Seewölfe - Piraten der Weltmeere 701. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 701 - Fred McMason


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paar Kisten mit Münzen“, erklärte die Rote Korsarin. „Es geht darum, daß diese Kerle Blut geleckt haben. Sie haben sich hier gründlich umgesehen, und jetzt, da sie einen Teil der Beute haben, wird ihre Gier die Oberhand gewinnen, wie das leider so üblich ist. Man gibt sich nicht mit ein paar Goldstücken zufrieden, wenn man weitere tonnenweise haben kann. Das ist es, was ich befürchte: Irgendwann, vielleicht schon bald, werden sie wieder aufkreuzen, geblendet von den Schätzen, unberechenbar, alles aufs Spiel setzend, auch ihr Leben.“

      „Was wollen sieben Kerlchen gegen uns ausrichten?“ fragte Thorfin und schnippte mit den Fingern. „Nicht so viel!“

      „Sie haben bereits eine ganze Menge gegen uns ausgerichtet“, sagte Karl von Hutten ernst. „Sie haben zwei Schiffe versenkt, zwei Männer getötet, uns bestohlen und sich die Lage des Stützpunktes gemerkt. Das sind sehr empfindliche Nadelstiche. Wir werden Mühe haben, diese Kerle zu erwischen, die längst über alle Wellen sind. Du vergißt, Thorfin, daß die Dreimast-Karavelle ein ungewöhnlich schnelles Schiff ist. Das holen wir mit den Galeonen oder deinem Viermaster niemals ein.“

      „Der Meinung bin ich auch“, sagte Siri-Tong. „Diese Männer werden andere aufhetzen oder um sich scharen, seit sie wissen, was hier verborgen ist. Möglicherweise tun sie sich sogar mit den Spaniern zusammen, wenn das Erfolg verspricht.“

      Wie recht die Rote Korsarin mit ihrer Vermutung hatte, ahnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand. Ihre Besorgnis war daher echt, und auch der Poltermann wurde immer nachdenklicher.

      „Martin vermutete, daß sie sich auf Andros verstecken oder aber direkt nach England zurücksegeln“, meinte Thorfin schwach. „Ist die ‚Empress‘ denn gut verproviantiert?“

      Martin Correa nickte düster. „Leider, leider. Sie ist, wie immer bei unserer Genauigkeit, mit Trinkwasser und Proviant für mindestens einen Monat ausgerüstet. Und das für mindestens ein halbes Dutzend Männer. Die Kerle werden also für eine lange Zeit keine Not leiden.“

      „Sie könnten, falls sie zurücksegeln, ihren Proviant auch für ein paar Goldmünzen auf Kuba ergänzen“, sagte Siri-Tong. „Aber das wissen wir eben nicht.“

      „Was können wir denn tun?“ Thorfin Njal war merklich kleinlauter geworden, denn er sah wohl ein, wie aussichtslos es in Wirklichkeit war, die Kerle zu jagen, wenn ihnen nicht gerade ein Zufall half.

      „Wir können nicht viel tun“, beantwortete Karl von Hutten die Frage des Nordmannes. „Genaugenommen können wir nicht mehr tun, als abzuwarten. Natürlich werden auch ein paar Schiffe alles absuchen, doch ob das Erfolg verspricht, steht auf einem anderen Blatt. Du hast aber doch die ‚Empress‘ noch gesehen, wie du sagtest. Welchen Kurs segelte sie da? Vielleicht erhalten wir so einen kleinen Anhaltspunkt.“

      „Selbst wenn ich den Kurs wüßte, muß das nichts zu bedeuten haben. Ich habe den Schlorren ja auch nur im Morgennebel ganz flüchtig als Schatten gesehen, und da war er auch gleich wieder verschwunden. Schließlich hielt ich es für eine Sinnestäuschung.“

      Thorfin ließ einen ellenlangen Fluch vom Stapel, den die anderen geduldig über sich ergehen ließen.

      Sie betraten etwas niedergeschlagen noch ein paar weitere Höhlen, um sich dort umzusehen.

      Aber die Schiffbrüchigen von der „Glorious“, wie die im Sturm gesunkene Galeone hieß, waren nicht weiter in das Höhlensystem vorgedrungen und hatten sich mit dem begnügt, was sie gleich am Eingang gefunden hatten. Immerhin war das auch eine ganze Menge.

      Bedrückt darüber, daß die Lage des Stützpunktes jetzt ein paar absolut unberechenbaren Kerlen bekannt war, verließen sie die Grotte wieder.

      An den aufgehäuften Schätzen hatte keiner mehr Freude. Außerdem war es nur ein Mittel zum Zweck, das sie den Spaniern abgenommen hatten, um deren Kampfkraft zu schwächen.

