Mamma mia! Tagebuch einer Schwangerschaft. Karin Milles

Mamma mia! Tagebuch einer Schwangerschaft - Karin Milles


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den Bergen verfahren, wenn das Baby Hunger hat oder die Windel voll ist? Wird unsere Beziehung es überhaupt überleben? Ich meine, was man so hört, ist nicht besonders ermutigend.

      Offenbar stirbt zuallererst das Sexleben. Was bei uns schon geschehen ist. Wir haben hier unten erst einmal Sex gehabt. Und das war auch nicht so besonders. H. hatte Angst, dem Baby zu schaden, obwohl wir gelesen hatten, dass es nicht gefährlich ist. Und für mich war es, als ob ich den Geschlechtstrieb irgendwie abgeschaltet hätte, mein Unterleib ist mit etwas anderem beschäftigt. Ich mag noch nicht einmal an Sex denken. Die Rolle der Schwangeren und werdenden Mutter kollidiert mit der Rolle der Liebhaberin. Sex kommt mir irgendwie merkwürdig vor oder vielleicht sogar verboten. Es klingt total idiotisch, aber so kommt es mir vor.

      Und das ist das Ende unserer Beziehung. Auch wenn mir für den Moment nichts fehlen wird bei meiner selbstzufriedenen und asexuellen Mütterlichkeit, wird H. enttäuscht sein, dass ich mich verändert habe und nicht mehr die klasse Frau bin, die ich bisher war, sondern plötzlich im geblümten Kleid und mit Babyspucke auf der Schulter dastehe und von einem Fest als Erste nach Hause will. Natürlich wird er mich verlassen.

      Und wenn er mich nicht verlässt, weil ich keinen Sex-Appeal mehr habe, verlasse ich ihn, weil er mein Vertrauen verloren hat. Denn offenbar hat trotz des ganzen Geredes über Gleichstellung die Frau zu Hause die Hauptlast zu tragen. Im Flugzeug hierher saß ich neben einer Frau und ihrer zweijährigen Tochter. Sie war frisch geschieden und erzählte, sie habe es so satt gehabt, zu Hause alles machen zu müssen und sich außerdem ständig mit ihrem Mann herumzustreiten. Sie fand, da kann sie sich auch scheiden lassen, dann braucht sie sich wenigstens nicht mehr zu streiten. Ich verstehe sie, ich würde das auch nicht ertragen.

      Ich habe neulich im Radio gehört, dass nur 10 Prozent der schwedischen Väter den Elternurlaub in Anspruch nehmen, und das vor allem vor oder nach den Ferien. Warum sind die Menschen nur so konservativ? Haben sie das ganze letzte Jahrhundert verschlafen? Immer noch sind viele der Meinung, dass Mutterschaft in der umsorgenden Verantwortung besteht und Vaterschaft in der ökonomischen. Obwohl wir heute doch wissen, wohin das führt. Die Frau kümmert sich um Haus und Kinder, der Mann geht arbeiten. Die Frau arbeitet immer weniger, damit sie Zeit hat, die Kinder in den Kindergarten zu bringen und abzuholen und sich um kranke Kinder zu kümmern, während der Mann immer mehr arbeitet, um die Hypothek für das Reihenhaus und die Raten für den Volvo-Kombi bezahlen zu können. Die Frau wird sauer, weil ihre Arbeit langweilig und perspektivlos ist, er wird sauer, weil er immer nur arbeiten muss. Und wenn die Kinder so groß sind, dass die Eltern einander am Küchentisch wieder wahrnehmen, stellen sie fest, dass sie keine Gemeinsamkeiten mehr haben, und lassen sich mit großem Trara scheiden. Sie ist verbittert, denn weil sein Gehalt und seine Karriere den ökonomischen Standard des kleinen Glücks gesichert haben, muss sie das Haus im Grünen verlassen und in eine kleine Wohnung ziehen, obwohl sie genauso viel gerackert hat wie er. Und er ist traurig, weil er merkt, dass sie den emotionalen Standard des kleinen Glücks gesichert hat, denn er hat sich zwar in all den Jahren für sie abgeschuftet, aber er kann die Kinder nicht trösten, wenn ihnen etwas zustößt.

      H. und ich brauchen uns auch gar nicht in die Brust werfen, weil wir im Moment in unserem Zusammenleben ziemlich gleichberechtigt sind. Alle Untersuchungen zeigen, dass mit der Geburt des ersten Kindes alles kippt und traditionell wird, egal wie toll es vorher gewesen ist. Ich will nicht, dass es so kommt. Ich will kein Kind. Verdammt.

      Es ist beängstigend, dass ich nur Probleme sehe. Man könnte fast glauben, ich will gar nicht schwanger sein. Aber ich habe immer Kinder gewollt! Ich habe nur Angst vor dieser «Kinderwelt» – geblümtes Kleid, Gesprächsthema Windeln und Die-Kinder-bedeuten-mir-jetzt-alles. Das wird mich wahnsinnig machen, daran werde ich mich nicht gewöhnen können. Und wenn ich mich daran gewöhne, werde ich deshalb wahnsinnig werden.

