Verbrechen und Wahrheit (eBook). Alex Marzano-Lesnevich

Verbrechen und Wahrheit (eBook) - Alex Marzano-Lesnevich


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      Alex Marzano-Lesnevich

      Verbrechen und Wahrheit

      Ein autobiografischer Kriminalroman

      Aus dem amerikanischen Englisch

      von Sigrun Arenz

      ars vivendi

      Die Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel

      The Fact of a Body. A Murder and a Memoir bei Flatiron Books.

      Copyright © 2017 by Alexandria Marzano-Lesnevich

      Vollständige eBook-Ausgabe der im ars vivendi verlag erschienenen Deutschen Originalausgabe (1. Auflage November 2020)

      © 2020 by ars vivendi verlag

      GmbH & Co. KG, Bauhof 1,

      90556 Cadolzburg

      Alle Rechte vorbehalten

      www.arsvivendi.com

      Datenkonvertierung eBook: ars vivendi verlag

      eISBN 978-3-7472-0191-6

      Für meine Eltern

      Inhalt

       Ein Hinweis zu den Quellen

       Rechtlicher Hinweis

       Prolog

       Erster Teil: Das Verbrechen

       Zweiter Teil: Die Konsequenzen

       Dritter Teil: Der Prozess

       Dank

      Ein Hinweis zu den Quellen

      Ich habe Ricky Langleys Leben mithilfe öffentlicher Gerichtsakten, Transkripte, Zeitungsartikel und Fernsehbeiträge und in einem Fall unter Verwendung eines Theaterstücks, das auf Interviews basierte, rekonstruiert. In diesem vielfältigen Quellenmaterial bin ich auf widersprüchliche Aussagen gestoßen, sodass ich mich oft für eine davon entscheiden musste, um eine zusammenhängende Erzählung zu ermöglichen. Noch häufiger habe ich mich dazu entschlossen, die unterschiedlichen Versionen, Behauptungen, Versprecher und Auslassungen gleichberechtigt aufzunehmen, um die Widersprüche und Leerstellen zu veranschaulichen. Zusätzliche detaillierte Informationen zu den Quellen finden Sie im Anhang dieses Buches.

      Jedem Ereignis, von dem ich hier berichte, liegen Aussagen mindestens einer Person zu seinem Ablauf zugrunde – oder es handelt sich um eine Begebenheit, die ich aus verschiedenen Beschreibungen kompiliert habe (siehe auch hierzu den Anhang zu den Quellen). Wo immer ich mit Transkripten gearbeitet habe, habe ich die Dialoge im Interesse der Klarheit und des Erzähltempos gestrafft und redigiert. Ein bedeutender Teil der Vorfälle, über die ich hier schreibe, hat sich in der Öffentlichkeit und begleitet von großem Medienrummel zugetragen, aber ich habe dennoch einige Namen abgeändert. Die beiden Rechercheexkursionen, die das Rückgrat des dritten Teils bilden, bestanden in Wirklichkeit aus vielen Trips im Verlauf mehrerer Jahre. Ich habe sie hier komprimiert; die beschriebenen Ereignisse haben aber alle genau so stattgefunden.

      Wenn ich auch keine Tatsachen geändert oder dazuerfunden, sondern mich vielmehr auf die Dokumente gestützt habe, die zur Hauptquelle dieses Buches wurden, habe ich doch gelegentlich meine Vorstellungskraft genutzt, um die nüchternen Fakten der Vergangenheit zum Leben zu erwecken. Wo das der Fall ist, habe ich es im Quellenanhang gekennzeichnet. Auf jeden Fall enthält die Darstellung meine Interpretation der Fakten, meine individuelle Lesart, und ist mein persönlicher Versuch, diese Geschichte aus den Einzelteilen zusammenzusetzen.

      Insofern ist es einerseits ein Buch über das, was tatsächlich passiert ist, andererseits aber auch darüber, wie wir mit dem umgehen, was geschehen ist. Es geht um einen Mord, es geht um meine Familie, es geht um die anderen Familien, deren Leben von diesem Mord berührt wurden. Vor allem aber geht es darum, wie wir unser Leben, unsere Vergangenheit und einander deuten und verstehen. Zu diesem Zweck erfinden wir alle unsere Geschichten.

