Fürstenkrone Box 16 – Adelsroman. Viola Maybach
zuckte es in den graugrünen Augen des Mannes auf. Der freie ungezwungene Ton des Mädchens überraschte ihn. Er war bisher gewohnt, dass man ihn überall ein wenig fürchtete und ihm gern aus dem Weg ging.
Gelassen sah er darüber hinweg, ja, es schien, als gäbe er sich bissiger und unzugänglicher, als er in Wirklichkeit war, weil er lieber allein sein wollte und nicht gerne Menschen um sich hatte.
Seine Angestellten trugen eine unterwürfige Haltung zur Schau, wenn sie mit ihm sprachen. Sie wagten keinen Widerspruch.
Verachtung lag oft in seinem Blick, wenn er hochmütig über sie hinwegsah. Er mochte dieses demütige Ducken nicht. Er war selbst zu sehr Kämpfernatur und achtete einen mutigen Gegner.
Dieses Mädchen schien von anderem Schlag zu sein als die Erzieherin, die bisher auf der Burg gewesen war und keine Entscheidung ohne Rücksprache mit ihm zu treffen wagte. Hoffentlich war dieses Mädchen hier ein wenig selbstständiger und klagte ihm nicht den ganzen Tag die Ohren voll.
Freilich, es würde ihr sehr schwerfallen, an die Kinder heranzukommen, die genau wie er allem Neuen gegenüber misstrauisch und zurückhaltend waren. Sie würden zwar nicht ausgesprochen bösartig werden, aber sie hatten beide eine hochmütige Art, einen anderen zu schneiden, die selbst ihn manchmal verblüffte.
Das Mädchen blieb eine Weile staunend stehen und machte keinen Hehl aus seiner Begeisterung.
Ihre Blicke glitten entzückt über die schweren dunklen Möbel, blieben an den mächtigen Sesseln hängen und schweiften dann über den wundervollen Wandgobelin.
Ihre bewegten Züge gaben sehr offen kund, was sie empfand und wie das wundervolle Zimmer auf sie wirkte. Wie in einem offenen Buch konnte der Mann in diesen klaren Augen lesen.
Er hatte Muße, seinen Blick diskret über die zierliche Gestalt gleiten zu lassen.
Das Mädchen machte einen sehr vornehmen Eindruck und war einfach, aber elegant gekleidet.
Pechschwarzes Haar, wie der Mann es bisher nur selten gesehen hatte, fiel weich und locker in die Stirn. Das Gesicht hatte eine zarte braune Tönung.
Wie dieses Mädchen es in Zukunft schaffen sollte, mit seinen Kindern fertig zu werden, das war dem Mann schleierhaft.
»Kommen wir zur Sache, Fräulein Uhlig«, riss er das Mädchen in die Wirklichkeit zurück.
Phyllis zuckte leicht zusammen und strich sich mit einer hastigen Bewegung die vorwitzige Locke wieder aus der Stirn, eine charakteristische Bewegung, wie der Mann in den wenigen Minuten schon wiederholt festgestellt hatte. Sie schien ihr gar nicht mehr bewusst zu werden.
»Bitte, Herr Baron.« Sie sah ihn erwartungsvoll an. Mit einem leichten Neigen ihres Kopfes setzte sie sich in den ihr angebotenen Sessel und sah ihn erwartungsvoll an. Nichts an ihr verriet, ob sie erregt war. Nur ihre großen schillernden Augen waren von einem unruhigen Licht erfüllt, während sie die langen dunklen Wimpern vor seinem durchdringenden Blick langsam senkte.
»Wie Sie mir schrieben, waren Sie noch nie bei Kindern, Fräulein Uhlig?«
Sie schüttelte den Kopf:
»Nein, Herr Baron. Ich besuchte die höhere Schule, anschließend das Konservatorium. Nach der Ausbildung bin ich zu meinem Großvater zurückgegangen und blieb bei ihm, bis er starb. Nach seinem Tod nahm ich die Stelle bei Frau von Bergen an.«
Bei der Bemerkung, dass sie das Konservatorium besucht habe, hatte es sekundenlang in seinen hellen Augen aufgeblitzt. Aber mit keinem noch so winzigen Zucken seiner Züge verriet er seine Überraschung.
»Glauben Sie denn mit Kindern umgehen zu können, Fräulein Uhlig? Es ist keine leichte Aufgabe. Kinder sind eines der schwierigsten Kapitel im Leben.«
»Ich habe da keinerlei Bedenken, Herr Baron. Ich habe sehr viel Umgang mit Kindern gehabt. Wenn man sie versteht und sie fühlen, dass man sie gern hat und es gut mit ihnen meint, sind sie leicht lenkbar. Man muss nur die nötige Geduld aufbringen.«
Es klang sehr selbstbewusst und überzeugt und doch nicht überheblich.
