Mamma mia! Tagebuch einer Schwangerschaft. Karin Milles
Karin Milles
Mamma Mia!
Tagebuch einer Schwangerschaft
Aus dem Schwedischen von Regine Elsässer
Saga
Vorwort
Dies ist das Tagebuch meiner Schwangerschaft. Bevor ich schwanger wurde, hatte ich keine Ahnung, dass das Austragen eines Kindes ein so umwälzender und durchgreifender Vorgang ist. Manchmal hatte ich das Gefühl, meine Gedanken seien Tag und Nacht nur damit beschäftigt. Wenn ich mir nicht in der Teeküche meines Instituts Geburtsgeschichten anhörte, hatte ich Rückenschmerzen oder lief aufs Klo. Oder ich schlief.
Ich hatte ein schier unersättliches Bedürfnis, über alles, was mit Schwangerschaft zu tun hatte, zu diskutieren. Ich konnte stundenlang über die aktuellen oder kommenden Vorgänge in meinem Körper sprechen. Ich habe mir unzählige Geschichten über die Schwangerschaften von anderen angehört, und ich hätte bestimmt nochmal so viele anhören können.
Natürlich habe ich auch die entsprechende Literatur verschlungen. Es war schon interessant zu lesen, wie viel Gramm der Fötus in welcher Woche wiegt, wann die Übelkeit vorübergeht oder was es mit der Lockerung des Beckens auf sich hat, aber ich wollte auch wissen, was andere schwangere Frauen dachten. Was fühlten sie, als sie feststellten, dass sie ein Kind bekommen würden, wie dachten sie über das Liebesleben nach, und wie reagierten sie darauf, Mutter zu werden?
Verständlicherweise konnte kein Geliebter, keine Freundin oder Bekannte mein Bedürfnis nach Gesprächen befriedigen. Das Tagebuch wurde deshalb mein ständiger Begleiter. Wann immer mir etwas einfiel, schrieb ich meine Gedanken auf – alles von alltäglichen Beobachtungen der körperlichen Veränderungen und dem Gejammer über Wehwehchen bis zu ernsthafteren Überlegungen, wie ein Kind mein Leben und das meines Mannes verändern würde. Gar nicht zu reden von noch ernsteren Gedanken über die Bedeutung von Schwangerschaft und Mutterschaft in unserer Gesellschaft.
Dieses Buch ist also mein Versuch, im Verlauf der Schwangerschaft eine Antwort zu finden auf die Frage, wie man als Mensch, Frau, Feministin, Freundin, Geliebte und Erwerbstätige Mutter werden kann, ohne den Verstand zu verlieren. Ich weiß nicht, ob es mir geglückt ist, das Tagebuch jedenfalls ist voll geworden. Es wurde genau das Buch, das ich damals hätte lesen wollen – die Gedanken einer Frau während ihrer Schwangerschaft.
Man misst den Fortgang einer Schwangerschaft nach der Anzahl der Wochen. Wenn man sagt, eine Frau ist in der 10. Woche, bedeutet das, dass die Schwangerschaft neun volle Wochen und ein paar Tage alt ist. Eine Schwangerschaft dauert normalerweise 40 Wochen, biologisch gesehen sind es jedoch nur 38 Wochen. Die zwei zusätzlichen Wochen kommen daher, dass man vom ersten Tag der letzten Menstruation an rechnet und nicht vom Eisprung, der zwei Wochen später stattfindet. Man macht das, weil die Menstruation das zuverlässigere Zeichen ist. Wenn man die zwei Wochen dazuzählt, ist man zum Zeitpunkt der Empfängnis also schon in der dritten Woche.
Im Tagebuch wird jede neue Woche mit einem kurzen Abschnitt über die Entwicklung des Fötus eingeleitet und den Vorgängen im Körper der werdenden Mutter. Diese Abschnitte wurden von Marika von Hámos, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, durchgesehen.
3. Woche
Die Befruchtung findet statt, und das Ei teilt sich. Es wandert langsam durch den Eileiter und nistet sich dann in der Gebärmutterwand ein. Manche Frauen verspüren das Festwachsen als Stich, oder sie haben eine kleine Blutung, die so genannte Nidationsblutung. Der Schleimpfropfen, der die Gebärmutter verschließt, bildet sich.
4. Woche
Der Mutterkuchen entwickelt sich. Der Zellhaufen ist jetzt fast 1 mm groß, Vorstadien von Gehirn und Rückenmark werden gebildet.
Die werdende Mutter kann den gestiegenen Progesterongehalt als verstärkte Müdigkeit spüren.
5. Woche
Der Embryo hat die Anlagen für das Nervensystem, das Gehirn und das Rückenmark gebildet. Auch die Nabelschnur entwickelt sich.
