Jan und die Juwelendiebe. Carlo Andersen

Jan und die Juwelendiebe - Carlo Andersen


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ist, Vater?» begann er. «Wenn diese Juwelendiebe so frech sind, wäre es doch auch möglich, daß sie die Finger nach dem kostbaren Gemälde ausstrecken, das dieser Herr Smith ins Land gebracht hat ...»

      Helmer lachte. «Na ja, warum nicht? Aber vorerst haben wir es ja nur mit Juwelendiebstählen zu tun. Der Rembrandt wird wohl gut bewacht sein, und Zusammenhänge zu konstruieren, die noch gar nicht bestehen, kann sich die Polizei nicht leisten. Das müssen wir schon den Verfassern von Kriminalromanen überlassen.»

      «Aber Karnoff und Schleisner würden doch deiner eigenen Meinung nach gut in einen Kriminalroman passen», unterbrach Jan mit einem Lächeln.

      Im Scherz drohte Helmer ihm mit dem Finger. «Gib acht, mein Junge. Ein wirklicher Detektiv läßt sich nicht von Träumereien und Phantasien leiten, er hält sich an die Tatsachen. Übrigens muß ich gestehen, daß ich zwar als gesetzestreuer Bürger und Polizeimann keineswegs damit einverstanden wäre, wenn die beiden Verbrecher – oder wie viele es sein mögen – Walther Smith den Rembrandt wegnähmen, daß ich ihm aber trotzdem einen kleinen oder besser noch einen großen Schrecken gönnen würde. Ich habe für die Schmuggler nämlich ebensowenig übrig wie für andere Gesetzesübertreter.»

      «Ich auch», stimmte Jan zu, «Schmuggler sind Betrüger, obwohl es viele Leute gibt, die einen kleinen Schmuggel eher als einen guten Spaß betrachten, und in den Berufsschmugglern arme Teufel sehen, die nur so ihr Leben fristen können.»

      «Ganz richtig», fuhr Helmer fort. «Jeder Schmuggel, ob groß oder klein, ist und bleibt dem Staat gegenüber ein Betrug, und damit auch ein Betrug jedem redlichen Steuerzahler gegenüber. Die Zölle bilden für den Staat eine große Einnahme, und wenn diese Einnahme durch Schmuggel sinkt, müssen die Steuern natürlich im gleichen Verhältnis steigen. Außerdem beweist die Erfahrung, daß die meisten Schmuggler, vor allem die großen Tiere dieser üblen Zunft, gar nicht aus Not handeln, sondern nur um rasch auf ungesetzliche Weise viel Geld zu verdienen. Wahrscheinlich gehört auch Herr Smith zu dieser Sorte. Darum ist es nur gerecht, daß man ihm eine Buße von zwanzigtausend Kronen aufgebrummt hat. Allerdings bedeutet dieser Betrag für ihn wahrscheinlich so gut wie gar nichts, denn zweifellos ist er ein reicher Mann, für den zehn- oder zwanzigtausend Kronen mehr oder weniger gar keine Rolle spielen.»

      «Aber was hat man denn eigentlich bei den Juwelendiebstählen unternommen?» erkundigte sich Jan eifrig, der in Gedanken wieder einen Sprung gemacht hatte.

      «Frag mich lieber, was man nicht unternommen hat», antwortete Helmer. «Wir haben mit Hilfe der Kriminalpolizei das ganze Land durchgekämmt, aber bis jetzt hat man noch keine Spur gefunden, die irgendwie auf die Einbrecher hinweist. Alle Kopenhagener Hotels und Pensionen sind genau durchsucht worden, aber weder Karnoff noch Schleisner konnte aufgespürt werden. An allen Grenzstationen werden die ausreisenden Personen genau kontrolliert und ihr Gepäck desgleichen, aber auch diese Nachforschungen haben bisher kein Ergebnis erzielt, und es scheint, daß ich einige anstrengende Tage vor mir habe, so daß ich, wie gesagt, nicht sicher bin, ob ich nach Storebäk kommen kann, obwohl ich hoffe, wenigstens für einen kleinen Besuch Zeit zu finden.»

      «Ach ja, das hoffe ich auch», rief Jan. «Ich freue mich so sehr, unser Sommerhaus zu sehen. Es wird auch lustig sein, im Badehotel zu wohnen. So etwas bin ich ja nicht gewöhnt.»

      «Nein, zum Glück bist du daran nicht gewöhnt. Ich freue mich mehr darauf, ins eigene Haus zu ziehen, als in einem Hotel herumzusitzen. Du nicht auch?»

      «Doch, natürlich, Vater. Ich hoffe nur, daß Lis nicht allzu sehr in Neckstimmung ist.»

      «Ach, du zarte Mimose! Na, wehr dich nur, wenn deine Schwester dir hin und wieder einen Nasenstüber versetzt. Das schadet dir gar nichts, im Gegenteil. Ich nehme auch an, daß es Boy auf dem Lande gefallen wird. Der arme Hund! Es ist lange her, seit ich eine rechte Aufgabe für ihn hatte, aber nun soll er bald im Stadion trainieren, das wird ihm gut tun. Es wäre schön, wenn du auf dem Lande schon etwas mit ihm üben könntest. Zum Kuckuck, da soll denn doch ...!»

