Gestohlene Identität - Roland Benito-Krimi 5. Inger Gammelgaard Madsen

Gestohlene Identität - Roland Benito-Krimi 5 - Inger Gammelgaard Madsen


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den Fenstern und verschlossenen Türen mit sicheren Schließanlagen immer noch möglich sein, hier durchzubrennen?«, fuhr Kurt fort.

      »Ich weiß nicht, wie Ditte in der Schleuse getötet werden konnte. Einiges deutet darauf hin, dass sie gerade dabei war aufzuschließen, als es passierte. Aber die Patienten haben dort nichts zu suchen … danach ist Sara den Flur hinuntergelaufen, der zum Parkplatz führt.«

      »Ohne dass jemand sie gesehen und gestoppt hat? Das hätte nicht passieren dürfen!«

      »Da sind wir uns einig. Aber wir bekommen immer mehr gewalttätige Gefangene, die auf ihren Geisteszustand untersucht werden sollen und in der Regel danach eingewiesen werden. Dafür haben wir schlicht und einfach keinen Platz. Die Sicherheit muss überall noch mehr verbessert werden, wenn sie den Anforderungen genügen soll, die gestellt werden, um solche Patienten einzusperren. Das ist eine Frage des Geldes und …« Sie sah schnell zu Roland, der sich räusperte und die Stirn runzelte über eine Entschuldigung, die leeres Stroh drosch, egal, welche Regierung an der Macht war.

      »… es geht auch darum, dass heutzutage größerer Wert darauf gelegt wird, wie wir behandeln als wie wir es vermeiden«, fuhr sie fort.

      »Und damit meinen Sie …?«

      Mit einem Kopfschütteln lehnte Kurt Olsen den angebotenen Kaffee ab; sie zeigte mit einem fragenden Ausdruck auf eine Thermoskanne auf dem Schreibtisch, während sie sprach. Roland schüttelte ebenfalls den Kopf, als sie ihn auffordernd ansah. Die Kaffee war wohl kaum frisch, es sei denn, jemand brühte hier spätabends noch welchen auf. Mai Andersen schenkte sich selbst ein in eine weiße Tasse mit dem roten Logo der Region Mitteljütland. Der Kaffee dampfte nicht.

      »In den letzten Jahren wurden viele Betten für die psychisch Kranken gestrichen. Gleichzeitig ist die Anzahl gerichtspsychiatrischer Patienten merklich gestiegen. Meiner Ansicht nach hängt das zusammen. Die fehlenden Plätze führen dazu, dass Patienten aus der Allgemeinpsychiatrie bloß in die Gerichtspsychiatrie verlegt werden. Darüber hinaus kamen viele der Patienten, die wir heute haben, früher ins Gefängnis, aber die inzwischen herrschende Ansicht, dass ein Verbrechen einer psychischen Krankheit geschuldet sein kann, führt dazu, dass sie nun bei uns landen«, erläuterte die Oberärztin. Kurt Olsen öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber Roland hustete provozierend und unterbrach. Obwohl Politik das Gebiet des Vizepolizeidirektors war, hielt er es nicht für relevant, das ausgerechnet jetzt zu diskutieren, wenn es der Sache nicht dienlich war und seine Zeit für Ermittlungen in einem Mordfall und einer Gefangenenflucht vergeudete.

      »Die Tote kann gerade damit befasst gewesen sein aufzuschließen, sagten Sie. Für einen Gast? Wann endet die Besuchszeit?«, fragte er. Die Oberärztin wandte ihm den Blick mit einem Anflug von Erleichterung zu. Es war immerhin nicht so leicht, eine weitere Flucht und einen Mord mit mangelnden Finanzen und Ressourcen wegzuerklären und auch nicht, dass für die psychisch Kranken Betten fehlten.

      »Besuch wird im Voraus individuell abgesprochen. Wir sind eine Spezialabteilung mit geschlossenen Bereichen. Aber in der Regel endet die Besuchszeit spätestens um 22 Uhr.«

      Roland schaute schnell auf seine Uhr. »Hatte die Patientin heute Abend Besuch?«

      »Das kann ich so aus dem Stegreif nicht sagen, ich bin um 18 Uhr gegangen, aber ich kann es herausfinden.«

      »Ich bitte darum. Können Sie uns ein bisschen über die geflüchtete Patientin und die ermordete Krankenschwester erzählen? Ditte – richtig?«

      »Ja, die Krankenschwester heißt … hieß Ditte. Ditte Sandfeldt. Die Patientin heißt Sara Dupont. Sie wurde hier vor etwas mehr als zwei Monaten zur Verbüßung ihrer Strafe eingewiesen. Es lief eigentlich ganz gut mit ihr, sie wirkte ruhiger, daher …«

      »Sie ist wegen Mordes verurteilt worden, nicht wahr?«, unterbrach Kurt Olsen.

