Heilung. Wolfgang J Bittner
weist auf das anerkannte »Recht« hin, von der Verkündigung des Evangeliums zu leben, ohne nebenbei arbeiten zu müssen. Dieses Recht war in der urchristlichen Mission anerkannt und allgemein auch in Anspruch genommen worden (9,4). Paulus weist daraufhin, dass es sich dabei um eine »Verordnung« handelt, die von Jesus selbst stammt: »So hat auch der Herr denen, die das Evangelium verkündigen, verordnet, vom Evangelium zu leben« (9,14). Diese Verordnung finden wir aber gerade nicht im Missionsbefehl. Es ist ein Element der vorösterlichen Sendung, das uns in der Sendung der 12 Jünger bei Matthäus (10,10 b) und der siebzig Jünger bei Lukas (10,7) begegnet. Es hatte für die nachösterliche Sendung weiterhin und unumstritten Geltung. Paulus anerkennt dieses Recht, nimmt aber für sich eine Ausnahmeregelung in Anspruch, die ausdrücklich begründet wird (9,12 b).
4.2.2. Der Missionsbefehl nach Markus (16,15–20) 57
In anderer Weise und mit anderen Begriffen bringt Markus denselben Sachverhalt zum Ausdruck. »Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium allen, die erschaffen sind!« (Vers 15). Das Ziel dieses Verkündigungsdienstes ist, dass die Menschen zum Glauben kommen.
Man könnte nun, den Matthäustext im Ohr, denken, dass hier doch eine Unterscheidung zwischen den beauftragten Jüngern und den durch die Jünger gewonnenen Glaubenden aufgerichtet wird. Dem ist aber nicht so, denn Markus fährt fort: »Denen aber, die gläubig geworden sind, werden folgende Zeichen folgen: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben; in neuen Sprachen werden sie reden; Schlangen werden sie aufheben, und wenn sie etwas Tödliches getrunken haben, wird es ihnen nicht schaden; Kranken werden sie die Hände auflegen und es wird gut mit ihnen werden.« Es ist geradezu merkwürdig, dass hier explizit nicht von einer Weitergabe des Verkündigungsauftrages gesprochen wird. Auch die Frage der Heilung wird nicht, wie das bei Matthäus geschieht, unter dem Gesichtspunkt des Auftrages behandelt. In der Ausführung des Heilungsdienstes aber wird ein Zeichen gesehen, das die an Jesus Glaubenden begleitet.
Der übernächste Vers bestätigt, dass das nicht Verheißungswort geblieben ist, sondern im Dienst der Jünger Wirklichkeit wurde: »Sie aber zogen aus und predigten überall, indem der Herr mitwirkte und das Wort durch die begleitenden Zeichen bestätigte.« Wir treffen hier auf ein wichtiges und oft zu wenig beachtetes Motiv, das über Matthäus hinausgeht. Das Wort, so sagt Markus, das die Jünger verkündigen, wird von Gott selbst bestätigt. Diese Bestätigung besteht nicht darin, dass Menschen unter dieser Predigt zum Glauben kommen, obwohl das sicher nicht ausgeschlossen werden soll. Markus sagt jedoch, die ausdrückliche Bestätigung habe darin bestanden, dass Gott für die Wirklichkeit, die er im Wort der Predigt ansagen lässt, auch die Zeichen setzt, an denen diese Wirklichkeit erkennbar wird. Das ist entscheidend wichtig. Die Menschen sollen hören, dass Gottes Herrschaft hereinbricht. Daneben stehen Krankenheilung und alle anderen genannten Folgeerscheinungen, an denen die hereinbrechende Gottesherrschaft mitten in der noch bestehenden alten Welt bereits zeichenhaft anschaubar wird.58
4.2.3. Die Berichte der Apostelgeschichte
Auch nach dem Bericht der Apostelgeschichte hält die Gemeinde an dem ihr gegebenen doppelten Auftrag fest. Die Wundertaten der Apostel werden meist summarisch erwähnt (2,43; 5,12), während Petrus in der Darstellung des geschichtlichen Ablaufes in den Vordergrund rückt.59 Wichtig ist, dass der Auftrag schon sehr früh über den engeren Jüngerkreis hinausgeht und Bestandteil im missionarischen Vorstoß bleibt. Namentlich werden Stephanus und Philippus erwähnt. »Stephanus aber, voll Gnade und Kraft, tat große Wunder und Zeichen unter dem Volk …« (6,8). Über den Evangelisationsdienst des Philippus in Samarien hören wir: »Die Volksmenge aber achtete einmütig auf das, was Philippus sagte, indem sie zuhörten und die Zeichen sahen, die er tat …« (8,6).
