Da wir uns lieben. Marie Louise Fischer

Da wir uns lieben - Marie Louise Fischer


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»Ich weiß es nicht.«

      Arnold unterdrückte sein Erstaunen darüber, daß sie eine so einfache Frage nicht beantworten konnte. »Wenn du nicht sicher bist, warum hast du ihn dann überhaupt über den Rundfunk suchen lassen?«

      »Weil ich will, daß er nach Hause kommt«, entgegnete sie mit starrem Gesicht.

      »Er kommt ja auch, Rosy!« Arnold tätschelte ihre Hand. »Er kommt bestimmt. Es kann vielleicht noch etwas dauern.« Er sah, wie Andreas seiner Mutter ein Würstchen vom Teller schnappen wollte, und gab ihm einen raschen Klaps auf die Hand. »Laß das!« Er bedauerte jetzt, den Jungen nichts übriggelassen zu haben, aber seit dem mittäglichen Kantinenessen hatte er nichts mehr gegessen und eben selbst Hunger gehabt.

      »Soll ich eine Dose Obst aufmachen?«

      »Au ja!« riefen Christian und Andreas: »Bitte, bitte!«

      »Aber erst wird der Teller leer gegessen, Rosy!«

      »Los, Mutti!« drängten die Jungen. »Nun mach schon!«

      Sie gehorchte lustlos wie ein folgsames Kind. Arnold fand eine Dose mit Schattenmorellen und öffnete sie. Andreas und Christian räumten mit affenartiger Behendigkeit den Tisch ab, donnerten Kompottschalen hin und ließen Löffel über die Resopalplatte rutschen. Arnold verteilte die Kirschen. Sie aßen gerade wieder und begannen den Nachtisch zu essen, als sie den Schlüssel in der Wohnungstür hörten.

      »Das ist er!« rief Rosy tonlos, und ihre Haut wurde durchsichtig vor Blässe. Die Zwillinge sprangen so heftig auf, daß ihre Stühle umpolterten. »Vati! Vati!« schrien sie und rannten los.

      Gleich darauf stürmte Egon Kasparek in die Küche; als er seine Frau und seinen Schwager sah, schnappte er nach Luft. »Du bist …? Ihr seid …? Oh, mein Gott!«

      Arnold kam sich, völlig unbegründeterweise, wie er selbst wußte, ertappt vor. »Ich habe den Reiseruf gehört«, sagte er, »und da bin ich gleich …«

      »Das war hochanständig von dir!«

      Rosy war wie eine Schlafwandlerin aufgestanden. Ihr Mann riß sie in die Arme. »Mein Liebling, mein armer Liebling … ich habe mir wahnsinnige Sorgen gemacht! Wie konntest du nur …! Es ist doch nichts passiert?«

      »Ich war so allein!«

      Egon Kasparek hielt Rosy an sich gepreßt und sah seinen Schwager über ihre Schulter an. »Ich habe es erst beim Tanken erfahren. Ich habe gar kein Radio im Kombi!«

      »Das dachte ich mir schon.« Auch Arnold war aufgestanden.

      »Du mußt doch nicht gehen … nur weil ich nach Hause gekommen bin!«

      »Sabine wartet auf mich.«

      »Ach ja. Natürlich. Grüß sie von mir!«

      »Wird gemacht.« Arnold machte eine Bewegung in Richtung auf seine Neffen, die ihre Eltern splitternackt umtanzten. »Macht’s gut, ihr beiden!«

      »Pfüat di, Onkel Anno!« riefen die Jungen.

      Egon Kasparek reichte ihm, ohne seine Frau loszulassen, die Hand. »Ich danke dir. Ich werd’ dir das nie vergessen.«

      »Ach was denn! Nicht der Rede wert. Vergiß nicht, den Rundfunk anzurufen … daß du gefunden bist.«

      »Mach’ ich. Du findest doch allein raus?«

      »Aber ja.« Arnold durchquerte mit raschen Schritten die Wohnung und betrat das Treppenhaus. Er kam sich mehr als überflüssig vor, fühlte sich wie ein Mensch, der widerrechtlich den Schleier eines Geheimnisses gelüftet hatte, ohne doch zu begreifen, was sich dahinter verbarg. Als er sein Auto aufschloß, fiel ihm ein, daß Rosy sich nicht bedankt, ja, ihm nicht einmal auf Wiedersehen gesagt hatte.

