Das letzte Gefecht - Tatsachenroman. Will Berthold

Das letzte Gefecht - Tatsachenroman - Will Berthold


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den Kumpel und Manuela sitzen und suchten die »Oasis« auf.

      So behütet, wie sich die uniformierten Gäste des Hauses vorkamen, waren sie nicht, denn sie wurden von spionierenden Arabern umlauert. Sie betrachteten die Italiener, die ihnen die guten Landstücke weggenommen hatten, als ihre natürlichen Feinde, und zudem handelten die Tommies nach der Devise: Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.

      Sie kauften die Araber mit Baumwolle, Zucker, Schokolade, Zigaretten und Kosmetika.

      Sozusagen mit Blumen für den Harem.

      Besonders die Dursas, ein Stamm der Senussis, half den englischen Agenten dabei. Die Kommandounternehmen der Long Range Desert Group starteten von den Stammesverstecken aus. Straßen und Brücken flogen in die Luft; das ohnedies knappe Benzin ging in Flammen auf, und nächtens brannten abgestellte Flugzeuge lichterloh.

      In der Höhle des Commando Group Headquarter im Wadi Gherna hockte ein Funker hinter seinem Gerät und rief das versteckte Headquarter der Commando Group in der Oase Siwa.

      »Hier Jack five«, tastete der Funker durch. »22 Panzer 3, 15 Panzer 4, in den Werkstätten in Tobruk instand gesetzt, auf dem Weg zur Front ... Eintrifft morgen Benzindampfer für Afrika-Armee ... E-Hafen Derna Konzentration von Stukas und Ju 88. Luftangriff auf Alexandria zu erwarten ...«

      Solche und ähnliche Meldungen gingen täglich von den deutschen Linien auf die andere Seite.

      Der britische Nachrichtendienst funktionierte ausgezeichnet.

      Auf dem Djebel Akhdar – den Grünen Hügeln, die sich von Derna bis Bengasi parallel zur Küste hinziehen –, hockten als Araber getarnte Tommies und lauerten auf ihre Chance; wenn es nach Major Chapman ginge, würden sie eine solche nunmehr in der Bomba-Bucht nutzen.

      »Caldo, Rolando?« fragte Manuela ihren neuen Freund. »Ist dir heiß?«

      Gerwegh nickte und zog die Italienerin in den Garten nach draußen. Sie tanzten sich zum Hinterausgang durch und verschwanden dann zwischen Palmen, Oleanderbüschen und Agaven.

      Gleich neben dem Pavillon war ihr Lieblingsplatz.

      Es war frisch geworden, aber die beiden konnten eine Abkühlung brauchen.

      Schritte.

      Manuela wollte hochspringen, aber der Unteroffizier hielt sie fest, legte ihr warnend die Hand auf den Mund.

      Ganz in der Nähe, im Schatten des Pavillons, trafen sich zwei Männer.

      Einer von ihnen war Ali Husseini, der Liebeswirt.

      Der andere trug die Tracht eines Arabers, aber er sprach Englisch. Kein Pidgin, kein Radebrechen. Es mußte sich um einen echten Engländer handeln.

      »Wir müssen den Spritdampfer in die Luft jagen«, sagte der Verkleidete.

      »Das wird schwer sein«, antwortete Ali Husseini, »aber wenn Sie Selbstmord verüben wollen ...«

      »Wir kommen übermorgen. Sechs Mann. Eine Stunde vor Mitternacht. Du läßt uns ein.«

      »Und das U-Boot?« fragte der Ägypter.

      »– landet um die gleiche Zeit und setzt Schlauchboote aus.«

      »Aber da ist doch die deutsche Wache.«

      »Darum sollst du uns ja hinführen«, entgegnete der angebliche Beduine. »Hast du die deutschen Uniformen bekommen?«

      »– in Zahlung genommen«, sagte der »Oasis«-Wirt, und Gerwegh glaubte noch im Dunkeln sein schmieriges Lächeln zu sehen.

      »Okay«, erwiderte der Engländer. Er war Fachmann; er verschwand geräuschlos. Nicht einmal sein Schatten war zu sehen.

