Jan und die Juwelendiebe. Carlo Andersen

Jan und die Juwelendiebe - Carlo Andersen


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er im dritten Augenblick – so viele Augenblicke! – das Bild nicht unter zweihundertfünfzigtausend Kronen verkaufen will.»

      Jan seufzte tief. «Mein untertänigstes Kompliment! Du bist auf dem besten Wege, ein richtiger Detektiv zu werden.»

      Erling machte eine huldvolle Handbewegung. «Ja, bald bin ich der reinste Jan Helmer! Aber sei gütig, o großer Medizinmann, der alles weiß, und sage mir, wie dieser Herr Smith den dicken Großhändler Krag – den Herrn, dessen Sohn mich zu nennen ich die Ehre habe – bewegen sollte, nach Storebäk zu reisen?»

      «Das ist doch klar wie Tinte. Nur mußt du die Sache selber in die Hand nehmen. Meinst du nicht, daß du deinen Vater für Smiths Bilder interessieren könntest? Vielleicht würde er sich den Rembrandt gern einmal ansehen.»

      «Au ja, daran ist etwas! Das muß versucht werden! Auch mir würde es nicht schlecht gefallen, den Rembrandt ein bißchen zu beäugen.»

      «Ja, du hast ja das Interesse deines Vaters für Bilder geerbt, und ich begreife gar nicht, daß du nicht Schokoladebildchen sammelst. Doch gleichwohl, wenn du deinen Vater dazu bringst, für ein paar Tage nach Storebäk zu fahren, können wir herrliche Herbstferien miteinander verleben.»

      «Wunderbar, aber es gibt noch ein anderes Hindernis.»

      «Und das wäre?»

      «Meine Mutter hat ausdrücklich gesagt, daß wir keine Verbrecher mehr fangen dürfen. Wenn ich also wirklich in Storebäk auftauche, wird es mit dem lieben alten Detektivspielen wohl Essig sein. Bringst du es auch über dich, darauf zu verzichten?»

      Jan schüttelte den Kopf. «Dafür kann ich mich nicht verbürgen. Aber wer sagt denn, daß sich auch in diesen Ferien ein ‚Fall’ zeigen wird?»

      «Ich weiß nicht», antwortete Erling, «aber du hast eine so seltsame Gabe, immerzu auf dunkle Geschichten zu stoßen, daß ich mich nicht wundern würde, wenn es auch diesmal geschehen würde. Jedenfalls werde ich mich lieber weigern, Mutter etwas zu versprechen.»

      Zweites kapitel

      Die Juwelendiebe

      Kriminalkommissar Mogens Helmer drehte das Radio ab, das soeben die Nachrichten gesendet hatte, und lehnte sich in seinem bequemen Sessel zurück. Er seufzte zufrieden und tat einen tiefen Zug an seiner Zigarre.

      «Ach ja», sagte er, «hoffentlich kann ich endlich wieder einmal einen gemütlichen Abend mit der Familie verbringen, ohne daß ich abgerufen werde. Wir Polizeileute sind ja in dieser Beziehung nicht gerade verwöhnt. Immerzu müssen wir auf dem Sprunge sein, weil mit einem Anruf zu rechnen ist.»

      Frau Helmer blickte lächelnd von ihrer Handarbeit auf. Ja, es war schön, mit dem Mann einen guten, ruhigen Abend zu verleben. Jan saß mit einem Buch am Tisch, und Lis, die mit einer Freundin im Kino war, wurde in zwei Stunden zurückerwartet.

      «Es tut mir arg leid, daß du nicht nach Storebäk mitkommen kannst», sagte Frau Helmer.

      «Mir auch», antwortete der Kriminalkommissar, «aber in den ersten Tagen ist es einfach nicht möglich. Hingegen hoffe ich, daß ich Mitte der Woche Zeit haben werde. Diese Juwelendiebstähle geben mir weiß Gott allerlei zu tun.»

      Jan sah von seinem Buche auf, als der Vater die Juwelendiebstähle erwähnte. Sein großes Interesse an der Arbeit der Polizei verleugnete sich nie.

      «Wie steht es denn damit?» fragte er. «Verrat mir ein bißchen, Vater.»

      Helmer lachte: «Du interessierst dich wohl brennend dafür, was? Aber das sage ich dir, diesmal mußt du die Polizeiarbeit der Polizei überlassen. Sonst haben meine Leute ja überhaupt nichts mehr zu tun.»

      «Du darfst mich nicht aufziehen, Vater. Du weißt doch, daß deine Arbeit mich brennend interessiert. Deshalb würde ich gerne etwas mehr von diesen Diebstählen hören. Ich weiß nichts anderes, als was in den Zeitungen steht, und das sind bloß Äußerlichkeiten.»