Wichtig ist der Apostelgeschichte die Darstellung des Dienstes des Paulus. Auch von ihm werden neben summarischen Angaben konkrete Berichte von Heilungen und die Nachricht einer Totenerweckung vorgelegt.60 Auch über Barnabas hören wir, dass der erhöhte Herr durch ihn Heilungen vollzog.61
In diesem Zusammenhang soll noch ein Text hervorgehoben werden, der meist etwas in den Hintergrund tritt. Im vierten Kapitel der Apostelgeschichte wird vom Widerstand des Hohen Rates gegen die Botschaft des Evangeliums berichtet. Die Heilung des Lahmen (Apostelgeschichte 3) führte zur Verhaftung von Petrus und Johannes. Sie wurden zwar wieder frei gelassen, doch war damit das erste Zeichen des Widerstandes gesetzt. Da kommt, so berichtet der Text, die Gemeinde zusammen, »und als sie es hörten, erhoben sie einmütig die Stimmen zu Gott und sprachen …«(4,24). Was betet diese Gemeinde? Zunächst sehen sie zurück in die Schrift, auf Psalm 2. Dort ist gesagt, dass sich die Könige und die Fürsten der Erde zusammenrotten. Von diesem Bibeltext her blicken sie in die hinter ihnen liegende Geschichte, auf Jesus, »deinen heiligen Knecht, den du gesalbt hast«. Mit ihm hat das Zusammenrotten seinen Anfang genommen und gleichzeitig seinen Höhepunkt erreicht. »Und jetzt, Herr, sieh auf ihre Drohungen.« Es wäre verständlich, wenn die Gemeinde nun beten würde, dass diese Drohungen aufhören, dass alles sich beruhigt und zum Guten wendet. Die Gemeinde betet aber anders: »Und nun, Herr, sieh auf ihre Drohungen und verleihe deinen Knechten, dein Wort mit aller Freimütigkeit zu verkündigen …« – also die Bitte um die Möglichkeit der Predigt. Aber die Predigt soll auch hier nicht allein stehen! »… indem du die Hand ausstreckst zur Heilung und Zeichen und Wunder geschehen durch den Namen deines heiligen Knechtes Jesus. Und als sie gebetet hatten, erbebte der Ort, an dem sie versammelt waren, und alle wurden mit dem heiligen Geist erfüllt und verkündigten freimütig das Wort Gottes« (4,29–31). Bis in ihr Gebet hinein hält die Gemeinde an dem ihr übergebenen einen Auftrag in seiner doppelten Entfaltung fest. Sie hat zu predigen und zu heilen – und sie hat das gewusst und durchgehalten.
4.2.4. Der Dienst des Paulus nach seinen Briefen
Dass Zeichen und Wunder im Missionsdienst des Paulus eine wichtige Rolle gespielt haben, darauf macht bereits die Apostelgeschichte eindringlich aufmerksam. Unter kritischen Theologen wiegt dieser Hinweis oft wenig, da man die historische Zuverlässigkeit des Lukas anzweifelt oder gar völlig in Abrede stellt. Lukas habe, so wird argumentiert, die Wunderberichte aufgrund seiner eigenen theologischen Konzeption ausgestaltet oder gar selbst entworfen. In den Paulusbriefen würde doch das Wunderhafte stark zurücktreten, ja sei dort gar nicht vorhanden.
Dieses Urteil hält dem Zeugnis der paulinischen Briefe nicht stand. Dass ausdrückliche Wunderberichte in den Briefen nicht aufscheinen, darf uns nicht verwundern. Warum sollte er den Gemeinden, die selbst Augenzeugen dieser Taten geworden waren, nochmals von diesen Ereignissen schreiben? Die paulinischen Briefe sind keine Arbeitsberichte, keine »Rundbriefe«, wie sie heutige Missionare gerne versenden. Es sind Schreiben, die dort abgefasst wurden, wo konkrete Fragen vorlagen, wo Probleme besprochen bzw. Verhaltensweisen geregelt werden mussten.
Dass dabei Berichte von Wundern selten sind, darf uns also nicht verwundern. Trotzdem fehlen sie nicht ganz. Das hängt mit Angriffen zusammen, die Gegner des Paulus in seinen Gemeinden gegen ihn erhoben haben. Männer traten auf, die Paulus die Apostelwürde absprachen. Diese Angriffe, welche vor allem in seinem leidvollen Verhältnis zur Gemeinde in Korinth für uns deutlich werden, veranlassten Paulus, im Rahmen seiner Verteidigung folgenden Satz zu schreiben: »Die Zeichen des Apostels sind unter euch gewirkt worden in aller Ausdauer durch Zeichen und Wunder und machtvolle Taten« (2. Korinther 12,12). Ganz ähnlich stellt er sich der Gemeinde in Rom vor. Offensichtlich muss er auch hier ein verzerrtes Bild seiner Person und seines Dienstes korrigieren: »Ich werde nicht wagen, von etwas zu reden, was nicht Christus durch mich gewirkt hat, um die Heiden zum Gehorsam zu bringen durch Wort und Tat, in Kraft von Zeichen und Wundern, in Kraft des heiligen Geistes …« (Römer 15,18f). Die beiden Grundelemente des Auftrages Jesu werden auch hier genannt.
Zu erwähnen sind noch zwei Stellen, in denen Paulus ausdrücklich betont, seine Predigt habe nicht nur in Worten bestanden, sondern »in Erweisung von Geist und Kraft« (1. Korinther 2,4; vgl. 1. Thessalonicher 1,5). Auch hier kämpft Paulus dagegen an, dass man seinen Missionsdienst auf einen bloßen Wort-Dienst einschränkt. Inhaltlich geht Paulus nicht näher darauf ein, welche Art von Zeichen, von Wundern und Krafttaten er damit meint. Das wird