Seewölfe - Piraten der Weltmeere 701. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 701 - Fred McMason


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ich das jedenfalls tun, denn dort sind Mangrovensümpfe mit prächtigen Verstecken.“

      „Und wenn sie sich nicht auskennen?“

      „Dann decken sie sich mit Wasser und Proviant irgendwo ein und gehen auf nordöstlichen Kurs Richtung England. Dort können sie dann wie die Made im Speck bis ins hohe Alter leben.“

      „Das verstehe ich nicht“, brummte Thorfin. „Wenn sie den Kahn verkaufen, kriegen sie bestimmt nicht so viel dafür, daß es etliche Jahrzehnte reicht.“

      „Wenn ich von hier verschwinden wollte und ein ausgekochter Bastard wäre“, entgegnete Martin, „dann hätte ich nicht nur das Schiff genommen.“

      „Sondern?“

      „Ein paar Schätze vielleicht.“

      Dem Wikinger gefror das Blut in den Adern. Er kniff die Augen zusammen, strich über seinen rötlichgrauen Bart und musterte Martin Correa.

      „Du willst doch damit nicht etwa sagen, daß sie sich auch noch an unseren Schätzen vergriffen haben“, flüsterte er.

      „Das wollte ich damit allerdings sagen.“

      „Und das sagst du so ruhig?“ brüllte Thorfin.

      „Ändert es etwas, wenn ich es in die Welt brülle – so wie du? Es ist ja nur eine Vermutung. Ich denke eben. Du solltest mal deinen Helm abnehmen, damit sich die Gedanken freier entfalten können. Denken bringt viel mehr ein, als herumzupoltern und zu brüllen.“

      „Verdammt, bei Odins Geiern!“ röhrte der Wikinger. „Da soll mich doch gleich ein Eisbär am Hintern kratzen.“

      „Hier gibt’s keine Eisbären“, sagte Martin und stand auf. „Los, wir sollten mal nachsehen.“

       2.

      Der Wikinger rannte los wie ein Büffel. Erstaunte Blicke folgten ihm, wie er in Richtung der unterirdischen Schatzhöhlen davonstürmte.

      Mary O’Flynn, geborene Snugglemouse, und Edwin Shane, der jüngste O’Flynn-Ableger, sahen dem Büffel nach, wie er tobend seinen Weg am Strand entlang nahm.

      „Hat den Nordpolaffen was gestochen?“ fragte Edwin Shane. „Warum rennt der so?“

      Mary O’Flynn seufzte ein bißchen und gab dem Bengel einen leichten Klaps.

      „Du sollst nicht immer Nordpolaffe zu ihm sagen“, tadelte sie mit ihrer rauchigen Reibeisenstimme. „Er hört es lieber, wenn man ihn Wikinger oder Nordmann nennt.“

      „Daddy sagt aber auch immer Nordpolaffe“, krähte das Söhnchen.

      Martin Correa und die Rote Korsarin folgten dem Wikinger zu den labyrinthartigen Hohlen. Karl von Hutten, der hochgewachsene Sohn einer indianischen Häuptlingstochter und Sohn des Generalkapitäns vom deutschen Walser-Handelshaus Venezuelas, schloß sich ihnen an.

      Vor den gut getarnten und nicht sichtbaren Höhlen blieben sie alle vier stehen.

      „Ich kann mir schon denken, was passiert ist“, sagte Karl von Hutten. „Die Kerle haben sich an unserem Gold vergriffen, bevor sie von hier verschwanden. Also sehen wir nach.“

      „Woher willst du das wissen?“ fragte Thorfin.

      „Eine logische Vermutung. Ich wollte vorhin schon mal nachsehen.“

      „Na klar“, tönte Thorfin. „Das war gleich mein allererster Gedanke. Gehen wir mal hinunter.“

      Das Labyrinth, eine gigantische Tropfsteinhöhle, die einen riesigen Teil der Insel unterirdisch durchzog, nahm sie auf.

      Diese Höhlen hatte Old O’Flynn durch einen reinen Zufall entdeckt, nämlich damals, als er mit Mary O’Flynn Streit gehabt und sie ihm kurzerhand eine Bratpfanne auf den sturen Schädel geschlagen hatte. Daraufhin war der „Admiral“ wütend und zugleich dösig über die Insel getaumelt und ganz plötzlich im Boden versunken. Dieser Zufall hatte ihnen die Höhlen beschert und Old O’Flynn eine alptraumhafte Nacht, denn hier unten gab es fürchterliche Gestalten aus Stalagmiten und Stalaktiten, die Geister und Gnomen, Riesen und Trollen ähnelten.

