Seewölfe - Piraten der Weltmeere 674. Jan J. Moreno

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 674 - Jan J. Moreno


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in Richtung Küste weitergezogen, änderte erneut ihren Kurs und schwenkte zur „Respectable“ um.

      „Eine kühle Dusche schadet den Lords bestimmt nicht“, sagte Ben Brighton. In seiner Stimme schwang Schadenfreude mit.

      Aber er und alle anderen, die den Durchlauchten nicht gerade freundschaftlich gesonnen waren, wurden enttäuscht.

      Der Saugrüssel verlor an Kraft. Vorübergehend sah es so aus, als wolle er sich in die wirbelnden Wolken zurückziehen. Obwohl er mehrmals wieder auf die Wasseroberfläche hinunterstieß, löste er sich schließlich schäumend und in einem riesigen Sprühregen auf, bevor er das Kriegsschiff erreichte.

      Ein verhaltenes Murmeln entstand auf dem Achterdeck der Schebecke und pflanzte sich rasch bis zur Back fort. Zu gern hätten die Seewölfe gesehen, wie gepuderte Perücken und stutzerhafte Plünnen durch die Luft flogen.

      „Nun ja“, sagte Pete Ballie, der Gefechtsrudergänger der Arwenacks, und kratzte sich die Bartstoppeln, „aus dem Vergnügen, die Kerle baden zu sehen, wird wohl nichts.“

      Er hatte kaum zu Ende gesprochen, als ihn eine Bö gegen das Schanzkleid drückte. Piet Straaten neben ihm wurde hochgehoben, einmal um sich selbst gedreht, und dann hatte er Mühe, sich abzufangen, bevor er bäuchlings auf die Planken flog.

      Über das Achterdeck tobte ein heftiger Sturm – stark genug, um Segel zu zerfetzen, wäre das Tuch noch gesetzt gewesen.

      Auf der Back und im vorderen Bereich der Kuhl herrschten ähnliche Verhältnisse, nur fegten dort die harten Böen nicht von Westen heran, sondern aus der entgegengesetzten Richtung. Sie drückten die Männer an die Steuerbordverschanzung.

      Die Schebecke lag wie ein Brett im Wasser. Die nur unmerkliche Krängung war der beste Beweis dafür, daß beide Sturmböen nahezu gleich heftig tobten. Lediglich der Bug stieg plötzlich steil in die Höhe. Für einen winzigen Augenblick verharrte das Schiff auf dem Kamm einer großen Welle und schlug dann schmetternd und dröhnend in die aufgewühlte See. Brecher fegten über die Back hinweg.

      Die Männer, die zwischen dem Großmast und den Achterdecksniedergängen standen, hatten Mühe, das Geschehen zu begreifen. Sie sahen zwar, daß ihre Gefährten gegen heftige Winde ankämpften, doch sie selbst spürten nicht mal ein laues Lüftchen.

      Die Schebecke drehte ohne Zutun des Rudergängers nach Westen. Die Bewegung vollzog sich nahezu auf der Stelle, als hätte die Faust eines Riesen das Schiff gepackt und herumgezerrt.

      Aber auch dieser Vorgang, der mit menschlichem Verstand nicht zu erklären war, hielt nur wenige Momente an. Danach blieben zwar die über dem offenen Ozean liegende Finsternis und die dort unaufhörlich niederzuckenden Blitze, doch rings um die Schebecke beruhigte sich die aufgewühlte See schnell wieder, bis nur noch größere Schaumflächen die Wellen krönten.

      Der Wind stabilisierte sich aus westlichen Richtungen, und der Seewolf ließ wieder Segel setzen.

      Der englische Dreidecker folgte der Schebecke erneut mit der Ausdauer eines beutehungrigen Jägers. Zweifellos würden die Lords bis nach Madras Fühlung halten, um irgendwo auf gemeine Art und Weise die aus elf Tonnen Gold und Silber bestehende Ladung der Schebecke an sich zu bringen. Sie hatten es einmal mit Befehlen versucht und waren abgeblitzt. Beim nächstenmal würden die Geschütze jede Diskussion ersetzen. Aber das Ergebnis würde kaum anders sein.

