Schick mich, ich bin schnell!. Ilja Behnisch
die Gastgeber dabei auch noch einen Platzverweis. Der immerhin hatte dank der Beschreibung durch den Übeltäter auch noch eine schöne, da fast prosaische Seite. Das Wort also hat Rene T.:
»Mein Gegenspieler zieht mich vor einem Einwurf für uns runter, ich falle logischerweise über ihn drüber. Und dann umfasst er mein Bein mit beiden Händen und fängt an zu schreien.«
Logischerweise.
German Nightmare
Wer das Leben liebt, seine Gesundheit achtet und sich in der Hessenliga herumtreibt, sollte sich einen Namen und ein Gesicht besonders gut einprägen. Denn mit Christian E., Linksaußen des TSV Lehnerz, will man nicht auf dem falschen Fuß die Wege kreuzen. Schließlich kickt der gute Mann nicht nur gegen den Ball, sondern nebenher auch Menschen. Und wird dafür auch noch gefeiert. Als »Mixed Martial Arts«-Kämpfer mit dem Poesiealbum-reifen Rufnamen »German Nightmare«.
German Nightmare. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: German Nightmare. Zumal man davon ausgehen muss, dass der Name vor allem deshalb gewählt wurde, um dem internationalen Publikum eine klare Vorstellung in die Wahrnehmung zu prengeln. German Nightmare. Das klingt nach Panzer und Nazi. Das klingt nach dem Pauschaltouristenklischee vom Handtuchdeutschen, der die Liege am Pool schon vor dem Morgengrauen als die seine markiert hat. Das klingt nach einem VW Golf mit der Verarbeitungsqualität eines laotischen Großserienfahrzeugs. Und soll wohl doch nur bedeuten, dass da einer ganz genau weiß, wie er seinen teutonischen Körper als Waffe benutzen kann.
Doch wer glaubt, so einer ist Wochenende für Wochenende als wandelndes »Epizentrum Rudelbildung« auf den Fußballplätzen Hessens unterwegs, sieht sich getäuscht: Denn das Gegenteil ist der Fall.
So sagt sein Trainer Henry L.: »In Baunatal hatten wir ein sehr hektisches Spiel und es gab eine Rudelbildung. Dann ist Christian dazugekommen und sein starrer Blick hat gereicht, dass sich die Situation beruhigt und die Meute sich aufgelöst hat.«
Immer getreu dem noch völlig zu Unrecht wenig verbreiteten Motto: Angst essen Gewalt auf.
Diagnose: Aufstieg
Vom Fußball lernen, heißt: für das Leben lernen. Foul ist, wenn der Schiedsrichter es sagt. Kein Geld schießt auch keine Tore. Und morgen müssen wir alle wieder arbeiten. Unumstößliche Weisheiten.
Einen Neueinsteiger lieferte das Frauenteam von Arminia Bielefeld, das im Sommer 2016 den Aufstieg in die Regionalliga fix machte und dies angemessen mit Mottoshirts feierte. Aufdruck: »Durchmarsch ist keine Krankheit!«
Aber offenbar zumindest ein Symptom.
Das Wunder von Güllesheim
Jeder kennt es, niemand spricht gern drüber: Probleme bei der Standhaftigkeit. So sehr man sich auch als eingefleischter Fan sieht, an irgendeinem dieser Tage, an denen man nur in die Luft deuten mag, um die Farbe Grau neu zu definieren, waren wir alle schon bereit, den Fußball Fußball, das Spiel Spiel und die Lieblingsmannschaft Lieblingsmannschaft sein zu lassen. Und dann verlassen wir das Stadion beim Stand von 1:6 und schauen nur noch nach vorn, bis wir irgendwann, in ferner Zukunft, doch zurückschauen und eingestehen: Ja, auch ich habe einmal vorzeitig meinen Platz verlassen.
Dass sich das durchaus rächen kann, beweisen die A-Junioren der JSG Weitefeld-Langenbach / Friedewald / Neunkhausen / Derschen / Daaden. Mit einem 1:3-Rückstand gingen die Jungs im Rheinlandpokal bei der JSG Güllesheim in die Kabine. Und was immer sie sich in der Halbzeit geschworen und zugeraunt haben – es hat nichts genutzt. Zumindest zunächst. Drei Gegentore in drei Minutenft – 1:6 nach 54 Minuten.
Doch dann endlich kam, was kommen musste, dann kamen sechs Tore in 40 Minuten und ein Trainer, der sich nicht mehr zu helfen wusste: »Ich habe meiner Wut freien Lauf gelassen«, gestand er hinterher und angesichts der drei Gegentore in drei Minuten, nicht ohne gegenüber seinen Spielern anzufügen: »Ihr seid verrückt, aber ich bin stolz auf euch!«
Ein Satz, auf den man in den psychiatrischen Kliniken dieser Welt noch immer vergebens wartet.