      In der letzten Zeit war ein Weg in die Tiefe aus dem Gestein angelegt worden. Man sauste jetzt nicht mehr hinunter wie damals, sondern konnte über zwei lange Windungen nach unten gehen.

      Kurze Zeit später standen sie in der riesigen Haupthöhle, einem Dom, in dem Kristalle in allen Farben glänzten und künstliche Seen und eine Himmelskuppe vorgaukelten.

      Karl von Hutten entzündete eine Fackel.

      In dem Labyrinth waren überall Halterungen für Fackeln angebracht worden. Eine weitere Höhle war zu einem Versteck umfunktioniert, falls Great Abaco ganz überraschend angegriffen werden sollte. Dann konnten sich hier vorerst einmal die Frauen und Kinder verstecken.

      Als die Fackel brannte, sahen sie sich um.

      „Genau das habe ich mir gedacht“, sagte Martin Correa in die Stille hinein. „Die Kerle haben kräftig abgeräumt.“

      Er sagte es leidenschaftslos und ohne sich aufzuregen, aber den nordischen Oberschrat regte es mächtig auf, daß man nicht nur ihr Vertrauen mißbraucht, sondern sie auch noch so heimtückisch beklaut hatte.

      „Diese Mistkerle“, ächzte er und hob drohend die Faust. „Diese Bande werde ich bis zum Jüngsten Tag jagen. Wir werden noch mehr Schiffe losschicken und alles absuchen.“

      „Jean ist unterwegs“, sagte von Hutten ruhig. „Jerry Reeves geht ebenfalls auf Suche. Mit dir sind das drei Schiffe. Mehr können wir nicht abstellen, ohne unsere Kampfkraft zu schwächen. Zwei segeln Patrouille, und den Rest brauchen wir auf der Insel.“

      Thorfin wollte das natürlich wieder nicht einsehen, doch schließlich gab er nach, als von Huttens Blick etwas kühler wurde. Der blonde und dunkeläugige Mann mit dem exotischen Aussehen hatte so eine Art, den Wikinger anzublicken, daß der ständig das Gefühl hatte, seine rauchgrauen Felle würden in Salzwasser schwimmen.

      „Na gut“, knurrte er, „aber mich hält keiner auf. Ich werde …“

      „Das wissen wir bereits“, sagte Siri-Tong knapp. „Du wirst sie bis zum Jüngsten Tag jagen. Jetzt wollen wir mal feststellen, was die Halunken mitgenommen haben.“

      Kein Geringerer als ausgerechnet Don Antonio de Quintanilla, an dessen klebrigen Fingern früher viel Geld und Gold hängengeblieben war, hatte eine Aufstellung über die Schätze angelegt. Peinlich genau hatte er jede Kiste, Truhe oder Faß aufgeführt, und das alles noch einmal für die einzelnen Höhlen aufgegliedert.

      Der Korsarin fiel es nicht schwer, genau festzustellen, was insgesamt fehlte. Die Kerle hatten in Eile gehandelt und sich daher in der großen Haupthöhle bedient.

      Ein paar Minuten schwiegen sie, bis Siri-Tong alles verglichen hatte.

      „Na, was fehlt nun?“ fragte Thorfin ungeduldig.

      Das Gesicht der Roten Korsarin war ernst. Nicht aus dem Grund, weil etliche Truhen oder Kisten fehlten. Sie dachte viel weiter, behielt diese Gedanken aber vorerst noch für sich.

      „Es fehlen sechs eisenbeschlagene Truhen. Drei davon waren mit indischem Schmuck aus Südamerika gefüllt, drei andere enthielten Silberbarren. Vierzehn Kisten, gefüllt mit Gold- und Silbermünzen, sind ebenfalls verschwunden. Und ein Fäßchen voller erlesener Perlen haben die Schnapphähne außerdem mitgenommen.“

      „Ist das alles?“ fragte Thorfin.

      „Ist das etwa nichts?“ entgegnete Siri-Tong.

      „Einundzwanzig Kisten, Truhen und Fässer insgesamt“, zählte Thorfin auf. „Das ist nur ein Bruchteil, obwohl mich das mächtig ärgert.“

      Siri-Tong sah sich noch einmal um, konnte aber nicht feststellen, daß noch mehr fehlte. In die hinteren Höhlen, wo ebenso kostbare Dinge lagerten,


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