Fürstenkrone Box 16 – Adelsroman. Viola Maybach
Unbekümmert lächelte sie. Ihre braunen Augen blitzten übermütig.
»Freilich kennt mein Paps mich zu genau, um nicht zu wissen, dass das letzte Wort nicht von ihm gesprochen wird. Niemals würde ich mich von ihm zu etwas zwingen lassen, was mir gegen den Strich geht. Damit hat er sich schon abgefunden. So weiß er auch in unserem Fall, dass es mich herzlich wenig kümmert, was er wünschte oder nicht, dass ich meine Zukunft selbst entscheiden werde.«
Sie war am Schluss sehr ernst geworden und sah nun viel reifer und älter aus, wie der Mann überrascht feststellte.
In seinen dunklen Augen zuckte es unterdrückt auf. Seine Stimme klang heiser, als er gepresst sagte: »Ehe ich dich bitte, meine Frau zu werden, Juliane, habe ich etwas klarzustellen. Obwohl ich weiß, dass von deiner Antwort das Wohl und Wehe meiner ganzen Familie abhängt, vielleicht sogar das Leben meines Vaters, kann ich nicht schweigen, kann ich dich nicht mit einer Lüge auf dem Herzen zu meiner Frau machen …«
Langsam wich unter dem Ernst, der in seinen Worten lag, alle Farbe aus dem Mädchengesicht. Angst flackerte in den großen braunen Augen.
»Bitte, sprich, Holger, spanne mich nicht so auf die Folter. Neugierde war schon immer meine große Schwäche«, versuchte sie den Ernst des Augenblicks zu überdecken.
Sein Gesicht wirkte hart und kantig, wie aus Marmor gehauen und jagte ihr einen eisigen Schrecken zum Herzen. Fast wünschte sie, dieser Mund würde schweigen. Dunkel fühlte sie, dass von diesen Lippen nur ein großer Schmerz für sie kommen konnte.
Er sah sie mit einem seltsam leeren Blick an, dann sagte er langsam, als würde ihm jedes Wort unsagbar schwerfallen:
»Gut, Juliane, du sollst die ganze Wahrheit wissen. Dass ich heute vor dir stehe, ist nicht mein freier Entschluss, Juliane. Mein Vater zwang mich dazu, weil es um Langen geht. Ich habe dich immer sehr gemocht, aber ich habe dich nie geliebt.«
Seine Blicke schweiften an ihr vorbei aus dem Fenster, als suchte er in einer unendlichen Ferne die verlorene Geliebte.
»Du – du liebst eine andere?« Ihre Stimme wollte ihr kaum gehorchen. Eine eisige Faust drückte ihr gewaltsam die Luft ab und ließ alles selige Hoffen in sich zusammensinken.
»Ja, Juliane, ich liebe eine andere. Ich gab ihr mein Wort, sie zu meiner Frau zu machen. Aber sie gab mich frei, da sie nicht die Kraft hatte, unser Leben mit dem Fluch meines Vaters zu belasten. Ich habe mich gefügt, wenn auch unter tausend Qualen, aber ich habe erkannt, dass es keinen Ausweg für uns gibt.«
Er rang nach Luft. Seine kühle Beherrschung war von ihm abgefallen und hatte einer starken Erregung Platz gemacht. Nichts hätte dem Mädchen deutlicher seine verzweifelte Not verraten können als dieser Ausbruch.
Mit bleichem Gesicht starrte sie ihn an. Schmerz und zornige Enttäuschung stritten in ihr einen wilden Kampf. Sie musste an sich halten, um nicht verzweifelt aufzuschreien, so weh und peinigend war der Gedanke, dass sein Herz einer anderen gehörte, dass sie die ganzen Jahre einem Trugbild nachgelaufen war und auf Erfüllung gewartet hatte.
»Warum lässt du dich von deinem Vater zwingen, Holger? Bist du nicht ein Mann, der Mut genug hat, um sein Glück zu kämpfen? Sollte ich mich so in dir getäuscht haben?«, entrang es sich ihr unsagbar bitter, während sie verzweifelt mit ihren Tränen kämpfte.
Mit einem unbeschreiblichen Blick, der erschreckend in seiner Wildheit war, sah er sie an. Schneidend lachte er und fuhr nach einem kurzen keuchenden Atemzug gepresst fort: »Ja, schelte den Sohn einen Feigling, der es nicht wagt, das Leben seines Vaters seinem eigenen Glück zu opfern. Der das geliebte Mädchen aufgibt, weil seine Kindespflicht ihm keine andere Wahl lässt. Ich kann dir darüber nicht gram sein, denn es ist schändlich, was ich tun muss.«
Er richtete sich auf.
