Frost & Payne - Die mechanischen Kinder Die komplette erste Staffel. Luzia Pfyl

Frost & Payne - Die mechanischen Kinder  Die komplette erste Staffel - Luzia Pfyl


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      Sanderson war eine Stunde zuvor bei ihr in der Agentur aufgetaucht und hatte sie aufgefordert, ihn zu begleiten.

      »Wohin?«, hatte Frost gefragt. »Ich gehe nicht einfach so mit Fremden mit, Mr. Sanderson«, fügte sie sarkastisch hinzu, was den Mann allerdings nicht zum Lächeln verleitete.

      »Southwark. Dr. Baxter wird Ihnen alles erklären.« Mehr hatte der Sekretär nicht verraten wollen, und auch auf der Kutschfahrt hatte Frost vergeblich versucht, ihn zum Smalltalk zu verleiten.

      Sie erreichten das Ende der Treppe, und Frost tauchte aus ihren Gedanken auf. Es war kalt hier unten, und die kahlen Wände sahen selbst im orangen Aetherlicht grau aus. Wie tief sie sich wohl unter der Erde befanden? Und was produzierten die hier, dass man es so tief unten tun musste?

      Vor ihnen befand sich eine Schleuse. Zwei Männer traten aus einem angrenzenden Raum. Sanderson zeigte einen Ausweis und wandte sich dann zu Frost um.

      »Miss Frost, ich muss Sie bitten, den Herren Ihre Tasche zu zeigen.« Frost hob verwundert die Augenbrauen. »Reine Sicherheitsmaßnahme, Sie verstehen. Jegliche Arten von Lichtbildapparaten sind verboten, Waffen ebenfalls.«

      Sie war etwas überrascht, händigte den Wachmännern jedoch ihre Schultertasche aus. Es befanden sich keine für eine Frau ungewöhnlichen Sachen darin. Das Messer, welches sie wie immer unter ihrem Korsett trug – ein Relikt aus ihren Tagen bei der Organisation –, war gut verborgen. Aber sie glaubte nicht, dass die Männer sie einer Leibesvisitation unterziehen würden.

      Sanderson nickte zufrieden, und sie bekam ihre Tasche zurück. Einer der Wachmänner presste auf einen Knopf an der Wand, worauf die Schleuse sich zischend öffnete.

      Wieder folgte ein langer Gang. Frost linste im Vorbeigehen neugierig in die Räume, die davon abzweigten. Sie sah Werkhallen mit langen Tischen, an denen Mechaniker und Wissenschaftler emsig bei der Arbeit waren. In einem der Räume stand etwas, das verdächtig nach einer Kanone aussah. Mehrere Techniker waren mit Schweißarbeiten daran beschäftigt.

      »Hier werden Waffen hergestellt«, bemerkte Frost, doch sie bekam wieder keine Antwort. Sanderson blieb vor einer offenen Tür stehen und schaute sie freundlich an.

      »Dr. Baxter wird alle Ihre Fragen beantworten, Miss Frost. Bitte entschuldigen Sie mich nun, meine Arbeit ruft.« Mit einem Nicken zum Abschied ließ er sie stehen und ging den Gang zurück zur Schleuse.

      Frost stand unsicher in der Tür und schaute in den Werkraum. Niemand war zu sehen. »Hallo?«, rief sie und ging einige Schritte in den Raum. »Dr. Baxter?«

      Der Arbeitstisch direkt vor ihr war beladen mit Werkzeug, Schrauben und Metallstücken. Links an der Wand stand eine Kugel auf einem weiteren Tisch. Sie war groß wie eine Wassermelone, grüne Blitze leckten darin an den Glaswänden entlang. Irgendwo zischte es rhythmisch. Frost ging am Arbeitstisch entlang und studierte die Gegenstände darauf. Lötkolben, Schraubenzieher, Bunsenbrenner. Etwas, das aussah wie eine halb zusammengeschraubte Pistole, nahm sie in die Hand und betrachtete es neugierig.

      Aus dem Nichts tauchte ein Mann auf der anderen Seite des Tisches auf. Beinahe hätte Frost den Gegenstand in ihrer Hand fallen lassen.

      »Sie haben mich erschreckt«, sagte sie und stieß den Atem aus.

      Der Mann trug eine Schweißerbrille und einen weißen Laborkittel. In der rechten Hand hielt er eine Waffe, die einem Revolver ähnelte, doch sie war viel größer. Zudem war sein Arm bis fast zum Ellbogen in ein metallenes Gitter gehüllt, das zur Waffe zu gehören schien.