»Dann wollen wir es miteinander versuchen, Fräulein Uhlig. Ich hoffe, dass Sie sich nicht zu sehr beklagen müssen.«
»Beklagen?«, wiederholte sie leicht verwundert. »Warum wohl sollte ich mich beklagen müssen?«
Er zuckte die breiten Schultern und stand auf, klingelte nach dem Diener, der wenige Minuten später eintrat und abwartend an der Tür stehen blieb.
»Führen Sie Fräulein Uhlig auf ihr Zimmer«, sagte er zu ihm. Er machte eine leichte Kopfbewegung zu dem Mädchen hin, das sich durch diese fast unhöfliche Verabschiedung etwas betroffen fühlte. Sie neigte stolz den Kopf und schritt dann hinter dem Diener her aus dem Zimmer.
Nachdenklich stand der Baron in der Mitte seines Raumes. Er begriff selbst nicht, warum er so unzufrieden war. Eigentlich hätte er doch froh sein müssen, so schnell einen Ersatz gefunden zu haben.
Innerlich aber graute es ihm davor, wenn diese Neue nun auch jeden Abend in sein Arbeitszimmer eindringen würde, um den Tagesplan für den nächsten Tag bei ihm abzuholen. Dann würde sie wohl auch die Gelegenheit beim Schopf fassen und ihre Klagen vorbringen, weil die Kinder einfach nicht folgen wollten.
Grimmig verzog sich sein Gesicht, dann machte er eine abwehrende Handbewegung, als müsste er etwas Unangenehmes wegscheuchen, und wandte sich seinen Büchern zu.
*
Tage waren vergangen. Wider Erwarten war die neue Erzieherin noch nicht in seinem Arbeitszimmer erschienen. Zwar hatte sie sich von ihm am ersten Tag Informationen geben lassen, aber die täglichen Klagen blieben aus.
Fräulein Uhlig schien entschlossen zu sein, sich ohne seine Hilfe bei den Kindern durchzusetzen. Obwohl er ihren Mut bewunderte, war er doch fest davon überzeugt, dass es ein Fehlschlag werden würde. So gut erzogen seine Sprößlinge auch waren, so konnte ihre stumme Abwehr, ihr verbissener Trotz zermürbend sein; und es gab nicht viele, die bisher damit fertig geworden waren.
Unruhe, aber auch eine große Portion Neugierde trieben ihn nach ein paar Tagen, die luftigen Kinderzimmer aufzusuchen. Etwas wie Mitleid mit dem jungen Mädchen, das vielleicht nicht wagte, sich um Hilfe an ihn zu wenden, war in ihm, sodass er den festen Entschluss fasste, von sich aus helfend einzugreifen.
Aus dem Kinderzimmer drangen ihm laute Stimmen entgegen. Im ersten Augenblick glaubte er, es sei ein Streit ausgebrochen, aber dann blieb er verblüfft stehen. Helles fröhliches Lachen folgte, dann die jubelnde Stimme seiner kleinen Tochter:
»Prima, Tante Phyllis, das machen wir.«
»Hurra, das wird eine knorke Sache werden, Tante Phyllis«, klang die etwas dunklere Stimme seines Sohnes auf.
Im gleichen Moment wurde die Tür ungestüm aufgerissen und die beiden Kinder stürmten auf den Gang. Zwischen sich hielten sie an jeder Hand ihre Tante Phyllis, wie sie die neue Erzieherin spontan genannt hatten, als das Eis gebrochen war.
Wirr hing dem Mädchen das pechschwarze Haar ins Gesicht. Ihre Wangen glühten, und der rote Mund blühte wie eine Rose.
Beim Anblick des Barons blieben alle wie angewurzelt stehen, und eine fast peinvolle Verwirrung malte sich auf allen Zügen.
Der Mann musterte mit hochgezogenen Brauen die Kinder, die in kurzen Turnhosen und Hemdchen vor ihm standen. Dann schweiften seine Blicke von den Kindern zu der Erzieherin, die in einer enganliegenden langen Hose und einer sportlichen Bluse zwischen ihnen stand.
Bisher hatte er seine Kinder in einem solchen Aufzug noch nicht gesehen. Miss Mabel war sehr engherzig gewesen, oft unerträglich altmodisch in ihren Ansichten.
Dieses Mädchen aber schien völlig andere Ansichten zu vertreten, und er wusste zunächst nicht, ob er wütend oder erleichtert darüber sein sollte.
Aber dass sie so handelte, ohne seine Meinung darüber einzuholen, das wurmte ihn doch. Schließlich war er der Vater, und sie hatte sich nach seinen Wünschen zu richten.
Phyllis