Synonym für Gewinner
Einer dieser Angeber, denen scheinbar alles gelingt, spielt beim FC Künzing, heißt Chris Seidl und gibt bei der ersten Mannschaft in der Bezirksliga Ost, Niederbayern, den Torschützen vom Dienst. 21 Tore nach 17 Spieltagen standen inzwischen zu Buche. Und dann netzte Seidl gleich doppelt zum 2:0-Sieg über Tiefenbach. Doch das lastete den jungen Mann offenbar längst nicht aus. Und so lief er einen Tag später auch noch für die dritte Mannschaft des Vereins auf – als Torwart.
Denn warum auch nicht, daran hat er Spaß, der Seidl, Chris. Und so hielt er seiner Mannschaft das 1:1 fest, ehe es in der 87. Minute einen Freistoß in aussichtsreicher Position gab. Und, aber sicher, Seidl schnappte sich die Pille und wemmste sie zum Sieg in die gegnerischen Maschen.
Zufall schien das alles übrigens nicht zu sein. Schnell war er als Neuzugang bei Jahn Regensburg oder Wacker Burghausen im Gespräch. Am Ende landete er bei der SV Schalding-Heining, immerhin Regionalliga Bayern. Als Stürmer.
Kobold rettet Mann vor dem Ertrinken
Die Schlagzeile ist schon gut genug, sie sich zu tätowieren. Doch das Märchen dahinter übertrifft sie noch. Der Tatort? Kreisliga Göttingen-Osterode. Der Tatbestand? Lebensrettung. Der Held? Ein Mann namens Kobold, Torhüter der TSV Groß Schneen. Dem im Spiel beim Dransfelder SC plötzlich folgende Wahrnehmung ereilte: »Ich hatte gerade einen Abschlag gemacht und trottete in mein Tor zurück, als ich einen Hilferuf vernahm. Dann ist mir der ältere Mann aufgefallen, der noch halb aus dem Graben hinter dem Sportplatz hervorschaute und sich verzweifelt an einen Baum klammerte.«
Also rannte er vom Platz, um dem über 80 Jahre alten Mann unter bald folgender Mithilfe einiger Zuschauer und Spieler das Leben zu retten. »Er hat mir erzählt, dass er Tabletten nimmt und ihm schummrig geworden war. Hoffentlich erholt er sich gut«, so Kobold, Lebensretter, und zu guter Letzt auch noch sportlich erfolgreich. Denn sein Team gewann schließlich nicht nur sämtliche Herzen, sondern auch die Partie mit 3:1. Und da sagen sie, Manuel Neuer hätte das Torwartspiel revolutioniert!
Den Bayern aufft den Fersen
104 Meisterschaftsspiele blieb Steaua Bukarest zwischen 1986 und 1989 ungeschlagen. 104 Spiele! Den deutschen Rekord hielt eine ganze Weile – Trommelwirbelft – der Hamburger SV. Ja, DER HSV! 36 Partien ohne Niederlage standen am Ende zwischen Januar 1982 und Januar 1983 zu Buche. Ehe die Langeweile-Bayern der Moderne sich auch diesen Rekord schnappten und zwischen 2012 und 2014 satte 53 Bundesligaspiele ohne Niederlage blieben. Ähnlich beeindruckend war nur noch die Serie, die die Bayern in den siebziger Jahren in ihre Heimspiel-Historie einschrieben: Viereinhalb Jahre oder 73 Spiele blieben Beckenbauer und Co. im Grünwalder Stadion und darauf auch im Olympiastadion ungeschlagen.
Können wir auch, dachte sich die Ü40 des SV Eichede. Die spielt in der Kreisliga Schleswig-Holstein und kassierte im Dezember 2012 ihre bis dato letzte Heimniederlage. Seither ist der Nebenplatz des Ernst-Wagener-Stadions zur Festung geworden. Das Erfolgsgeheimnis? »Vor allem technisch sind wir schon stark. Da hilft es uns auch, dass wir zu Hause auf einem guten Platz spielen können«, so Trainer Ralf B.
Ein weiterer Vorteil könnte natürlich sein, dass die Truppe nie wirklich in Gefahr gerät, aufzusteigen. Dafür ist die Auswärtsbilanz einfach zu mies. Fernab des heimischen Rasens sind die Jungs nämlich chronisch mittelerfolgreich. Aber auch die schönste Medaille hat ihre Kehrseite.
Bauer sucht Durchfahrt
TV Braach gegen die SG Haselgrund, Kreisliga B2, Hersfeld/Hünfeld. Es ruckelt so vor sich hin, das Spiel, bis plötzlich nichts mehr geht, da sich ein Landwirt mitsamt seines Traktors vor das Tor der Gästemannschaft platziert.
Er wolle seinen Platz erst wieder räumen, wenn die auf der Straße neben dem Sportplatz parkenden Autos den Weg für ihn freigeben, lässt er die verdatterten Zeugen wissen. Nach einigem Hin und Her beugte sich das Publikum dem überdimensionierten Flitzer, der schließlich seiner Wege tuckerte. Das Spiel endete wenig überraschend torlos. Oder wie ein Augenzeuge schilderte: »Endlich stand im Tor der Gästemannschaft mal eine richtige Maschine.«
Kälber,