      Der letzte Satz klang ärgerlich, weil das Telephon plötzlich geläutet hatte. Helmer erhob sich, indem er bemerkte: «So, nun ist der friedliche Abend verdorben. So geht’s immer. Sicher wieder Arbeit ...»

      Er nahm den Hörer ab und meldete sich. Dann reichte er Jan den Hörer und sagte: «Glücklicherweise wirst du verlangt. Erling ist am Apparat und möchte mit dir sprechen.»

      Er setzte sich wieder in seinen Lehnstuhl, während Jan mit seinem Freunde ein kurzes Gespräch führte. Als Jan dann den Hörer wieder auflegte, strahlten seine Augen vor Freude, und Frau Helmer, die ihren Jungen in- und auswendig kannte, sagte lächelnd: «Nun haben Erlings Eltern sich also doch entschlossen, die Herbstferien in ihrem Sommerhaus in Storebäk zu verbringen. Das dachte ich mir. Ihr Buben setzt doch immer auf irgendeine Weise euren Willen durch!»

      Drittes kapitel

      Im Badehotel

      Am folgenden Tag reiste Frau Helmer mit ihren beiden Kindern ab. Jan und Lis hielten während der ganzen Fahrt durch Nordseeland tatsächlich Frieden, und Frau Helmer fand infolgedessen Ruhe, die schöne Landschaft zu genießen. Jan hatte ein spannendes Buch mitgenommen und Lis sich mit einem Haufen Zeitschriften versorgt, in die sie sich vertiefte, wenn sie nicht dem Beispiel der Mutter folgte und zum Fenster hinausschaute, um die prachtvolle Natur zu betrachten.

      Das Badehotel von Storebäk lag vornehm zurückgezogen abseits von der Landstraße, aber nicht weit vom Strande entfernt. Zwischen Hotel und Strand gab es die herrlichsten Dünen mit weißem Sand, Strandhafer und geschützten Kuhlen, und von den Hotelfenstern hatte man eine prachtvolle Aussicht zur schwedischen Küste.

      Jan zog sofort nach der Ankunft auf Entdeckungen aus, um die Umgebung näher kennenzulernen, die er von früheren Fahrradausflügen nur sehr flüchtig kannte. Noch nie zuvor hatte er in Storebäk gewohnt. Er stellte fest, daß das Gelände nördlich vom Hotel ziemlich steil anstieg, und daß der Hang mit Tannen bestanden war. Durch das Wäldchen führte ein gewundener Pfad, der sich oben fortsetzte. Einen halben Kilometer weiter stand das kleine Sommerhaus, das Vater Helmer vor wenigen Wochen erworben hatte.

      Jan wanderte lange umher und betrachtete das Häuschen mit verliebten Blicken. Es hatte eine so schöne Lage und war zwar einfach, aber sehr solid gebaut, nach Art eines Blockhauses ganz aus Holz. Es mußte nur noch angestrichen werden; das wollten die Kinder selber tun. Im nächsten Sommer sollte dann ein Gärtchen angelegt werden, so daß man Blumen und Gemüse ziehen konnte. Jan wußte genau, wie alles werden sollte, und im Geiste sah er das Bild vor sich.

      In der Nähe befand sich das Sommerhaus von Großhändler Krag, Erlings Vater. Es war erst in diesem Jahr erbaut worden, so daß Jan es noch nicht kannte. Er wanderte weiter, um es zu beaugenscheinigen, und sehr bald gelangte er zu der Entscheidung, daß es zwar neuer und größer, vielleicht auch moderner war, daß er jedoch das Haus vorzog, welches die Familie Helmer bald in Besitz nehmen sollte.

      Von beiden Häusern führte eine steile Treppe hinab zum Strand, der hier von Millionen Kieseln bedeckt war und erst dicht am Ufer sandig wurde. Krags besaßen eine kleine Badebrücke, die über die Steine lief. Jan gelobte sich, im nächsten Sommer eine gleiche Badebrücke zu bauen; der Vater würde ihm sicher dabei helfen. Allzu schwer war das wohl nicht, und die Brücke würde gute Dienste tun, weil man dann nicht über all die Steine zu humpeln brauchte.

      Jan kehrte um und machte sich auf den Heimweg. Er hatte ja nur einen kleinen Erkundungsgang unternehmen wollen, wie er es stets zu tun pflegte, wenn er an einen neuen Ort kam. Es war immer angenehm, die Umgebung zu kennen.

      Das Hotel war sehr elegant, fast zu elegant. Das Gebäude hatte drei Stockwerke und viele Balkone, von denen man eine prächtige Aussicht über das Wasser genoß. Im Erdgeschoß entdeckte Jan den Speisesaal, den Ballsaal, das Rauchzimmer und die Bibliothek, doch fand er alle diese Räume ziemlich ungemütlich. Es waren fast keine Menschen zu sehen, denn die Saison war vorbei; nur wenige Dutzend Gäste hielten sich in dem Hotel auf. In der großen Halle, wo der Concierge hinter seinem Pult thronte, war es unterhaltsamer. Links von der Schranke befand sich eine hohe Mahagonitafel, an der die verschiedenen Zimmerschlüssel hingen. Neben


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