      «Ja, wir haben noch nichts Rechtes herausbekommen. Eigentlich steht nur die Tatsache fest, daß in den letzten drei Wochen mehrere große Juwelendiebstähle stattgefunden haben. Vor allem wird in Juweliergeschäften eingebrochen, und die Beute der Diebe hat einen Wert von mehreren hunderttausend Kronen!»

      «Wie viele Einbrüche sind denn schon verübt worden?»

      «Bis jetzt sieben. Das Verfahren war überall gleich, und deshalb nehmen wir an, daß es sich bei allen Einbrüchen um dieselben Leute handelt, um Verbrecher, die aus dem Ausland zu uns gekommen sind.»

      «Wieso?»

      «Weil wir von der Kriminalpolizei mehrerer europäischer Hauptstädte Steckbriefe erhalten haben, die sich auf zwei berüchtigte internationale Einbrecher namens Karnoff und Schleisner beziehen. Es scheint, daß die beiden sich nach Dänemark verzogen haben; wenigstens weisen ihre Spuren hierher. Es ist zwar noch keineswegs sicher, daß sie wirklich hier im Lande sind, und daß sie die Juwelendiebstähle begangen haben, aber die Möglichkeit besteht durchaus, denn solche Einbruchsdiebstähle sind ihre Spezialität.»

      «Was sind das für Burschen?»

      «Erinnerst du dich noch an die Brüder Sass?»

      «Ja, von denen hast du mir einmal erzählt.»

      «Die beiden wurden in mehreren Ländern Europas jahrelang von der Kriminalpolizei gesucht, ohne daß man sie zu fassen bekam; schließlich schnappte man sie in Kopenhagen. Das war eine sehr große Leistung der dänischen Kriminalpolizei, das kann man wohl ohne Übertreibung sagen. Karnoff und Schleisner haben mit den Brüdern Sass eine gewisse Ähnlichkeit. Sie sind ungemein frech und arbeiten sehr flink. Im Nu haben sie einen Tresor oder einen Safe aufgeknackt. Dazu kommt, daß sie sehr sprachenkundig sind – ich glaube, sie sprechen auch Dänisch, wenngleich mit fremdländischem Tonfall –, und sie sind Meister in der Kunst des Verkleidens.»

      «Sie verkleiden sich? Das klingt ja wie ein Kriminalroman!»

      «Alles, was mit Karnoff und Schleisner zusammenhängt, klingt wie ein Kriminalroman. Rein äußerlich bilden sie ein merkwürdiges Paar. Karnoff ist ein großer, eleganter Bursche, soll stark sein wie ein Bär und sich vor nichts fürchten. Schleisner dagegen ist klein und zierlich. Er verfügt über keine große Körperkraft, ist aber geschmeidig wie ein Schlangenmensch. An Dreistigkeit lassen die beiden nichts zu wünschen übrig. Mut kann man das nicht nennen, sondern sie sind einfach frech und kennen offenbar keine Skrupel – – zwei höchst unliebsame Subjekte, die von ehrlichen Menschen schmarotzen. Wenn die beiden sich wirklich bei uns herumtreiben, wäre es mir eine ganz besondere Freude, mich um der Gerechtigkeit willen mit ihnen zu befassen und sie hinter Schloß und Riegel zu bringen.»

      «Es ist also keineswegs sicher, daß sie die Juwelendiebstähle verübt haben?»

      «Nein, durchaus nicht. Das ist nur eine Vermutung, die sich auf die hinter den beiden erlassenen Steckbriefe stützt. Ebensogut können dänische Einbrecher im Spiele sein. Dieser Typus ist ja leider international.» Helmer seufzte tief. «Ich weiß recht gut, daß es Menschen gibt, die erfolgreiche Einbrecher für geschickte, fixe Kerle halten, denen man die Bewunderung nicht versagen kann. Ja, wahrhaftig, so sehen manche Leute die Sache an. Aber wir Polizeibeamte kennen diese Außenseiter der Gesellschaft, wir wissen, welch großen Schaden sie anrichten, und wieviel Unglück sie oft verursachen. Deshalb betrachten wir diese Schmarotzer mit all der Verachtung, die sie verdienen. Erfolgreiche Einbrecher sind keineswegs Helden, auch wenn sie sich dafür halten, das kann ich dir versichern. Die meisten sind feig – und ganz klein und demütig, wenn sie gefaßt worden sind und ihre Handlungsweise verantworten müssen. Kein Gedanke daran, daß sie dann bereit sind, die Folgen auf sich zu nehmen. Sie sind wie Ratten, die sich stets zu verstecken suchen und am liebsten im Dunkeln wirken, wo niemand merken kann, was für Schaden sie anrichten.»

      Es entstand eine Pause. Helmer zog an seiner Zigarre, und Jan dachte über die Worte des Vaters nach. Er hatte, als er einmal mit einem Verbrecher zusammengestoßen war, genau dieselbe Erfahrung gemacht. Ja, feige und verantwortungslos, das waren die Burschen. Deshalb war es wichtig, die


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