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Die Einfälle der heiligen Klara. Pavel Kohout
wahrnahm. Er begann ihr die geplante Rotation der Kader zu schildern, in deren erfolgreichem Verlauf ihn die Zentrifugalkraft zum Kreisschulinspektor emporheben könnte.
Während er einen Rosenkranz von Namen und Titeln herunterbetete, legte sie mechanisch Karten ab und stellte sich die Frage, die sie sich seit dem Moment stellte, als ihre Freudin ihr den letzten Brief überbracht hatte: ob Richard sie tatsächlich binnen einer Woche verführen würde. Schon hatte sie einen Besuch bei ihrer Mutter angekündigt, sich ein Alibi besorgt und eine Tönung machen lassen, mit der sie sich noch begehrenswerter dünkte. Es brauchte nur noch die dumme Scheu überwunden zu werden, die all ihren herbeigesehnten Verehrern Einhalt geboten und sie selbst schließlich gezwungen hatte, mit dem schmachtenden Plavec vorliebzunehmen.
– ... und infolge alles dessen, jetzt halte dich fest,
steigerte der Direktor seine Mitteilung und legte dramatisch eine Pause ein, als wollte er ihr den Mörder bekanntgeben,
– bekommen wir einen neuen Stadtsekretär, unser Lebeda hat sich den Weg direkt ins Bezirksbüro geebnet, und an seinen Platz kommt der Fuchs vom Kreisbüro, den kennst du doch, hab ich recht?
Frau Plavcová vernahm von der ganzen Mitteilung nur diesen Namen. Sie hatte keine Ahnung, in welchem Zusammenhang er eben gefallen war. Sie entsann sich augenblicklich, wie ihr Mann letztes Jahr im Frühling den Brief Eduard Hakls gerade an dem Tag im Wäscheschrank entdeckte, als sie endlich dessen ehrbaren Absichten geglaubt und sich entschlossen hatte, seine Geliebte zu werden, wozu ihr dann der Mut vergangen war. Sie überlegte in höchster Panik, ob sie in Ohnmacht fallen oder ein Geständnis ablegen sollte. Sie stammelte mit letzter Kraft:
– Was für ein Fuchs?
– Na, der von der Partei! Wir haben ihn doch letztes Jahr in Bulgarien kennengelernt!
– Ich habe keine Ah-...
– Aber ja! Wo er hinter jeder Schürze her war und zum Schluß sogar auf dich gesponnen hat!
Frau Plavcová war es, als durchbohrte er sie mit den Augen. Fieberhaft überlegte sie, ob er mit übersinnlichen Kräften begabt war oder mit Hilfe staatlicher Kräfte fremde Briefkästen kontrollierte. Der weibliche Instinkt drängte sie zum Risiko.
– Ah!
machte sie gedehnt und offensichtlich angeekelt,
– dieser widerliche Seladon?
– Ich würde das nicht so streng auffassen ...
– Letztes Jahr hast du’s streng genug aufgefaßt.
Der Direktor breitete die Arme aus.
– Letztes Jahr, letztes Jahr! Mir ist es darum gegangen, daß er das Dekorum wahrt, aber daß du ihm gefallen hast ... Mich freut es doch, wenn du wem gefällst, Puppilein!
Er setzte sich zu ihr, um sie zu umarmen. Sie legte die Karten weg.
– Ich hab auf einmal scheußliches Kopfweh.
– Schon wieder?
sagte Plavec enttäuscht, hielt sich jedoch zurück, denn er hatte noch etwas auf dem Herzen. Vorsichtig fing er an:
– Ich weiß, es wird dir wenig Freude machen, aber wir müssen den Fuchs so bald wie möglich zum Abendessen einladen ...
Diese Vorstellung erfüllte sie mit echtem Schauder.
– Um Himmels willen!
– Puppilein, begreif doch ...
– Nein! Das begreife ich nicht!
– Ich verstehe dich vollkommen, aber hie und da muß man eben zurückstecken, wenn man weiß, worum es geht. Einen Abend lang wirst du’s schon aushalten, und er wird sich jetzt nichts herausnehmen, ein Parteisekretär kann sich keinen moralischen Makel leisten. Also, was meinst du?
verlegte er sich aufs Bitten,
– tust du’s für mich? Du tust es ja auch für dich, hab ich recht?
