Viertel von zehn. Durch das verstaubte Fenster sah er, wie die Sonne den Hofplatz überflutete. Er aß mit gutem Appetit und trank dazu kalte Milch. Als er damit fertig war, schob er den Teller zurück und rülpste geräuschvoll. Ließ sich auf dem Stuhl zurücksinken und schob sich einen Priem unter die Oberlippe.

      Er war müde, seine Arme schmerzten. Es war anstrengender gewesen, als er erwartet hatte. Zwischendurch hatte er fast geglaubt, es nicht zu schaffen. Am Ende war es dann doch gelungen. Die Nachbearbeitung hatte auch ihre Zeit gebraucht, aber jetzt war das alles überstanden.

      Er erhob sich, nahm den Teller und spülte unter dem Wasserhahn sorgfältig die Essensreste ab. Plötzlich fühlte er sich sehr müde, er musste sich hinlegen und schlafen. Er ließ die Katze aus dem Haus, sie verschwand lautlos. Dann stieg er die knarrende Treppe in die erste Etage hoch zu seinem Schlafzimmer, das ganz hinten auf der Querseite lag. Nach dem Brand war es nie wieder hergerichtet worden. Die Wände zeigten noch immer Rußflecken, und sogar das ausgebrannte Brett lag noch wie ein Haufen verkohlten Abfalls in der Ecke. Den Brandgeruch konnte er auch jetzt noch ahnen. Auf dem Boden lag eine alte Matratze, auf der er sich ausstreckte. Er fühlte sich wohl in diesem Zimmer, es war eine Ruhe, die er an keinem anderen Ort empfand, und er schlief sofort ein.

      Knutas musste immer wieder darüber staunen, wie rasch sich eine Nachricht verbreitet. Vertreter von Lokalradio, Fernsehen und Zeitungen hatten sich bereits bei ihm gemeldet und wollten wissen, was passiert war. Der Nachrichtenwert eines enthaupteten Pferdes war hoch auf Gotland. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass nichts die Allgemeinheit dermaßen erboste wie Tierquälerei.

      Er hatte diesen Gedankengang gerade erst beendet, als er die Organisation »TierFreunde« an der Strippe hatte. Sicher würden sich auch noch weitere Tierrechtsorganisationen bei ihm melden. Der Pressesprecher der Polizei, Lars Norrby, war im Urlaub, deshalb musste Knutas allein mit der Presse fertig werden. Er formulierte eine kurze Pressemeldung und teilte dann der Telefonzentrale mit, dass er in den nächsten Stunden nicht zu erreichen sein würde.

      Als er nach dem morgendlichen Ausflug nach Petesviken wieder in der Wache ankam, holte er sich aus dem Automaten im Pausenraum ein belegtes Brot, an eine Mittagspause war jetzt nicht zu denken. Knutas hatte seine engsten Mitarbeiter für ein Uhr zu sich bestellt. Sohlman würde direkt vom Tatort kommen, um daran teilzunehmen, denn nun verfügte die Polizei von Visby über zwei Kriminaltechniker.

      Sie trafen sich im hellen offenen Raum, in dessen Mitte ein großer Tisch stand. Die Wache war kürzlich renoviert und mit neuen Möbeln in schlichtem skandinavischem Design ausgestattet worden. Knutas hatte sich zwischen den alten, abgenutzten Kiefernmöbeln wohler gefühlt. Die Aussicht war immerhin dieselbe, die riesigen Fenster boten einen Blick auf den Parkplatz des Supermarktes, die Stadtmauer und das Meer.

      »Das ist ein wirklich abstoßendes Verbrechen«, begann Knutas und schilderte den Anblick, der sich ihnen draußen in Petesviken geboten hatte. »Die Koppel und das umliegende Gelände sind abgesperrt worden«, fügte er hinzu. »Es gibt eine Straße, die an der Koppel vorbeiführt, und dort suchen wir nach Fahrzeugspuren. Wenn der oder die Täter den Pferdekopf mitgenommen haben, sind sie vielleicht mit dem Auto gekommen. Im Moment werden Nachbarn und Anwohner befragt, und wir werden ja sehen, was dabei herauskommt.«

      »Wie ist das Pferd getötet worden?«, fragte Karin.

      »Darüber kann Erik uns mehr erzählen.«

      Knutas drehte sich zu dem Kriminaltechniker um.

      »Wir werden uns einige Bilder des Pferdes anschauen. Sieh dich vor, Karin«, sagte Sohlman, »das kann verdammt unangenehm werden.« Karin war eine begeisterte Tierfreundin.

      Er klickte die Bilder des übel zugerichteten Pferdes durch.

      »Wie ihr seht, ist der Hals abgerissen oder, genauer gesagt, abgeschnitten und abgehackt worden. Ein Tierarzt, Åke Tornsjö, hat sich das Pferd bereits ansehen können, er wird noch eine gründlichere Untersuchung vornehmen, aber er kann schon jetzt sagen, was seiner Einschätzung nach passiert ist. Er glaubt, dass der Täter, falls es nur einer war, das Pferd zuerst durch einen kräftigen Schlag gegen die Stirn betäubt hat, vermutlich mit einem Hammer oder einer Axt. Als das Pferd bewusstlos war, hat er ihm mit einem größeren Messer, vielleicht einem Schlachtermesser, den Hals durchgeschnitten, und daran ist es gestorben, also am Blutverlust. Um den Kopf vom Rumpf zu lösen, hat der Täter ihn zerschlagen. Wir haben zersplitterte Knochenreste gefunden, und ich tippe, dass er das mit einer Axt gemacht hat. Spuren auf dem Boden lassen annehmen, dass das Pferd nach dem ersten Schlag noch eine Weile gelebt hat. Es hat im Todeskampf um sich getreten, das Gras ist zerwühlt und der Boden zerkratzt. Der Hals ist zerfasert und zerfetzt, und das weist darauf hin, dass der Täter eine Weile damit beschäftigt war – er muss ziemlich genau gewusst haben, was er zu tun hatte, aber über die Anatomie von Pferden weiß er offenbar nicht sehr viel.«

      »Dann können wir alle Tierärzte ausschließen«, murmelte Wittberg.

      »Eins verstehe ich nicht«, fuhr Sohlman fort. »Als die Halsschlagader durchtrennt wurde, hätte das Pferd eine Menge Blut verlieren müssen. Und man kann sehen, dass an Hals und Rumpf etwas hinuntergeflossen ist, aber auf dem Boden gibt es nur eine kleine Lache. Fast nichts. Sogar wenn das Blut im Boden versickert wäre, hätten wir mehr finden müssen.«


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