      Als Arnold Miller seinen Wagen in die Garage fuhr, war es neun Uhr vorbei. Er legte sich die Worte zurecht, um Sabine sein langes Ausbleiben zu erklären, aber sie fragte gar nicht danach. »Na, endlich!« sagte sie nur und gab ihm einen raschen Kuß auf die Wange. »Hast du schon gegessen, oder soll ich dir einen Teller Suppe warm machen?«

      »Ich könnte schon noch etwas vertragen!«

      Sie war ihm vom Garten her entgegengekommen, jetzt hakte sie sich, während sie auf das Haus zugingen, bei ihm ein. »Große Dinge haben sich in deiner Abwesenheit getan.«

      »Ja?« fragte er zerstreut, in Gedanken immer noch bei den Kaspareks.

      »Du wirst staunen«, fuhr sie munter fort, »Ilona hat sich verlobt.«

      Er verhielt den Schritt. »Du machst Witze!«

      »Aber nein, es ist wirklich wahr! Sie wollten es dir doch selbst sagen, aber du weißt ja, wie sie sind … sie hatten noch was vor und konnten nicht so lange warten.«

      »Wer?«

      »Oswald Zinner und Ilona natürlich … Knut ist auch weg.«

      »Na, dann muß ich ja wohl dankbar sein, daß ich wenigstens aus deinem Mund etwas über diese sogenannte Verlobung erfahre.«

      Sie drückte seinen Arm. »Nun sei nicht gleich böse, Arnold!«

      »Ich bin enttäuscht«, sagte er und ärgerte sich über seinen eigenen schulmeisterlichen Ton, an dem er jedoch nichts ändern konnte, »was man mir wohl nicht verübeln kann. Ich hatte mir die Verlobung meiner Tochter eben anders vorgestellt.«

      »Aber du weißt doch, wie die jungen Leute heutzutage sind!«

      »Leider, kann ich da nur sagen.« Er war ihr in die Küche gefolgt. Sabine stellte den Elektroherd an. »Wir werden die Welt nicht ändern«, sagte sie leichthin, »Hauptsache, daß wir uns darin zurechtfinden.«

      Er war verärgert, mehr noch, er fühlte sich abgeschlagen; zuviel war in den letzten Stunden auf ihn eingestürmt. Es kränkte ihn, daß Sabine nicht aufnahmebereit für seine Erlebnisse, sondern ganz erfüllt von Ilonas Verlobung war, die doch ohne sein Zutun, ja, gegen seine Voraussage zustande gekommen war.

      Sie deckte rasch für ihn den Tisch, stellte Brot und Butter, eine Flasche Bier und ein Glas vor ihn hin. »Mir ist, ehrlich gestanden, ein Stein vom Herzen gefallen, als sie es mir sagte. Ich hatte immer Angst, Ilona würde sich durch diese … na, Freundschaft, das Leben vermasseln.«

      »Und diese Angst hast du jetzt nicht mehr?« fragte er nörglerisch.

      »Na, ich bitte dich, wenn sie sich doch verloben!«

      »Das ist leicht gesagt.«

      Sabine hatte die Flasche geöffnet, das Glas in die Hand genommen und wollte ihm gerade Bier eingießen; jetzt hielt sie mitten in der Bewegung inne. »Wie meinst du das nun schon wieder?«

      »Bisher hat noch niemand bei mir um ihre Hand angehalten.«

      Sie lachte. »Das wird auch niemand, Arnold. Auf den Gedanken käme Oswald Zinner gar nicht.«

      »Ja, weil wir kleine Leute in seinen Augen sind. Hätte er ein Mädchen aus seinen Kreisen gewählt, dann würde er sich schon so benehmen, wie es sich gehört. Aber auf uns braucht man ja keine Rücksicht zu nehmen.«

      »Arnold!« mahnte sie schärfer als es nötig gewesen wäre, denn sie wollte sich nicht eingestehen, daß auch sie etwas ganz Ähnliches empfunden hatte. »Das ist aber nun doch wirklich kindisch!«

      »Findest du? Ich nicht.« Er nahm ihr Flasche und Glas aus der Hand und schenkte sich selbst ein. »Ich hätte keineswewgs einen Heiratsantrag am Sonntag vormittag erwartet, im dunklen Anzug, mit Rosen und allem, was mal dazu gehörte … aber immerhin, ein vernünftiges Gespräch wäre schon angebracht gewesen … wann sie heiraten wollen und wie sie sich die Zukunft vorstellen und so weiter.« Er leerte durstig sein Glas. »Aber entweder ist ihnen schnurz, was wir von ihnen denken … oder aber diese ganze sogenannte Verlobung ist nichts als ein Trick, um uns Sand in die Augen zu streuen.«

      »Arnold!«

      Er setzte das Glas mit einem Knall auf den Tisch. »Du


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