Es war ihr nun klar, daß er nicht die geringste Ahnung hatte, aber ihre Haltung gegenüber Fuchs änderte sie sicherheitshalber nicht.
– Also gut, aber wir gehen in ein Restaurant. Dieser Mensch kommt mir nicht ins Haus!
Als schließlich dann aus dem Bad die Dusche zu hören war, schloß Frau Plavcová leise die Dielentür und eilte zum Telefon.
Am selben Abend, fast gleichzeitig, klingelte in der Wohnung des Kollegen Brunát das Telefon. Frau Brunátová, schon in einem reizenden Nachthemd neuesten Schnitts, das aus Paris mitzubringen sie ihre Kusine angefleht hatte, hob ab. Sieben Jahre Ehe, das waren für Frau Brunátová sieben Jahre wechselhaft erfolgreichen Ringens mit ihrer hartnäckigen Rivalin gewesen – der Mathematik. Das Nachthemd hatte sie just als allerneueste Waffe angelegt.
– Bitte?
sagte sie,
– bist du das? Ich hör dich kaum, kannst du nicht etwas lauter ... Ach so, verstehe ... Was? Meiner arbeitet ...
Sie warf einen Blick auf den Schreibtisch. Der Mathematiklehrer saß im Schlafrock mit dem Rücken zu ihr und schenkte ihr nicht die geringste Aufmerksamkeit. Beruhigt nahm sie das Gespräch wieder auf.
– Nein, überhaupt nicht, sag schon ... Was du nicht sagst!
Im Hörer ertönte rasches Krächzen. Frau Brunátová drückte ihn dichter ans Ohr.
– Du brauchst nicht zu schreien, ich höre dich.
Das Krächzen nahm an Lautstärke ab, doch schwangen Beklommenheit und Unsicherheit darin mit. Es klang in einer verzweifelten Frage aus.
– Goldkind,
sagte die Brunátová ratlos,
– da bin ich überfragt ...
Ihr Mann schnaubte ungeduldig. Sie erschrak.
– Vielleicht ruft die Schneiderin dich an!
ergänzte sie rasch, um die Freundin nicht aller Hoffnung zu berauben.
– Was für eine Schneiderin?
kam es verständnislos aus dem Hörer.
– Na, die für dich näht, Herrschaft ...
Frau Brunátová seufzte bedeutungsschwanger
– ... von wem reden wir denn? Also, gute Nacht. Ich rufe dich morgen früh an!
Noch bevor sie auflegte, hatte sie ein Märchen für den Gatten fertig. Aber als sie zu ihm trat, wurde sie gewahr, daß es sich erübrigte. Brunát säuselte leise durch die Lippen, während seine Hand mit dem scharfgespitzten Bleistift über dem Lehrbuch kreiste, um den vier bereits angekreuzten Beispielen ein fünftes hinzuzufügen. Die Entscheidung war offensichtlich quälend: Schon hielt der Bleistift inne, um eine Nummer aufzuspießen, da zuckte er gleich darauf zu einem anderen Beispiel hinüber, wie um einen unsichtbaren Widersacher zu täuschen.
Frau Brunátová empfand plötzlich Mitleid. Auch wenn sie oft eifersüchtig darauf war, so mochte sie eigentlich doch seine wissenschaftliche Verbohrtheit, die ihn zwar immer wieder von ihr entfernte, ihm jedoch eine rührende Jungenhaftigkeit bewahrte. Wie sie so hinter ihm stand, drückte sie sich mit voller Brust gegen seinen Nacken und umschlang sacht mit linden Händen seinen Hals.
Brunát klappte jäh das Lehrbuch zu und brüllte:
– Schau mir da nicht hinein!
Sie war dermaßen erschüttert, daß sie zu stottern anfing.
– Ich sch-schaue doch g-gar nicht ...
– Also, was willst du?
– Na, erlaube mal ...
Er starrte ihr gewagtes Nachthemd an, dessen Kaumvorhandensein auch noch mit Durchsichtigkeit konkurrierte, und in seinem überreizten Sinn keimte ein Verdacht auf. Drohend sprach er ihn aus:
–