Ein Traum von Freiheit. Thomas Flanagan

Ein Traum von Freiheit - Thomas Flanagan


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für diese Jungs. Der Verwalter des Hohen Lords quetscht ihm fast das Leben aus, und mir geht’s nicht anders. Und das weißt du sehr gut.«

      MacCarthy leerte sein Whiskeyglas. »Aber du brauchst dich nicht draußen nach Sklaven umzusehen, Donal, nicht wahr? Die werden für dich zu Hause gezüchtet.«

      Verwirrung. »Meinst du meine Söhne?«

      »Nennst du sie so? Die Ähnlichkeit ist nicht groß.« In einer Ecke seiner Vorstellung stand die Mutter von Hennesseys Söhnen mit gespreizten Beinen neben der Tür ihrer Hütte.

      »Du wirst diesen Brief schreiben«, sagte Duggan. Die anderen sahen ihn an. MacCarthy beobachtete ihre Augen. Sie folgten, wohin er sie führte, harter Bauer, Tyrann, Dorfkämpfer. Vor drei Jahren, zu einem Jahrmarkt, hatte er die Männer von Tyrawley gegen die von Erris geführt, einen dicken Knüppel in der Hand, weder Vergnügen noch Zorn hatten sein zerknittertes, ungerührtes Gesicht gezeichnet. An die Stirnwand der Kneipe von Belmullet gelehnt, hatte MacCarthy zugesehen, verächtlich und voller Bewunderung. »Du wirst dein feines Englisch für diesen Brief benutzen, und es wird ein langer Brief sein. Du wirst schreiben, daß dasselbe passieren wird, wann immer irgendein Grundbesitzer oder Mittelsmann Weideland aus einem Gehöft macht. Und daß es keine weiteren Warnungen geben wird. Das wollen wir bekanntgeben.«

      »Das wollt ihr bekanntgeben«, wiederholte MacCarthy. Er hielt Quigley sein Glas hin, und der füllte es wieder. Privileg des Poeten. »Vier Männer in einer Schenke wollen das bekanntgeben.«

      »Wir sind mehr als vier, Owen«, erwiderte Hennessey. »Da kannst du ganz sicher sein.« Er war ein Wunder. Beleidigungen prallten von ihm ab wie Regen von der Flanke einer Kuh.

      »Die Whiteboys von Killala«, sagte Duggan. »Damit unterschreibst du. Die Whiteboys von Killala.«

      »Die Whiteboys von Claremorris sind vor zwei Jahren öffentlich ausgestellt worden«, sagte MacCarthy. »Zwei von ihnen vor dem Gericht in Castlebar. Gehenkt und geteert.« Hinter dem Fenster eine Ecke des Mondes. Elegant, zurückhaltend.

      »Von wie vielen?« fragte Hennessey. »Die Leute werden zu uns halten.«

      »Bei Gott, das werden sie«, stimmte Duggan zu. Zum erstenmal lächelte er.

      »Nicht meine Leute«, widersprach MacCarthy. »Ich bin aus Kerry.« Klares Wasser und helle Klippen, Vogelgesang.

      »Jetzt bist du hier«, sagte Duggan. »In der Baronie Tyrawley. Vergiß das lieber nicht. Es geht nicht um vier Männer in einer Schenke. Es geht um die Männer in allen Gemeinden.«

      »Das glaube ich nicht«, meinte MacCarthy. »Ihr habt mit Cooper ein Hühnchen zu rupfen, weil er die O’Malleys vom Land gejagt hat, um Weideland daraus zu machen, und nun habt ihr euch einen großartigen Namen gegeben, die Whiteboys von Killala.«

      »Der Name ist gut genug«, sagte O’Carroll.

      Was machte es schließlich aus? Die Whiteboys von Macroom, die True Men von Bruff, die Honest Men von Tralee. Seit dreißig Jahren tauchten sie immer wieder hier und dort auf, und das Ende war immer gleich, Körper an einem Galgen. Aber es war ein seltsames Jahr für Whiteboys, da jeder Hausierer und Wanderer Berichte über die großen Kämpfe in Ulster im Norden und in Wexford im Süden nach Mayo brachte. Und diese United Irishmen waren keine Whiteboys gewesen. Jetzt waren sie gar nichts mehr. Vor zwei Monaten hatten Englands Armeen sie zerschlagen.

      »Es ist ein sehr guter Name«, sagte Duggan. »Jeder Grundbesitzer in Irland kennt ihn und weiß, was er bedeutet. Daß Vieh getötet und Felder abgebrannt werden, und danach könnte es noch schlimmer kommen. In den Mooren von Belmullet sind die Leichen von Verwaltern und Gerichtsdienern versenkt worden, mit ausgequetschten Augen, mit von den Dornbüschen zu Riemen geschnittenen Rücken.«

      Seine Stimme war ausdruckslos, aber seine Lippen glänzten vor Speichel. Das will er. Die dicken, eckigen Finger könnten sich um die Kehle eines Verwalters schließen, könnten strafenden Dornbusch aus dem Boden reißen.

