Die Legende von Arc's Hill. Michael Dissieux

Die Legende von Arc's Hill - Michael Dissieux


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zu schwach, sich dem Bösen und der Arglist jener fremdartigen Bedrohung zu stellen.

      Re´grith Dath ging unter, in einem gewaltigen Sturm aus Asche, Staub, Schreien und dem triumphalen Geheul der neuen Herrscher. Bis es nur noch totes Schweigen und kalte Stille in den Straßen und Gärten der Stadt gab. Alles Leben wurde ausgelöscht, und nach dem Sturm versank Re´grith Dath in der Schwärze des Vergessens.«

      In meinen Gedanken entstanden Bilder schrecklichster Gräueltaten. Ich hörte erbärmliche Schreie von Wesen, die Kinder sein mochten, und das Wehklagen weiblicher Stimmen. Dazu das aufgebrachte, jedoch aussichtslose Gebrüll männlicher Kehlen. Ich sah Rauch über der Stadt, die jeglichen Glanz und die Pracht ihrer Bauten verloren hatte und nur noch einer schwarzen, sterbenden Silhouette vor einem rotglühenden, brennenden Himmel glich.

      Ich konnte die Verheerung riechen, die sich stinkend durch die Straßen und Gassen wälzte und nichts verschonte und lebendig zurückließ.

      Was war Traum? Konnte man im Traum den Tod riechen? Erlebte man im Traum den Niedergang mit der namenlosen Furcht der Opfer?

      Eine eisige Kälte hielt mich gefangen und verwandelte meine Gedanken in düstere, triste Szenarien grausamster Härte. Ich wollte meinen Blick abwenden, fort von dem scheußlichen Schrecken der Vernichtung, die wie ein gewaltiger, schwarzer und tosender Sturm über die Dächer der Stadt hinwegbrauste.

      Doch war mein Wille längst nicht mehr der meine. Ich spürte das schattengleiche Wesen stärker als je zuvor in mir; in meinen Gedanken, meinem Körper, selbst in dem kalten Entsetzen, das mich gepackt hatte. Er wollte, dass ich diese Bilder sah. Er wollte mir den grausigen Untergang seines Reiches darbieten und mir all die unsägliche Scheußlichkeit nahebringen, die lange vor dem Beginn der Zeiten seinem Volk zugefügt worden war. Ich sollte teilhaben am Sterben eines lange vergessenen Zeitalters.

      Mir schwanden die Sinne, und ich sehnte mich nach dem Erwachen und der Erlösung aus diesem gottlosen Traum. Doch das Wesen hielt mein Denken mit eiserner Kälte in seinem Bann und mich aufrecht, angesichts all jener abstoßenden Bilder, die es mir vorführte.

      Dann plötzlich, mit einem letzten Schlag, verhallten das Sterben und die Schreie in meinem Kopf, und die Bilder aus Feuer und Asche verblassten.

      Zurück blieben farblose Schemen der schrecklichen Geschehnisse und ein fernes Echo des Gebrülls, bis auch diese verschwanden und eine fast unerträgliche Stille einkehrte, die mein Denken zu zerschneiden drohte. Noch immer hielt mich die Kreatur in ihrem Bann. Eine feine, ferne Melodie erklang, ähnlich dem leisen Flüstern eines Chores. Nur mit Mühe erkannte ich darin die Stimme meines Gegenübers, dessen Worte meinen Verstand wie das stete Rauschen von Meereswellen erfüllten.

      »Es gibt einen Weg, das einst stolze und blühende Re´grith Dath ans Licht zu heben. Nur wenigen ist es gegeben, diesen Weg zu bestreiten, und nur die reinsten Geister sind auserwählt, den Weg hinab in das dunkle Grab der Stadt anzutreten. Du hast die Macht, neues Leben nach Re´grith Dath zu bringen und die ewige Finsternis, die unsere Gruft ist, mit Licht zu zerschneiden.«

      Plötzlich spürte ich, wie mich die eisige Umklammerung des Schattenwesens losließ. Augenblicklich taumelte ich und stürzte auf den harten Steinboden. Mit verschwommenem Blick sah ich zu dem Wesen auf und bemerkte mit Ehrfurcht und Entsetzen, dass sich das Geschöpf genähert hatte und nun gebieterisch über mir aufragte. Noch immer war es mir unmöglich zu erkennen, ob es sich bei der Gestalt um einen Menschen handelte.

      Dann versank mein Verstand wieder im rauschenden Meer der Worte, die das Wesen an mich richtete.

      »Du musst die Pforte finden.«

      Ich glaubte, eine Erregung innerhalb des Schattenwesens erkennen zu können, ein feines Vibrieren des amorphen Leibes.