      „Geleitschutz“, sagte Ben Brighton spöttisch und bedachte die „Respectable“ mit einer geringschätzigen Geste. „In ein paar Tagen haben wir uns daran gewöhnt, falls die Lords dann noch da sind.“

      „Sie bleiben im Kielwasser“, erwiderte Hasard. „Darauf kannst du dich verlassen. Solange Ed und die anderen an Bord sind, ist mir das sogar recht.“

      „Sir Thomas und seine Clique können mir hinter dem Mast begegnen“, erklärte der Erste Offizier. „Möglichst bei Dunkelheit, damit ich ihre hochnäsigen Visagen nicht sehen muß.“

      „Das sind fromme Wünsche, Gentlemen“, sagte Don Juan de Alcazar. Er lehnte am Schanzkleid und studierte die Wolkenformationen an der fernen Kimm. Sonderlich wohl war ihm nicht dabei. „Das Gewitter und der Wolkenwirbel waren erst ein Vorgeschmack dessen, was uns noch erwartet“, erklärte er.

      Hasard nickte knapp.

      „Spätestens in der Nacht zieht ein neuer Sturm auf. Aber sollen wir deshalb eine geschützte Bucht anlaufen und weitere Zeit verlieren?“

      Don Juan zuckte mit den Schultern.

      „Ich sorge mich um den Profos, um Ferris Tucker, Roger Brighton, Smoky und Dan. Wenn wir die ‚Respectable‘ verlieren oder sie uns, werden wir die fünf wohl für geraume Zeit nicht mehr sehen.“

      Der Seewolf seufzte ergeben und sagte: „Dein Zorn auf die Lords ist verständlich, trotzdem habe ich keine ausreichende Handhabe, um die ‚Respectable‘ anzugreifen. Jedes andere Schiff hätte ich längst zu den Fischen geschickt.“

      „Du vergreifst dich nicht an englischem Eigentum?“ fragte Don Juan spöttisch.

      „Noch nicht“, entgegnete Hasard. „Die Lords berufen sich auf das Kriegsrecht, und das gibt ihren Forderungen immerhin den nötigen Rückhalt.“

      Don Juan wandte sich um und blickte wieder nach Westen. Der Himmel überzog sich allmählich mit düsteren Farben. Einzelne Wolken hingen wie pralle Euter nach unten durch.

      „Ich denke, mein Freund, der Sturm wird alles übertreffen, was wir in letzter Zeit erlebt haben. Hoffentlich müssen wir anschließend nicht die Lords mit den Überresten ihrer Galeone auffischen.“

      Die Schebecke segelte ziemlich genau auf Südkurs. Das Abendrot breitete sich bis über den Zenit hinaus nach Osten aus. Die Farben ließen das Meer aussehen, als stiegen blutrote Strömungen aus der Tiefe auf.

      Dieser Anblick verlor auch dann nichts von seiner beklemmenden Wirkung, als die Sonne hinter der Kimm versank und ihre letzten Strahlen flach über den Indischen Ozean geisterten. Himmel und Meer schienen zu brennen und an einem fernen Punkt in goldener Glut miteinander zu verschmelzen. Die Betrachtung des untergehenden Tagesgestirns war für die Augen fast schmerzhaft.

      Übergangslos brach die Dämmerung herein. Im Osten blinkten verheißungsvoll die ersten Sterne.

      Dann schlief der Wind ein. Nur noch ein leichter Druck lag auf den Segeln.

      Hasard ließ die Laternen anzünden, denn die Nacht würde von einer undurchdringlichen Schwärze sein. Darüber konnten weder der fahle Sternenschein noch das allmählich verblassende Abendrot hinwegtäuschen.

      Tatsächlich verging keine halbe Stunde, bis neue Wolkenbänke aufzogen. Der Mond, der über der Küste aufgegangen war, verschwand, wieder.

      Die Segel hingen schlaff von den Rahruten.

      „Flaute!“ sagte Mac Pellew verächtlich. „Old Donegal, dein Zweites Gesicht ist auch nicht mehr das, was es einmal war.“

      „Kombüsenschabe!“ zischte der Alte zurück. „Daß Sturm aufzieht, spüre ich in jedem Knochen.“

      „Was du spürst, ist das Zipperlein. Heute zwickt es hier, morgen zwackt es dort.“

      „Willst du damit behaupten, daß ich alt werde?“ Old Donegal stampfte mit seinem Holzbein auf, daß die Planken krachten.

      „Umschläge mit einem heißen Süd aus Kamillenblüten helfen am besten“, erklärte Mac Pellew.

      „Wo soll ich Kamillenblüten herkriegen? Kannst du mir das sagen?“

      „An Land wachsen genug davon“, erklärte der Koch.

      „Ach so.“ Old Donegal schnappte nach Luft. „Auf dem Wasser wohl nicht, du Klugscheißer.“

      „Nein“, sagte Mac in einer Seelenruhe, die ihresgleichen suchte. „Soviel ich weiß, wachsen sie da noch nicht.“

      Old Donegal Daniel O’Flynn verfärbte sich. Er starrte den Kombüsenmann an, als wolle er ihn mit Haut


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