»Ich liebe dich nicht, Juliane, und bitte dich trotzdem, meine Frau zu werden. Ich werde dir ein guter Gatte sein und dich vor allem Unheil des Lebens beschützen, so wie es sich für einen Edelmann gehört, und soweit es in meiner Kraft liegt. Liebe kann ich dir nicht bieten, aber ehrliche Freundschaft.«
Das Mädchen stand unbeweglich. Ihr blonder Kopf war gesenkt, und auf ihrem bleichen Gesicht spiegelte sich deutlich der bittere Kampf wider, den sie mit sich selbst ausfocht.
Alles in ihrem jungen Herzen wehrte sich gegen die Rolle, die er ihr aufzwingen wollte. Sie liebte diesen faszinierenden Mann mit der ganzen Leidenschaft ihrer ersten Liebe.
Sie hatte ihn wie selbstverständlich in all den Jahren als den einzigen Mann betrachtet, zu dem sie gehörte und der ihr versprochen war. Nun zerschlug eine einzige Minute all ihr seliges Hoffen, all ihr erträumtes Glück und ließ nichts als Schutt und Asche zurück.
Sollte sie sich mit kärglichen Almosen zufriedengeben? Sollte sie seine Frau werden mit dem peinvollen Wissen, dass sie nur ihres Reichtums wegen erwählt wurde, weil ein alter verbohrter Mann den Sohn mit unlauteren Mitteln dazu zwang, sich seinem eisernen Willen zu beugen?
Nein, schrie alles in ihr. Ich kann es nicht – ich will auch nicht. Ich kann nicht im Schatten der anderen leben, kann nicht die Not und Qual in seinen Augen sehen, die der anderen gilt, die er mit der ganzen Inbrunst seines Herzens geliebt hat und nicht vergessen kann.
Ihr gesenkter Kopf ruckte hoch. Herb verzog sie den eben noch lachenden Mund.
»Du hast sehr viel Mut, mir die ganze Wahrheit zu sagen, Holger«, kam es verbittert aus ihrem blassen Mund. »Fürchtest du keinen einzigen Augenblick, dass ich es unter diesen Umständen ablehne, deine Frau zu werden?«
Er wich ihrem Blick nicht aus. Schließlich nickte er.
»Selbst auf diese Gefahr hin, Juliane, durfte ich nicht schweigen. Du bist ein zu anständiger Mensch, als dass ich dich mit einer Lüge und einem Betrug zu meiner Frau machen könnte. Meine Achtung für dich ist zu groß, und obwohl ich weiß, dass von deiner Antwort alles für uns abhängt, lege ich diese Entscheidung völlig in deine Hände und werde mich deinem Entschluss widerspruchslos fügen. Vielleicht wird die Not eines Tages still werden, wird der wilde Schmerz in meinem Innern ruhiger. Vielleicht kann ich eines Tages zu dir kommen und dir aus ehrlichem Herzen heraus sagen, dass ich dich lieb habe. Dann wird es keine Lüge sein, Juliane, und du wirst meinen Worten bedingungslos vertrauen können.«
Mit einer aufreizenden Bewegung warf sie den Kopf in den Nacken. Ihre braunen Augen flimmerten seltsam, und unzählige kleine Pünktchen schienen darin ihr Unwesen zu treiben.
»Du bist sehr davon überzeugt, Holger, dass ich damit zufrieden bin.« Sie lachte spröde und fuhr dann schnell fort, während ihre Hände sich ineinander verkrampften: »Aber im Grunde genommen kommst du meinen Wünschen entgegen.«
Sie machte eine ruckartige Wendung und schritt an ihm vorbei zum Fenster. Eine Weile stand sie unbeweglich und starrte in den hellen Frühlingstag hinaus, der ihr plötzlich grau und farblos erschien. Sie wandte ihm den Rücken zu, und so konnte er die Not nicht erkennen, die um ihren jungen Mund zuckte, die bittere Enttäuschung in ihren Augen nicht lesen, mit der sie verzweifelt rang.
Als sie sich ihm langsam wieder zuwandte, wirkte sie kühl und beherrscht.
»Auch ich liebe dich nicht, Holger. Dein ehrliches Geständnis macht es mir leichter, es dir zu sagen. Wenn ich bereit bin, deine Frau zu werden, dann geschieht es nur aus dem Grund, weil ich seit Jahren als deine heimliche Verlobte gelte und ich das Gerede der Leute hasse. Hinzu kommt noch, dass ich damit einen brennenden Wunsch meines Papas erfülle, der es für sein Lebensziel hält, unseren Namen mit dem der Osterburgs zu vereinen. Warum soll ich den alten Herrn enttäuschen, der sich ein ganzes Leben dafür abgerackert hat?«
Fassungslos weiteten sich seine Augen. Er starrte das Mädchen an, als sähe er es zum erstenmal in seinem Leben.
War das wirklich Juliane, die diese kalten herzlosen Worte sprach? Die von ihrer Ehe wie von einem Tauschgeschäft redete?
Er schüttelte leicht benommen den Kopf und brauchte eine ganze Weile, um damit fertig zu werden.
»So wärst du nur