      »Der Ort in deiner Welt, den du deine Heimstatt nennst, ist ein kosmischer Ort. Jene Herrscher aus fernen Welten und Zeiten, die uns einst besiegten und dem düsteren Schicksal übergaben, begruben unsere Geister sowie die allumfassende Herrlichkeit unseres Gottes tief in der kalten, harten Erde jenes mystischen Ortes und belegten die Pforte mit einem Bannspruch, den nur eine lebendige Stimme brechen kann.« Plötzlich ebbte die Melodie der Gestalt zu einem traurigen Klagelied ab. »Lange blieben die Zeiten still und deine Welt leer. Erstes Leben, das die giftige Luft atmete, blieb stumm und konnte unseren Zwecken nicht dienen. Und so verharrten unsere Geister innerhalb der schweigenden Mauern dieser Stadt und verloren jegliche Hoffnung, dass da einmal der Tag kommen möge, wo lebendige Stimmen deine Welt bevölkerten. Viele von uns verendeten und gaben sich dem Nichts der ewigen Reise durch den Kosmos hin.«

      Wieder begann die Gestalt zu erzittern, als versetze sie die pure Erinnerung in zornige Ekstase.

      »Doch dann begann deine Gattung, das Menschentum, diesen Planeten zu besiedeln, gesandt von weit jenseits der Grenzen vorstellbarer Orte. Und mit dem Erklingen eurer Stimmen erwachte in den verbliebenen wenigen Geistern der Altzeit die Hoffnung auf Erlösung. Doch war es den ersten aufrechtgehenden Kreaturen deiner Welt nicht vergönnt, die Sprache so zu benutzen, dass man sie als verständlich hätte erklären können. Und wieder befiel unser Volk tiefste Resignation. Viele Zeitalter vergingen und wurden wie ihre Namen vergessen, bis endlich Wesen zu diesem Ort kamen und ihn besiedelten. Doch selbst diesen Lebewesen war es nicht möglich, ihre tierische Sprache zu unseren Gunsten einzusetzen. Erst als sich die Zeiten weiterdrehten und aus den primitiven Tieren die Menschen emporwuchsen, war es uns möglich, in Kontakt mit einigen Auserwählten deiner Spezies zu treten.«

      Immer noch lag ich auf der Erde, mir der Demut unbewusst, die ich diesem formlosen Geschöpf entgegenbrachte.

      »Gehe und finde die Pforte. Finde den alten Ort, der den Eingang nach Re´grith Dath bildet und den nur die Formel des Rulth´matheth, des obersten Gottes unserer Welt, zu öffnen vermag. Gehe und finde den versteinerten Kreis der alten Bäume, die einst in vergessenen Zeitaltern die Wächter der Pforte waren. Und sprich die Worte des Rulth´matheth, um den Bann der Zerstörer zu brechen und Licht und Leben in die Häuser und Straßen von Re´grith Dath zu bringen.«

      Ein tiefes Schaudern ergriff das gestaltlose Wesen, seiner Kehle entrann ein gutturales Stöhnen, das mich an Wollüstigkeit denken ließ.

      »Sprich die Worte des Rulth´matheth, die ältesten, sakralen Worte, die einst die obersten Herrscher verwendeten, breche das Siegel jener schauerlichen Horden, die aus fernen Welten einfielen, und öffne die Pforte nach Re´grith Dath.« Plötzlich spürte ich, wie mein Körper von einer ungestalteten Macht ergriffen und aufgerichtet wurde.

      Ich ließ es geschehen, als sei es nicht mein eigener Leib, der willenlos gehalten wurde und die Kälte tiefster Furcht und höchster Erregung gleichermaßen spürte.

      Und dann, als das Wesen direkt vor mir stand und meine Augen schmerzten ob des gleißenden Scheines, hörte ich endlich und zum ersten Mal jene Worte, von denen Charles Ward in seinem Tagebuch berichtet hatte.

      Jene Worte, aus einer Zeit, bevor die Zeiten geboren waren und unsere Welt aus Feuer und Asche bestand.

      Jene Worte, von einem Ort weit jenseits jeglicher menschlicher Vorstellungskraft.

      Ich schloss die Augen und lauschte der verlockenden Melodie jener uralten, vergessenen Beschwörung, welche den Bann zu brechen vermochte und die Pforte nach Re´grith Dath, der Traumstadt der Ältesten, öffnen würde …

      Mike fand den Aufstieg in die dunklen Berge in der darauffolgenden Abenddämmerung ohne Probleme.

      Am frühen Mittag hatte er das ›Knights Head‹ aufgesucht, getrieben von einem fast zügellos zu nennenden Begehren und immer noch berauscht von der melodischen, sirenengleichen Stimme Nad´naruhls. Das furchtbare Gefühl, nicht Herr seiner Sinne und seines Leibes zu sein, ließ Mike schwindeln und verlieh ihm doch eine tiefe, unbekannte Haltung, derer er sich als unwürdig erachtete.

      Der Schankwirt der Taverne, der sich ihm endlich als Daniel Paxton vorgestellt hatte, war bleich geworden und in seiner massigen Erscheinung zusammengesunken, als Mike ohne weitere Umschweife auf den Grund seines


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