      Rechtlicher Hinweis

      Dieses Werk ist nicht vom Louisiana Capital Assistance Center – einer Kanzlei, die Menschen vertritt, die wegen eines Kapitalverbrechens angeklagt sind – autorisiert oder genehmigt worden, und auch nicht von den Klienten dieser Organisation. Die hier zum Ausdruck gebrachten Ansichten geben einzig und allein die Meinung und Haltung der Autorin wieder. Die Beschreibungen der einzelnen Parteien vor Gericht und die Umstände und Ereignisse der dort verhandelten Verbrechen entstammen ausschließlich den Gerichtsakten, anderen öffentlich zugänglichen Informationen und den Recherchen der Autorin.

      Prolog

      »Es kann immer vorkommen, dass die Lösung

      eines Rätsels ein weiteres auflöst.«

      Truman Capote, Kaltblütig

      »Wissen Sie, er war einfach nur unser Ricky.«

      Darlene Langley, Schwester von Ricky Langley

      Es gibt in der Rechtsprechung das Prinzip der unmittelbaren Ursache, das Jurastudenten im ersten Semester anhand des Falls Palsgraf gegen die Eisenbahngesellschaft von Long Island vermittelt wird. Stellen Sie sich folgende Szene vor: Es ist das Jahr 1924, und Helen Palsgraf macht mit ihren zwei kleinen Töchtern einen Nachmittagsausflug an die Bucht von Rockaway. Es ist ein sehr heißer Tag, und das Reihenhaus in Ziegelbauweise, in dem die Mädchen, ihr älterer Bruder und die Eltern leben, ist stickig. Jetzt, da die Ferien angefangen haben und es nichts zu tun gibt, jammern die Mädchen schon seit Tagen, und Helen hat beschlossen, mit ihnen an den Strand zu fahren. Vielleicht hat sie ein Baumwollkleid über ihren Badeanzug gezogen und zum Schutz vor der Sonne einen Strohhut mit breiter Krempe aufgesetzt. Nun lehnt sie sich an ein Geländer am Bahnsteig und fächelt sich mit dem Hut Luft zu. Ein, zwei Meter entfernt spielen die Mädchen mit einer Puppe, die eine von ihnen mitgenommen hat. Helen beobachtet sie träge.

      Am anderen Ende des Bahnsteigs, zehn Meter entfernt, rennt ein junger Mann auf den Zug zu, der gleich abfährt, ein Express zur Jamaica Station in Queens. Vielleicht hat er vor, dort seine Freunde zu treffen, um eine feuchtfröhliche Nacht zu verbringen. Sie werden Bier trinken; sie werden einer Band lauschen; sie werden mit hübschen Mädchen tanzen. Vielleicht wird er sogar das Mädchen küssen, von dem sein Cousin ihm erzählt hat, eine Schönheit aus Connecticut. Er ist mit zwei anderen jungen Männern unterwegs, und sie alle rennen zum Zug, aber der Mann, um den es uns hier geht, trägt ein längliches Päckchen unter dem Arm, etwa vierzig Zentimeter lang und eingewickelt in Zeitungspapier.

      Der Zug ist schon angefahren, die großen metallenen Räder drehen sich schneller und schneller, aber der Mann will seinen großen Abend nicht verpassen und hetzt hinterher. Wird er es schaffen?

      Der Zug schwenkt aus. Zwischen ihm und dem Bahnsteig ist jetzt eine Lücke.

      Der Mann springt.

      Im Zug lehnt sich ein Schaffner nach vorn, packt ihn am Arm und zieht ihn hinein. Vom Bahnsteig aus gibt ein Bahnbeamter ihm einen Schubs. Der Mann landet sicher im Inneren des Zuges.

      Aber das Päckchen fällt ihm aus der Hand – und als es auf dem Boden auftrifft, explodiert es. In dem Zeitungspapier befanden sich Feuerwerkskörper.

      Am nächsten Morgen berichten die Zeitungen von Dutzenden Verletzten. Das Haar eines Teenagers fing Feuer. Eine


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