      Samstag

      Gestern Abend hat ein Paar mit einem Baby neben uns gesessen. Das Baby war richtig süß, mollig und goldig, es lachte mit seinem einen Zahn, strampelte mit den drallen Beinchen und winkte glücklich mit den Armen. Aber die Mutter war total apathisch, sie hat bloß dagesessen und eine Zigarette nach der anderen geraucht und ihr Kind nicht einmal angeschaut, wie es fröhlich die Pommes frites in den fettigen Händen hielt. Ist das die Alternative zur «richtigen Mutter»? Apathie und Kettenrauchen?

      Ich erzählte H., wie ich mich fühlte. Wir sprachen auch darüber, wie wir’s machen wollten, wenn das Kind da ist, wir haben entschieden, den Elternurlaub zu teilen. Wir werden nicht in die aufgestellten Fallen stolpern und alles aufgeben, woran wir bisher geglaubt haben. Ich nehme die ersten sechs Monate, damit ich mich erholen und das Kind stillen kann, und H. nimmt die nächsten sechs Monate. Das heißt, wenn ich mich erholen muss und stillen kann, ansonsten können wir tauschen, wenn es besser zu unseren Jobs passt. Wie gut, dass H. an einem modernen Arbeitsplatz, einem Gymnasium, tätig ist und nicht auf dem Bau arbeitet, wo die Männer, die Elternurlaub nehmen wollen, gemobbt werden, wie ich gehört habe.

      Sonntag

      Die Ferien im Zustand der Frühschwangerschaft waren nicht so toll. Ich will nur schlafen, bin so schrecklich müde. Wenn ich aufwache, dann nur, weil ich nicht mehr schlafen kann, nicht, weil ich ausgeruht bin. Es waren auch keine besonders aktiven Ferien, ich habe die meiste Zeit auf dem Bett gelegen und gekeucht. Gestern habe ich mich aufgerafft und eine Weile am Strand gekeucht, aber das war ziemlich schrecklich. So wie ich mich fühle, ist es nirgends viel besser als in der Hölle, aber ich war doch froh, wieder im kühlen Zimmer zu sein.

      Und dabei hatte ich mir immer vorgestellt, einmal eine aktive Schwangere zu sein, so wie man sie auf den Anzeigen für Umstandsmode sieht. Die sich doch wegen so einer kleinen Schwangerschaft nicht unterkriegen lässt. Mein Gott, es ist schließlich keine Krankheit. Habe ich zumindest gehört.

      7. Woche

      Während dieser Zeit wächst der Embryo schnell, einen ganzen Millimeter pro Tag. Schon jetzt kann er sich ein wenig bewegen, es sind allerdings nur Reflexe. Auch die Beine beginnen zu wachsen.

      Die werdende Mutter ist oft müde und braucht viel Schlaf, außerdem kann die Verdauung träger sein als vor der Schwangerschaft. Viele Frauen leiden unter Übelkeit, da hilft es, häufiger und nur kleine Mengen zu essen und Fett zu meiden.

      Dienstag

      Wieder zu Hause in Schweden. Mit der Übelkeit ist es etwas besser. Ich esse jetzt jeden Morgen einen großen Teller Haferbrei, und das hilft tatsächlich.

      Wir haben immer noch ein paar Wochen Ferien, deshalb haben wir gestern unsere beiden Burmakatzen, meine Schwester und ihren Freund ins Auto gepackt und sind aufs Land nach Värmland gefahren.

      Ich hatte mir vorgestellt, man würde es herausschreien und aller Welt sofort mitteilen wollen, wenn man ein Kind erwartet. Aber in Wirklichkeit ist es nicht so einfach. H. und ich hatten besprochen, es meiner Schwester Ann und ihrem Freund Sven auf der Fahrt zu erzählen. Ich habe mehrmals angesetzt und es irgendwie nicht herausgebracht. Was sagt man denn da? «Ich werde ein Kind haben» ist zu einfach. «Ich bin schwanger» klingt so ernst. «Bald sind wir drei»? Affig und verklemmt. Und während ich noch über eine Formulierung nachdachte, verstrichen alle möglichen Gelegenheiten.

      Wir waren den halben Tag gefahren und kamen gegen fünf endlich in Lesjöfors an. Wir hatten nichts zu essen dabei und hielten zum Einkaufen am Konsum. Und dann, als wir vor dem Getränkeregal standen, fragte meine Schwester, wie viele Tonics wir kaufen sollten. Da rutschte es mir heraus, endlich. Es passierte einfach. «Also ich, ich werde keinen Gin Tonic trinken», sagte ich. Das war zwar nicht besonders gut formuliert, aber sie verstand sofort und nahm mich in den Arm. Es ist schön, dass es außer H. noch jemand weiß.

      Mittwoch

      Ich gehe umher und freue mich behutsam und heimlich, dass ich ein Kind bekomme. Ich gehe an meine Lieblingsplätze und denke, wie schön es sein wird, sie eines Tages dem Kind zu zeigen.

      Ob es wohl ein Mädchen oder ein Junge wird? Und wie sollen


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