      »Ach, wir haben keine Wahl, Owen«, sagte O’Carroll. »Wenn die Grundbesitzer sich auf Viehzucht verlegen, dann sind wir erledigt. Das ist überall so. Wir haben kein anderes Argument als den Brief der Whiteboys.«

      MacCarthy wandte sich an Quigley. »Ein Gastwirt hat kein Land. Was bedeutet dir das alles?«

      »Nun ja, Owen. Es stimmt schon, ich habe kein Land, genausowenig wie ein Schulmeister. Da hast du recht.« Er nahm MacCarthys Glas und füllte es wieder mit ruhigem, farblosem Whiskey. »Aber man sollte sich mit seinen Nachbarn gut stellen. Das schadet nie, egal, welchen Beruf man hat.«

      MacCarthy drehte das Glas in seiner Hand. Der Raum wurde langsam dunkel. Hinter dem Fenster hatte das Abendlicht die Weichheit eines Hänflingsflügels angenommen, die den Anfang der Nacht ausmacht.

      »Es ist ein törichtes Geschäft, was ihr da vorhabt«, sagte er zu Duggan. »In Ulster und in Wexford sind große Aufstände niedergeschlagen worden. Letzte Woche war ein Wanderer in Killala, der erzählt hat, daß die Galgen von einem Ende von County Wexford bis zum anderen stehen, wie auch die abgebrannten Hütten. Und niemand wird jemals all die zählen können, die mit Gewehr und Schwert getötet worden sind. Er sagt, jetzt sind mehr englische Soldaten im Land als seit der Schlacht an der Boyne. Sie stehen zu Tausenden in Tuam und auch zu Tausenden in Galway City.«

      »Ich habe mit diesem Mann gesprochen«, sagte O’Carroll. »Er hatte noch mehr zu berichten. Er sagte, die Gälische Armee habe im County Wexford einen Monat lang gesiegt.«

      »Das ist ein großer Trost für sie gewesen, als sie unter dem Galgen standen«, meinte MacCarthy.

      »In Tyrawley gibt es keine Tausende von britischen Soldaten«, sagte Duggan. »Hier gibt es nur Captain Cooper und seine Zwergmiliz. Protestantische Ladenbesitzer und Steuereintreiber. Was weit weg in Wexford oder Ulster passiert, ist hier völlig uninteressant.«

      »Tausende hatten sich erhoben«, erzählte MacCarthy. »Der ganze County Wexford, ganz Carlow, ganz Wicklow und Teile von Kilkenny. Sie haben versucht, sich aus Wexford herauszukämpfen. Sie wollten ganz Irland ihre Rebellion bringen. Sie liefen hierhin und dorthin, aber auf allen Straßen standen englische Soldaten. Und als sie nicht mehr wußten, wo sie hin sollten, kletterten sie auf einen Hügel und warteten darauf, von den englischen Kanonen in Fetzen geschossen zu werden.«

      Es überstieg seine Vorstellungskraft. Die Straßen von Wexford, verstopft von Menschen, ihre Piken ein Winterwald vor dem Horizont. Priester fuhren in ihrem Troß mit. Dorfkämpferb trieben sie auf Miliz und Landwehr zu. Sie jagten Vieh vor sich her in die Schlacht. Wieder hörte er die Worte des Wanderers. »In den Ebenen und an den Flüssen gab es riesige Lager. Sie haben eine Stadt nach der anderen eingenommen, Camolin und Wexford und Enniscorthy. Sie haben Enniscorthy niedergebrannt.« Erst zwei Monate her. Und jetzt vorbei.

      »Die Leute von Wexford waren Idioten«, sagte Duggan. »Mir reicht Captain Cooper. Und nach ihm Gibson.«

      »Gibson ist dein eigener Grundbesitzer, nicht wahr?« fragte MacCarthy. »Ich dachte mir schon, daß du dir für Gibson die Zeit nehmen würdest.«

      »Dann Gibson«, stimmte Hennessey zu. »Aber nach ihm kommt der Verwalter des Hohen Lords. Bei Gott, ich hasse diesen Creighton. Der ärgste Tyrann in ganz Tyrawley.«

      »Der tut doch nur, was ihm befohlen wird«, sagte MacCarthy. »Der Hohe Lord in London schickt ihm seine Befehle. So wird das gemacht.«

      »Ich werde ihm einen Brief schicken, bei Gott«, sagte Duggan. »Die Whiteboys von Killala werden ihm einen Brief schikken.«

      »So soll es also sein«, sagte MacCarthy. »Und dann einen vierten und dann einen fünften. Da habt ihr ja wirklich viel Arbeit für mich.«

      »Dir wird schon nichts passieren, Owen«, sagte Hennessey. »Niemand von uns wird etwas passieren. In Tyrawley wird es fünfhundert Whiteboys geben.«

      »Es wird nicht an den Grenzen der Baronie haltmachen«, meinte Duggan. »Ich kenne Männer in Erris und auf der anderen Moyseite in Sligo.«

      »Wir sind keine


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