      »Che cosa?« fragte die Italienerin. »Was ist los?«

      »Niente«, erwiderte der Freund. »Io ti amo.« Er zog Manuela an sich, streichelte ihre Haare, küßte sie

      Dann betraten sie durch den Hintereingang wieder den Raum.

      »Vor der Kaserne«, tönte wieder einmal Lili Marleen, »vor dem großen Tor.« Gerwegh stürzte sich in das Gewühl der Tanzenden, trank und lachte. Ein Genesender des Panzergrenadierregiments 115, erneut verwundet, doch diesmal von der Liebe.

      Am Morgen erwachte er mit Kopfschmerzen und versuchte den Abend aus den Nebeln des Alkohols zu schälen.

      Das Gespräch im Garten?

      Der Fahnenjunker-Unteroffizier fragte sich, ob er den Zwischenfall geträumt hatte, oder ob er besoffen gewesen war.

      Gerwegh fürchtete, sich lächerlich zu machen.

      Aber dann hörte er, daß tatsächlich ein Spritdampfer erwartet wurde – und auf einmal sah ein kleiner Statist des Krieges eine Chance, vorübergehend als Star aufzutreten.

      Major Chapman ging an der Spitze seiner Leute. Sie waren bewaffnet bis an die Zähne und gewöhnt, leise aufzutreten. Sie pirschten sich querbeet durch das sandige Gelände hinter der Ansiedlung in Richtung Bucht.

      Kurz vor dem Ziel stießen sie auf Ali Husseini.

      »Wie sieht’s aus?« fragte der Major hastig.

      »Everything allright«, entgegnete der Ägypter. »Die Germans kümmern sich mehr ums Bett als um den Sprit.« Er schob einen Packen Geld ein. »Muß zurück«, sagte er dann und hatte es eilig.

      Die sechs Tommies erreichten den Pfad, der zum Strand führte.

      Die Konturen des Tankers waren auch in der Nacht zu sehen. Auch das kleine Wachgebäude in der Nähe der Pier.

      Die Engländer wußten, daß sich hier zwei Posten aufhielten und zwei weitere die Runde machten.

      Das erleichterte ihren Plan.

      Zwei Tommies arbeiteten sich von rückwärts an das Wachhaus heran und drangen in den kleinen, mit Schilfmatten abgedeckten Hof ein.

      Die anderen warteten draußen auf die zurückkehrende Streife.

      Als sie sich auf die beiden Posten stürzen wollten, ging schlagartig das Licht an, die überrumpelten Eindringlinge starrten in die Läufe deutscher Maschinenpistolen.

      Ihre Arme hoben sich wie von selbst.

      In der Nähe fielen Schüsse.

      Die restlichen vier Tommies versuchten zu entkommen.

      Fahnenjunker-Unteroffizier Gerwegh schoß den vorderen der Gruppe nieder, sprang hoch, wollte sich auf den nächsten stürzen und lief dabei direkt in den Feuerstoß; er überschlug sich wie ein Kartoffelsack.

      Er bekam nicht mehr mit, wie seine Kumpels die Engländer schnappten.

      Bis auf einen, den Wichtigsten: Major Chapman. Er konnte entkommen.

      Die zweite Falle war im Hafen aufgestellt: Flak und Feldgendarmerie erwarteten den zweiten Kommandotrupp, der vom U-Boot aus mit den Schlauchbooten anlanden sollte.

      Drei Schnellboote sollten sich auf das U-Boot stürzen.

      Schon hoben sich die Schlauchboote ab, man hörte die Schläge der mit Lumpen umwickelten Ruder.

      200 Meter noch.

      Der Mann am MG verlor die Nerven und schoß zu früh.

      Gleichzeitig preschten die drei Schnellboote heran.

      Das englische U-Boot ging im Alarmtauchen auf Tiefe, schlug sich mit äußerster Kraft nach Nordosten durch.

      Die Feuerstöße des MGs hatten die Schlauchboote durchlöchert.

      Einige der Engländer versuchten, auf See zurückzuschwimmen.

      Die meisten von ihnen ertranken und wurden von da an in den Mannschaftslisten der Long Range Desert Group als vermißt geführt.

      Nur vier von ihnen erreichten ein paar Stunden später, völlig erschöpft, die Küste 2 Kilometer weiter westlich.

      Später


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