      Jetzt hatten ein paar Kerle den Spieß einfach umgedreht.

      Fast alles, was der Wikinger bei Diego auf Tortuga eingekauft hatte, war jetzt gelöscht. Ein riesiger Teil der Getränke, Bier, Wein, Rum und andere Köstlichkeiten, wurde in Old Donegals Kneipe verstaut.

      Diese Kneipe hieß schlicht und einfach „Rutsche“, weil es in ihrem Innern einen versteckten Mechanismus gab. Wurde dieser ausgelöst, dann öffnete sich eine Art Falltür, die über eine Rutsche direkt ins Meer führte.

      Diese Rutsche war für renitente Burschen vorgesehen, die kampflustig wurden, sobald sie einen über den Durst getrunken hatten. Die Rutsche brachte ihnen dann die nötige Abkühlung.

      Natürlich kannte jeder dieses tückische Ding – aber nur solange er noch nüchtern war. In angetrunkenem Zustand dachte niemand mehr daran, und so passierte es sehr oft, daß einer der Zecher – großspurig und kampfeslustig – sich unversehens im Wasser befand.

      „Alles verstaut, Mary?“ fragte der Wikinger.

      „Alles bestens verstaut“, versicherte Mary O’Flynn. „Du mußt mir nur noch sagen, was du bei Diego ausgelegt hast.“

      „Nicht der Rede wert. Darüber reden wir später. Erst will ich nach den verdammten Bastarden suchen. Gib mir bitte ein Bier!“

      „Ein kleines?“

      Diese Frage war eigentlich überflüssig, denn der Nordmann hatte von Diego einen ganz speziellen Humpen gekauft, und der faßte genau eine halbe Gallone. Dementsprechend groß war auch der Humpen.

      Der Wikinger sah sie fast empört an.

      „Ein großes natürlich, aber dafür nicht so einen kleinen Rum.“

      In der Kneipe rannten die Zwillinge des Wikingers herum, das Söhnchen, das auf den Namen Thurgil hörte, und das blonde Mädchen Thyra. Sie spielten mit Smokys Sohn David und mit Edwin Shane, der sich als echter O’Flynn entpuppte und gern Streiche ausheckte.

      Nach und nach fanden sich noch ein paar Leute in der Rutsche ein.

      Hesekiel Ramsgate erschien, Hasards Vetter Arne von Manteuffel, Oliver O’Brien, Hein Ropers und der schwergewichtige Barba, Siri-Tongs Steuermann, der einem narbigen Ungeheuer glich und bei Schlägereien immer „die Kuh fliegen ließ.“

      Jeder trank ein frisch gezapftes Bier. Das war immer so üblich, sobald frische Ware aus Tortuga gebracht wurde. Dann saßen die Männer bei einem kleinen Schnack zusammen, ehe sie wieder an die Arbeit gingen.

      Heute war die Stimmung allerdings nicht gerade fröhlich.

      „Martin vermutet, daß die Kerle Andros anlaufen werden, falls sie sich hier auskennen“, sagte der Wikinger nach einem langen Schluck. „Das bietet sich als gutes Versteck an.“ Thorfin setzte den Humpen ab und starrte auf den kümmerlichen Rest. Etwas Schaum bedeckte noch den Boden. „Aber der Vorstoß kann genausogut ins Leere gehen. Verdammt noch mal, wo sollen wir die Bastarde nur suchen?“

      „Gezielt können wir nicht suchen“, sagte Arne von Manteuffel. „Um uns herum gibt es mehr als siebenhundert Inseln und Inselchen, abgesehen von den mehr als tausend Korallenbänken und Felsklippen, die wir selbst alle nicht kennen. Die Kerle können praktisch in alle Himmelsrichtungen gesegelt sein. Great Abaco können wir getrost ausklammern, denn sie nehmen sicher an, daß wir ihnen auf den Fersen bleiben und werden so schnell wie möglich eine größere Strecke zurücklegen.“

      „Wo würdest du denn suchen?“ fragte der Wikinger und ließ sich noch einmal seinen Humpen füllen.

      „Südlich des Nordost-Kanals“, erwiderte Arne. „Aber da gibt es allein im Exuma Sound zahllose Inseln. Andros würde ich natürlich auch nicht ausklammern. Aber das sind alles nur Vermutungen. Etwas Konkretes haben wir nicht in der Hand.“

      „Ich werde es versuchen. Sollte ich die Kerle erwischen, habt ihr sicher Verständnis dafür, daß ich sie nicht zurückbringe.“

      Alle nickten spontan. Sie wußten, was der Nordmann damit sagen wollte. Keiner würde seinen Zugriff überleben, denn da kannte Thorfin keinen Pardon, wenn es um die Existenz des Schlupfwinkels ging. Noch nie war die Bedrohung so groß gewesen.


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