      »Verzeihen Sie«, sagte er und schob sich mit der freien Hand die Schutzbrille in die Stirn. Seine hellen Haare standen in alle Richtungen ab. »Ich habe Sie nicht kommen gehört. Sind Sie Miss Frost?«

      Frost atmete tief durch und legte die halbfertige Pistole zurück auf den Tisch. »Die bin ich«, sagte sie und musterte den Mann. Er war groß und schlaksig, Sommersprossen zierten seine lange Nase, und in den blauen Augen funkelte Schalk. »Dr. Baxter, nehme ich an.«

      »Äh, ja, Finnley Baxter, sehr erfreut.« Er hielt inne, als er sah, wie Frost die Waffe in seiner Hand anstarrte. »Oh, verzeihen Sie.« Er drückte auf einen kleinen Knopf an der Seite der Waffe. Sofort setzte sich eine Mechanik in Gang. Das Stütznetz um den Arm faltete sich in sich zusammen, ebenso wie mehrere Teile der Waffe selbst. Gleich darauf sah sie aus wie ein normaler Revolver, wenn auch etwas überdimensioniert. »Ich war gerade dabei, eine Reihe von Tests zu machen.«

      »Ziemlich beeindruckend«, gab Frost zu. Sehr beeindruckend sogar. Eine solche Waffe hatte sie noch nie gesehen.

      »Einer aus einer Reihe von Prototypen«, sagte Dr. Baxter mit sichtlichem Stolz. »Wir arbeiten hier mit den neuesten Technologien. Aber ich vermute, das interessiert Sie alles wenig.« Er lächelte und ging voran in einen angrenzenden Raum.

      Frost zuckte mit den Schultern und schaute sich weiter um, während sie Baxter folgte. »Ein wenig«, log sie. Sie war zwar nicht gerade ein Waffennarr, doch es schadete nie, auf dem neuesten Wissensstand zu sein. »Sie stellen hier in Ihrer Fabrik also Waffen her, Dr. Baxter?«

      »Meine Fabrik? Oh nein, ich bin nur einer von vielen Angestellten.« Er lachte verlegen und legte die Waffe in eine gepolsterte Box, die er sorgsam verschloss. »Ich bin verantwortlich für die Entwicklung neuartiger Waffensysteme. Alles hier ist streng geheim. Bestimmt haben Sie die Kontrollen vor der Schleuse gesehen.«

      Frost nickte. »So etwas habe ich mir schon gedacht.«

      »Sehen Sie, wir arbeiten für das Königshaus. Man will verhindern, dass die Preußen oder die Russen unsere neuesten Waffen ausspionieren. Seit den letzten Zwischenfällen auf der Krim und im Kongo mehr denn je.«

      Frost erinnerte sich, etwas darüber in der Times gelesen zu haben. Vor ein paar Monaten gab es Scharmützel auf der Krim, während denen mehrere russische Soldaten umgekommen waren. Selbst wenn der Krieg mehrere Jahrzehnte zurücklag, so war die Krim immer noch ein Pulverfass. Und im Kongo stritten sich die Briten mit den Preußen um die Vorherrschaft in der Kolonie.

      »Die Sicherheitsvorschriften hier sind aber sicherlich nicht der Grund, weswegen Sie mich haben herkommen lassen, Dr. Baxter.«

      Der Wissenschaftler nickte und wirkte auf einmal betrübt. »Ich habe Ihre Anzeige in der Zeitung gesehen. Sie sind eine Privatdetektivin.«

      »So etwas in der Art. Ich beschaffe verloren gegangene oder verschwundene Dinge.« Frost musterte Baxter. »Ihnen wurde etwas gestohlen.«

      Baxter nickte und fühlte sich sichtlich unwohl in seiner Haut. »Einer der Prototypen. Er ähnelt der Waffe, die Sie vorhin gesehen haben. Das Spezielle an ihm ist …« Er drehte sich um und öffnete den Kasten wieder. »Lassen Sie es mich Ihnen demonstrieren.« Auf Knopfdruck vergrößerte sich der seltsame Revolver, die metallene Stütze umschmiegte Baxters Unterarm, und der Lauf verdoppelte sich. Baxter stellte sich einige Meter entfernt vor eine Wand, an der mehrere Zielscheiben hingen. »Kann sein, dass es etwas laut wird. Treten Sie bitte zurück.«

      Frost ging zwei Schritte nach hinten und verschränkte erwartungsvoll die Arme vor der Brust. Sie war gespannt, was diese seltsame Waffe draufhatte. Sie sah jedenfalls schwer aus, Dr. Baxter musste seine Hand mit der anderen stützen, um den Revolver ruhig zu halten. Ein elektrisches Knistern erfüllte die Luft, und der zweite Lauf leuchtete grünlich auf.

      Der Knall des Schusses war gewaltig. Ein heller Lichtblitz flammte auf. Frost drehte sich weg, den Arm schützend vor dem Gesicht.

      »Was sagen Sie, Miss Frost? Nicht schlecht, oder?« Baxter strahlte über das ganze Gesicht, als er die Waffe zum zweiten Mal zusammenfaltete und in die gepolsterte Box legte.

      Frost rang nach Atem. In der Wand prangte ein Loch von einem halben Meter Durchmesser. Die Zielscheibe war beinahe vollständig verschwunden, nur einzelne verbrannte Fetzen hingen noch. »Meine Güte. Ich bin beeindruckt. Was war das?«

      »Sie meinen den Lichtblitz? Die ursprüngliche Idee dahinter stammt von Nikola Tesla. Genialer Mann. Wir haben seine Technik


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