Verbrechen und Wahrheit (eBook). Alex Marzano-Lesnevich
Prozesstag ruft die Anklage Lorilei in den Zeugenstand. Sie erzählt den Geschworenen, wie sie Jeremy sein Luftgewehr reichte. »Das war das letzte Mal, dass ich ihn sah«, sagt sie, dann verbessert sie sich: »Ich meine – es war das letzte Mal, dass ich ihn lebend sah.« Sie berichtet, wie sie zum Haus der Lawsons ging, um ihn zu suchen. Von ihrer Begegnung mit Ricky. Von dem Telefonanruf.
Der Staatsanwalt dankt ihr. Der Richter entlässt sie. Sie kehrt an ihren Platz zurück, und der Prozess geht weiter.
Aber am vierten Tag fordert die Verteidigung sie auf, in den Zeugenstand zu treten.
Die Geschworenen müssen in diesem Moment sehr verwirrt sein. Sie ist die Mutter des toten Jungen. Sie hat bereits ausgesagt. Tagelang haben sie Bilder von Jeremys Leiche angeschaut. An einer Stelle hat einer der Geschworenen bei der Betrachtung der Bilder einen Weinkrampf bekommen, und der Richter musste die Verhandlung unterbrechen. Warum ruft die Verteidigung sie auf?
Aber sie erhebt sich und geht zum Zeugenstand. Sie weiß mittlerweile alles über Rickys Leben. Jahrelang hat sie sich damit beschäftigt. Sie setzt sich auf die hölzerne Bank, glättet das Kleid über ihrem Schoß und wendet sich der Jury zu.
»Möchten Sie den Geschworenen irgendetwas sagen?«, fragt der Verteidiger. Er ist ein hochgewachsener, schlanker Brite. Er verteidigt Ricky seit vielen Jahren.
»Ja«, antwortet sie mit fester Stimme. »Das möchte ich.«
Im Saal muss es jetzt ganz still geworden sein, jeder horcht gebannt, was sie zu sagen hat. Lorilei holt tief Luft. Dies sind die Worte, die sie vorbereitet hat.
»Obwohl ich jeden einzelnen Tag den Todesschrei meines Kindes höre, kann ich auch Rickys Hilfeschrei hören.«
Es ist Ricky, für den sie aussagt. Sie versucht ihn am Leben zu erhalten.
Ich lese die Worte, die sie im Gerichtssaal gesprochen hat, und sehe meinen Vater, wie er die Finger um die Hand meines Großvaters schließt. Er fühlt das Gewicht dieser Hand in der seinen. Er stützt ihn und hievt den alten Mann ins Auto, sodass er ihn über die Brücke fahren kann. Damit er ihn heim zu uns bringen kann.
Ich will – ich muss – verstehen.
Zweiter Teil: Die Konsequenzen
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