Die werdende Mutter kann schon jetzt unter Übelkeit und Müdigkeit leiden und ein Spannen in den Brüsten spüren.
Donnerstag, der 22. Juli 1998
Wir bekommen ein Kind! Ich habe heute einen Schwangerschaftstest gekauft, weil ich ein paar Tage über die Zeit bin. H. und ich waren bei einem Thailänder essen, und danach habe ich einfach das Teststäbchen genommen und bin auf die Toilette gegangen. H. war ziemlich durcheinander, als ich zurückkam und nur genickt habe. Dann saßen wir auf den hohen Hockern und haben versucht, das Unbegreifliche zu begreifen. Wir bekommen ein Kind!
Ich hatte es allerdings bereits geahnt. Schon als ich im letzten Monat das Stechen beim Eisprung spürte, dachte ich, dieses Mal könnte es klappen, zumal wir nicht mehr verhüten. In den Tagen nach dem Eisprung spürte ich auch etwas in der Bauchgegend. Etwas Kleines, Warmes. Ich habe es niemandem erzählt, nicht einmal H., das Kleine, Warme war mein Geheimnis. Ich mixte meine Gin Tonics sehr schwach, und am Wein zum Essen nippte ich nur. Ich hatte zwar früher auch schon geglaubt, schwanger zu sein, und war es dann nicht, aber dieses Mal war es irgendwie anders. Und ich habe mich nicht getäuscht. Ich bekomme wirklich ein Kind. Ich werde wirklich Mutter.
6. Woche
Schon jetzt bilden sich am Embryo kleine Knospen für die Arme, und mit Ultraschall kann man die Anlagen für Augen und Ohren erkennen. Das Herz schlägt.
Viele Frauen reagieren empfindlich auf bestimmte Gerüche und Geschmäcke und finden, dass beispielsweise Kaffee überhaupt nicht mehr schmeckt. Auch die Brüste verändern sich, sie schmerzen vielleicht oder zeigen Pigmentveränderungen.
Dienstag
Ich bin jetzt in Griechenland. Wir hatten uns Sonne und Ferien vorgestellt, aber ich liege nur auf dem Bett, und mir ist übel. Draußen in der gnadenlosen Sonne zirpen die Zikaden. Es ist sehr heiß, über dreißig Grad. Ich weiß nicht, ob es die Hitze ist oder das Warme im Bauch. Aber H. geht es prima, er fährt mit dem Moped spazieren.
Ich spüre die Schwangerschaft überall. Die Brüste spannen, viel mehr als sonst vor der Menstruation. Ich muss sogar auf dem Rücken schlafen, weil es so wehtut, auf ihnen zu liegen. Wenn ich pinkeln muss, dauert es ewig, als ob etwas im Weg wäre. Und der Bauch fühlt sich an wie aufgebläht, wie nach einem zu reichlichen Essen. Aber ich möchte ihn nicht einziehen, ich sorge mich um das Kleine, Warme.
Ich habe mich schrecklich geärgert, als ich hörte, wie eine Kollegin eine schwangere Frau ermahnte, sich in den Ferien nur ja zu schonen. «Schone dich und lass es dir gut gehen, du musst überhaupt nichts, nur ausruhen.» Ich verstehe nicht, warum die Schwangerschaft für Frauen als Grund herhalten muss, es sich gut gehen zu lassen. Warum werden nicht alle und immer ermahnt, sich nicht zu überarbeiten und sich auszuruhen? Warum darf man nur, wenn man schwanger ist, sorgsam mit sich selbst umgehen, also wenn man die Verantwortung für ein anderes kleines Leben hat? Ist das eigene Leben das nicht auch wert?
Ich denke jetzt allerdings, dass es stimmt. Auch wenn mein Leben im Prinzip genauso viel wert ist wie das des Babys, kann ich sorgsam mit mir umgehen oder auch nicht, und das ist dann meine Entscheidung. Aber das Baby hat nicht entschieden zu entstehen, und es kann auch nicht entscheiden, wie es leben will. Deshalb habe ich die Verantwortung, dass es ihm gut geht. Blöd, dass ich nicht mehr unabhängig bin und machen kann, was ich will, saufen oder mich prügeln ... alles, was ich jetzt tue, hat Rückwirkungen auf ein anderes Leben, und ich muss mich entsprechend verhalten.
Ich darf also keinen Alkohol mehr trinken, ausgerechnet hier, wo er so billig ist! Ich frage mich wirklich, wie ich es schaffen soll, neun lange Monate auch auf das allerkleinste Gläschen zu verzichten. Ich brauche ja keine großen Mengen, schon ein Glas genügt, aber Alkohol ruft einfach diese außergewöhnlichen Gefühle hervor. Natürlich kommt man durch Fallschirmspringen, null Fehler in der Prüfung und Sich-Verlieben in den