Ich - Ein Wahnsinnsjahr. Lena Eilstrup
fanden, es war das affengeilste Fest, das sie je erlebt hätten. Susanne war grün vor Neid. Rasmus rief mir hallo zu, aber ich fragte ihn nicht, wann er Tarzan besuchen will. Mia übersieht mich einfach.
Ich bin immer noch ohne festen Partner. Brian C. könnte ich glücklich machen, aber jetzt hat er auch noch eine Zahnspange gekriegt, deshalb ist es vollkommen ausgeschlossen. Auch aus Mitleid geht es nicht.
Ich bin ein furchtbar einsames Einzelkind und kann mich nur auf Tarzan verlassen. Susanne hat eine große Schwester und einen großen Bruder, zu denen sie aufsehen kann, und außerdem noch vier Kätzchen, und sie bekommt Reitunterricht auf einem Pferd, das Janus heißt. Aber dafür hat Mama nicht genug Geld, und Papa will nichts finanzieren, was gefährlich sein könnte.
Früher saß Mama immer zu Hause und fluchte über Papas Überstunden, wenn ich von der Schule kam. Das war richtig gemütlich. Jetzt arbeitet sie im 24-Stunden-Kiosk an der Ecke und flucht darüber. Es ist ja auch nicht gerade anspruchsvoll, Bier über den Tresen zu reichen und Busenblätter und Monatsbinden zu verkaufen.
Das, was sie unser Heim nennt, wird infiziert mit Frauenzeitschriften, die sie im Kiosk ausleiht und liest, bevor sie verkauft werden. Ihr kultureller Anspruch kann nicht besonders hoch sein. Papa hätte so was nie zugelassen, er ist voll auf Kultur, Theater und gutes Essen abgefahren. Ich glaube, sie klaut auch Zigaretten, zumindest muß sie sie mit Rabatt kriegen, sonst könnte sie nicht all die Glimmstengel bezahlen, die sie einsaugt, und dazu noch den Rotwein.
Wenn ich jetzt meine Memoiren schreiben würde, stünde da: Meine Mutter ist geschieden, eine Diebin und Alkoholikerin und geht mit einem dubiosen Mechaniker ins Bett. Ich werde vernachlässigt. Tarzan soll getötet werden.
Sie ist eine Schande für die Familie.
Dienstag, 29. Januar
Oma ist angeschmiert worden. Sie dachte, sie hätte den letzten Mann ihres Lebens gefunden, und das nur fünf Jahre nach Opas Tod. Obwohl ich mich selbst für ziemlich tolerant halte, bin ich echt enttäuscht. Ich kann mich nicht mehr so gut an Opa erinnern, aber er ist zur See gefahren und gestorben, als er an Land ging. Mama erzählt nichts von ihm, denn während ihrer Kindheit war er meistens auf See, aber sie hat mir gesagt, daß er einen tätowierten Engel auf dem Arm hatte und ihr das Fluchen beigebracht hat.
Oma dachte, sie hätte einen bodenständigen Mann mit eigener Firma gefunden, den Malermeister Jensen, der ihre Wohnung gestrichen hat. Er hat sich nett mit ihr unterhalten und ihr Bier getrunken. Als jedoch Opas Bild schief im Rahmen hing und die Naht ihrer Matratze aufgegangen war, bekam sie einen fürchterlichen Verdacht. Es ist ja allgemein bekannt, daß Rentner ihr Geld an diesen Stellen verstecken. Sie ist fest davon überzeugt, daß er ihr gesamtes Erspartes klauen wollte. Aber zum Glück ist Oma ja nicht von gestern. Sie hat es in einem alten Topf versteckt, weigert sich aber, es auf die Bank zu bringen, dann würde ja ein Mann von der Gemeinde das meiste von ihrer Rente klauen.
Oma geht wegen ihres Rückens nicht mehr zur Selbstverteidigung und muß jetzt in permanenter Angst vor Taschendieben leben.
Dieser Malermeister war tatsächlich ein getarnter Dieb, und, wie sich herausstellte, auch noch einer mit Frau und erwachsenen Kindern. Oma mußte sich ein neues Türschloß anschaffen und sich mit einer nur halb gestrichenen Tür zufriedengeben, mag ihn aber nicht der Polizei melden. Sie hat Angst, daß es einen Skandal im Seniorenclub geben wird, wenn die herauskriegen, daß sie mit einem verheirateten Mann zusammen war.
Sie meint, es sei nicht leicht, allein zu sein. Was erwartet eine Frau in diesem Alter eigentlich? Klar, ich mag Oma trotzdem gern. Sie ist echt witzig. Gestern waren ihre Haare fast honiggelb. Sie paßt die Haarfarbe ihrer Stimmung an. Wenn sie grau sind, dann stimmt was nicht. Ich habe versprochen, ihr bei einer Kontaktanzeige zu helfen. Ich habe schließlich einige Erfahrung mit Zeitschriften.
Das will sie sich überlegen.