      »Kindsmord. Ihr eigenes. Das Baby war erst drei Monate alt und wurde tot auf dem Bauch liegend in seinem Gitterbett gefunden. Sara hat einen Selbstmordversuch unternommen, der später als ein weiterer Beweis für ihre Schuld gegen sie verwendet wurde. Als die Beweise vor Gericht vorgelegt wurden, hat sie auch ihren Mann, Kasper Dupont, verloren. Sie haben seinen Namen vielleicht in der Laufschrift im Fernsehen gesehen? Er ist Kameramann beim DR. Man ging zunächst von einem plötzlichen Kindstod aus. Sara arbeitete als Gesundheitspflegerin, also sollte man meinen, sie wüsste alles darüber, und dass man sein Baby nicht auf dem Bauch schlafen lassen sollte.«

      Ein Bild auf dem Schreibtisch von einem Mädchen um die zwei Jahre, das Mai Andersen so sehr ähnelte, dass es an der Mutterschaft keinen Zweifel gab, enthüllte, woher sie selbst dieses Wissen hatte.

      »Sara beteuert weiterhin ihre Unschuld und schiebt die Schuld auf alle anderen – sogar ihren Mann –, aber das hat etwas mit ihrer Psychose zu tun. Zwangsgedanken und Paranoia.« Mai Andersen sprach schnell und kurzatmig, und die kleinen Schlucke von ihrem Kaffee wirkten, als würde sie nur aus Nervosität trinken und nicht, weil sie Lust darauf hatte. Die Tasse zitterte leicht in ihrer Hand.

      »Würden Sie sie als gefährlich bezeichnen?«

      Die Oberärztin schüttelte langsam den Kopf und stellte ihr Getränk ab, während sie gleichzeitig so aussah, als ob sie eine Möglichkeit in Erwägung zöge, die sie selbst nicht bedacht hatte.

      »Nein, bis jetzt nicht. Sie war sonst nur eine Gefahr für sich selbst, aber der Mord an der Krankenschwester und die Flucht zeigen deutlich, dass sie nicht auf dem Weg der Besserung war, wie wir glaubten. Im Gegenteil.«

      »Also gefährlich«, nickte Kurt Olsen.

      »So wird die Presse sie ganz sicher darstellen«, entgegnete Mai Andersen mutlos.

      »Hätte die Krankenschwester nicht Hilfe holen können?«, fragte Roland.

      »Doch, sie hätte den Alarmknopf drücken können, den wir immer bei uns haben, dann wäre sofort Hilfe gekommen, aber sie hat es offenbar nicht mehr geschafft. Es deutet darauf hin, dass sie auf das, was passierte, überhaupt nicht vorbereitet war.«

      »War sie schon lange hier?«

      »Ja, sie war eine der äußerst erfahrenen Kräfte. Sie hat seit über zehn Jahren hier gearbeitet.«

      Roland stand auf. »Mit wem war Sara Dupont hier in der Abteilung am meisten verbunden? Jemand, mit dem wir sprechen können.«

      »Von den Patienten, meinen Sie?« Die Oberärztin schüttelte den Kopf mit einem blassen, gezwungenen Lächeln. »Es gibt keinen, mit dem Sie hier sprechen können. Die meisten verabscheuen die Polizei und werden sich garantiert nicht äußern wollen. Ich weiß das von den anderen Ausbrüchen, die wir hatten.«

      »Also sprechen Sie aus großer Erfahrung«, murmelte Kurt Olsen fast unhörbar ohne die großen warmen Gefühle in der Stimme und stand ebenfalls auf. Mai Andersen sah ihnen freudlos nach und begleitete sie nicht nach draußen.

      Roland und Kurt Olsen fuhren gemeinsam mit dem Aufzug im Polizeipräsidium nach oben. Zwischen ihnen herrschte tiefes Schweigen.

      »Wusstest du, dass sie es war?«, fragte Roland, bevor sich die Aufzugtür öffnete.

      »Nicht mit Sicherheit. Sie ist ja nicht die Einzige im Maßregelvollzug.«

      »Aber eine der wenigen Frauen. Die meisten sind ja Männer. Welche Beweise wurden vorgelegt?« Rolands Gedanken waren wieder bei Olivia, die in zwei Monaten entbinden sollte. Wie würde sein kleines Mädchen damit klarkommen, selbst Mutter zu werden?

      »Die Obduktion hat gezeigt, dass es Spuren am Nacken des Kindes gab, das Gesicht war gegen das Kissen gedrückt worden, bis es aufhörte zu atmen. Tragischerweise geschah es an Sara Duponts Hochzeitstag, der bei dem Paar zu Hause im engsten Familien- und Freundeskreis gefeiert wurde.«

      »Und wie konnte man wissen, dass sie es war, und nicht einer der Hochzeitsgäste?«

      Paradoxerweise durch ihren Ehering. In den Ring war ein Herz graviert und drei kleine Diamanten eingesetzt; er hat die Spuren hervorgerufen, die in die Nackenhaut des Kindes gedrückt waren, deutlich genug, dass es keinen Zweifel gab. Der Ring muss sich


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