Sie kam mit einer Flasche Portwein, die sie schwesterlich mit Mama teilte, um die Sorgen zu ertränken. Aber sie hat sich gefreut, daß Mama Bent Ivan gefunden hat, auf den sie sich am Wochenende stützen kann.
Wir haben verabredet, zusammen auf den Friedhof zu gehen und Opa zu besuchen.
Mittwoch, 30. Januar
Draußen ist es hundekalt, und es schneit. Die Friedhofsverabredung ist abgesagt worden, Oma will ihre verkalkten Beine diesem Risiko nicht aussetzen.
Das meiste Taschengeld kriege ich von Papa, und er benutzt es nicht als Druckmittel. Das ist toll, mit dem Geld kann ich mich amüsieren und gleichzeitig entwickeln. Dagegen benutzt Mama das Katzenfutter als reines Druckmittel. Wenn ich die Einfahrt nicht freiräume, muß Tarzan hungern.
Mißhandlung! Warum, verdammt noch mal, läßt sie das nicht Bent Ivan machen? Schließlich ist es sein Lada, der da stehen soll. Er kann auch mal was für Kost und Logis beitragen. Wir werden doch nur nach Strich und Faden ausgenutzt.
Donnerstag, 31. Januar
Susanne meint, Brian C. wird wohl sterben, weil unsere Beziehung auseinandergegangen ist. Natürlich möchte ich ihn nicht für den Rest meines Lebens auf dem Gewissen haben, aber ich denke nicht, daß ich daran schuld bin. Ich habe Susanne gesagt, sie kann ihm erzählen, daß ich ihn nie vergessen werde, wenn das etwas nützt. Ich bin ja nicht gefühllos.
Mama und Bent Ivan haben gefeiert, daß sie schon einen Monat lang richtig zusammen sind. Ich habe Mama gefragt, ob es denn nicht an der Zeit wäre, einen anderen zu finden, bevor er sich hier zu sehr heimisch fühlt. Normalerweise hält sie es mit ihren Freunden immer nur ein paar Tage aus. Sie sagte, ich soll in meinem Zimmer verschwinden und mich um meinen eigenen Kram kümmern.
Nur gut, daß ich dich habe, liebes Tagebuch.
Ich und Rasmus
Freitag, 1. Februar
Rasmus hat mit mir die ganze Pause lang geredet, während Mia beim Zahnarzt war. Vor allem über unsere idiotische Schule und über Fußball. Aber es ist klar, er ist interessiert.
Mama geht neuerdings ins Solarium, wo sie doch bisher die Winterbraunen immer verachtet hat. Das wird noch mit Hautkrebs enden. Sie tut alles, um Bent Ivan zu halten.
Und sie ist aus der Friedensbewegung ausgetreten. Sie kann den Beitrag nicht mehr bezahlen, sagt sie. Es interessiert sie überhaupt nicht, ob es Krieg geben wird. Sie denkt nur noch an sich selbst. Ich werde ihre Mitgliedschaft übernehmen, und zwar von meinem eigenen Taschengeld. Irgend jemand muß ja die Welt retten. Und wenn es nötig ist, werde ich auch gegen den Krieg demonstrieren. Aber das hat sie überhaupt nicht beeindruckt. Sie hat sich sehr zum Negativen verändert.
Papa hat angerufen. Ich habe ihm versprochen, heute abend zu ihm rüberzukommen. Er hat was Neues, womit er mich überraschen will. Bestimmt ein goldener Schleierschwanz.
Samstag, 2. Februar
Ich weiß nicht, ob ich Papa noch besuchen werde. Dauernd macht er mit seinen Fischen rum, und jetzt ist er auch noch mit einer Frau zusammen. Sie ist viel jünger als er und heißt Irene. Es ist offensichtlich, daß sie hübscher als Mama ist. Ihr Lächeln war aber angeschminkt und ihre Stimme gekünstelt.
Papa hat die ganze Zeit geredet. Meistens darüber, wie gut es ihm mit Irene geht und daß ich mich doch freuen soll, daß er nicht mehr allein ist. Das tue ich auch.
Bent Ivan und Mikkel sollen das ganze Wochenende hiersein. Ich gehe zu Oma.
Ob Eltern wohl darüber nachdenken, was sie ihren Kindern antun, wenn sie sie ihren zufälligen Geliebten und deren Nachkommen aussetzen?
Sonntag, 3. Februar
Habe bei Oma geschlafen. Sie hat nur zwei Zimmer. Wir haben über ihre Kindheit geredet und Fotos angeguckt. Sie hat meinen Verdacht bestärkt, daß Mama schon immer ein leichtes Mädchen war. Sie hat sich früher auch mehr für Männer als fürs Stricken interessiert. Aber dann hat sie meinen Vater getroffen, und die haben nur mich gekriegt.
Ich schlief in Omas Bett, und sie hat auf dem Sofa im Wohnzimmer geschlafen. Sie guckt immer bis ein